Offene Immobilienfonds Commerzbank muss Schadensersatz zahlen

Wenn es eng wird, können offene Immobilienfonds Anteile einfrieren. Die Commerzbank hatte eine Kundin darüber nicht aufgeklärt – und muss ihr den Schaden nun ersetzen. Das BGH-Urteil könnte Signalwirkung haben.

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Offene Immobilienfonds können Anteile einfrieren. Darüber hätte die Commerzbank eine Kundin informieren müssen. Quelle: AFP

Karlsruhe Der Bundesgerichtshof (BGH) weitet mit einem Grundsatzurteil die Aufklärungspflichten von Banken bei offenen Immobilienfonds aus. Die Commerzbank muss einer Kundin mehr als 22.000 Euro Schadenersatz zahlen, weil sie beim Kauf des Fonds nicht darüber aufgeklärt hatte, dass sich die Frau nicht jederzeit auf die Möglichkeit zur Rücknahme der Anteile verlassen konnte.

Der BGH bestätigte damit am Dienstag ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom Februar 2013 und wies die Revision der Bank zurück. Ihr Anwalt hatte in der Verhandlung davor gewarnt, man dürfe "die Aufklärungspflichten einer Bank nicht ins Unendliche und damit maßlos übersteigern". Das Urteil des 11. Zivilsenats dürfte Signalwirkung für zahlreiche weitere Anlegerklagen haben.

Offene Fonds haben die Möglichkeit, Anteile zeitweilig nicht zurückzunehmen, wenn es für sie finanziell eng wird – wie etwa in der Zeit der Finanzkrise von 2008. Empfiehlt eine Bank den Kauf von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds, müsse sie den Anleger ungefragt auf dieses Risiko hinweisen, entschied der BGH in Karlsruhe.

Versäume sie das, sei das ein Beratungsfehler, der eine Schadenersatzpflicht nach sich ziehe. Der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers sagte bei der Urteilsverkündung: "Der Anleger muss bereits beim Erwerb der Anteile wissen, auf was er sich einlässt."

Der BGH betonte, Anleger könnten laut Gesetz Fondsanteile grundsätzlich jederzeit zum festgelegten Rücknahmepreis an die Fondsgesellschaft zurückgeben. Durch die Aussetzung werde dieser Grundsatz jedoch durchbrochen. Darüber müsse ein Kunde vor seiner Anlageentscheidung informiert werden.

Denn dann bleibe dem Anleger nur noch der Verkauf der Anteile über der Börse – meist mit deutlichen Kursabschlägen. Ob schon bei der Beratung absehbar sei, dass die Rücknahme ausgesetzt werde, spiele für die Aufklärungspflicht der Bank keine Rolle, betonte Wiechers.


Zwei parallelen Verfahren

Die Commerzbank war der Meinung, dass sich jeder Anleger mit gesundem Menschenverstand selbst ausrechnen könne, dass es zu einer solchen Situation kommen könne. Die Aussetzung diene dem zusätzlichen Schutz für die Anleger und solle deren Kapitalverlust gerade vermeiden.

In zwei parallel gelagerten Verfahren verlangten Anleger von der Commerzbank jeweils mehrere Tausend Euro Schadenersatz, weil sie beim Kauf von Anteilen am Immobilienfonds Morgan Stanley P2 Value 2008 fehlerhaft beraten worden seien.

Der P2 Value war der erste deutsche Immobilienfonds, der in der Finanzkrise zeitweise geschlossen worden war, weil Anleger zu viel Geld abgezogen hatten. Die beiden Commerzbank-Kunden verkauften die Anteile mit Verlust über die Börse – und klagten. Die Bank habe in den Beratungsgesprächen nicht über dieses Risiko aufgeklärt.

Die Vorinstanzen waren sich uneins gewesen: Die Richter in Frankfurt hatten der Klägerin Recht gegeben. Das OLG Dresden hatte dagegen befunden, dass die Bank im Frühjahr 2008 eine Kundin noch nicht über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme hätte aufklären müssen. Schließlich sei so etwas zuvor überhaupt nur viermal vorgekommen – 2005 und 2006.

Deshalb sei das Verlustrisiko damals eher "theoretischer Natur" gewesen. Die sächsischen Richter müssen nun nach den Vorgaben des BGH noch einmal entscheiden, ob die Frau Anspruch auf rund 7000 Euro Schadenersatz hat.

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