Nach automatischer Abführung Kirchensteuer verschreckt die Gläubigen

Die Kirchensteuer war schon immer fällig. Aber damals war sie kaum jemandem aufgefallen. Jetzt soll die Steuer auf Kapitalerträge automatisch abgeführt werden, was für viel Aufregung sorgt. Warum eigentlich?

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Eigentlich wird es für Kirchenmitglieder gar nicht teurer. Doch die automatische Abführung der Steuer sorgt für Unmut. Quelle: dpa

Berlin/Fulda Es ist ein klassisches Eigentor der Kirchen. Seitdem Banken und Sparkassen ihren Kunden mitteilten, dass die Kirchensteuer auf Kapitalerträge künftig automatisch abgeführt wird, ist die Aufregung groß - groß soll auch die Austrittswelle verschreckter Protestanten und Katholiken sein. Dabei ist diese Steuer - nach Abzug des Sparerfreibetrags von 801 Euro - schon immer fällig. Aber offenbar wurde sie nicht wirklich ernst genommen und kaum eingetrieben.

Was die um Einnahmen ringenden katholischen und evangelischen Kirchen auf den Plan rief. Den Kirchen mit ihren 48 Millionen Mitgliedern entgeht viel Geld. Sie forderten: Der Staat sollte die Besteuerung der Kapitaleinkünfte doch automatisieren. Trotz sinkender Mitgliederzahlen erhielt die katholische Kirche im vergangenen Jahr rund 5,4 Milliarden Euro aus der Kirchensteuer, die evangelischen Landeskirchen nahmen etwa 4,7 Milliarden ein.

Um wieviel geht es jetzt? Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) machte folgende Rechnung: Das Geldvermögen der Deutschen betrage rund 5 Billionen Euro. Davon entfielen vielleicht 2 Billionen auf Menschen, die keiner Konfession angehören. Blieben 3 Billionen - und die würden im Jahr selbst bei zwei Prozent Zinsen 60 Milliarden Euro bringen. Darauf wären 25 Prozent Kapitalertragsteuer fällig - was 15 Milliarden Euro brächte. Bei darauf erhobenen 9 Prozent Kirchensteuer kämen deutschlandweit etwa 1,4 Milliarden Euro zusammen. Wer 100 000 Euro auf der Bank hat, müsste im Jahr 30 bis 40 Euro Kirchensteuer zahlen.


„Bei vielen Menschen ist ein falscher Eindruck entstanden“

Viel Aufregung um wenig im Einzelfall? Im Grunde schon. Eigentlich wird bereits seit 2009 die Kapitalertragsteuer direkt an der Quelle von Banken automatisch erhoben und an den Fiskus abgeführt. Die Kirchensteuer auf die Kapitalertragsteuer wurde nur nach Mitteilung des Steuerzahlers weitergeleitet. Nach Intervention der Kirchen wurde das Verfahren geändert - die Höhe der Kirchensteuer von neun Prozent (Bayern und Baden-Württemberg: 8 Prozent) der Lohn- und Einkommensteuer bleibt allerdings unverändert.

Ab 2015 sollen Banken, Sparkassen, Versicherer oder Wohnungsbaugenossenschaften auch die auf Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer direkt abführen. In Briefen wurden Kunden auf das neue Einzugsverfahren hingewiesen - in nicht unbedingt verständlichen Sätzen, wie hinter vorgehaltener Hand eingeräumt wird.

Empörte Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Und es blieb nicht dabei. Die ohnehin unter Mitgliederschwund leidenden Kirchen kämpfen gegen weitere Austritte an - wobei die Kirchensteuer allein und die von einigen Kirchenoberen ausgemachte Kommunikationspanne wohl kaum der Grund sein dürften. Eher ein weiterer Auslöser.

Bei vielen Menschen sei der falsche Eindruck entstanden, die Kirche erhebe eine neue Steuer, hieß es nach der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz (DBK) in Fulda. Einzelne Bistümer verzeichneten deshalb Kirchenaustritte. „Die Zahlen haben wir noch nicht“, sagte der DBK-Vorsitzende Reinhard Marx. Aber es würden erhöhte Austritte vermutet. „Toll finden wir das alle nicht“, so der Erzbischof.

Frustrierte Kirchenvertreter aus einigen evangelischen Landeskirchen werfen Banken und Sparkassen nun vereinzelt vor, Kunden und um ihre Ersparnisse bangenden Rentnern wegen der neuen Regeln zum Austritt zu raten. Was die Kreditwirtschaft empört zurückweist. Der Vorstoß für das neue, lückenlose Einzugsverfahren sei schließlich von den Kirchen gekommen. Aber auch Katholiken sind verärgert über die evangelischen Kollegen: „Die Vorwürfe haben wir mit Verwunderung zur Kenntnis genommen“, heißt es bei der Bischofskonferenz: „Das ist wenig hilfreich. Uns liegen solche Vorkommnisse bisher nicht vor.“

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