Mehrere tausend Deutsche sollen nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ Briefkastenfirmen der panamaischen Anwaltskanzlei genutzt haben. „Als Vermittler traten dabei nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Banken auf“, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die am Sonntag bekannt gewordenen „Panama Papers“.
Mindestens 28 deutsche Banken sollen laut Medienbericht in den vergangenen Jahren die Dienste dieser Kanzlei genutzt haben. Insgesamt hätten allein die deutschen Banken bei dem Offshore-Dienstleister mehr als 1200 Briefkastenfirmen gegründet oder diese für ihre Kunden verwaltet. Gut 500 Banken hätten den Dokumenten zufolge in den vergangenen Jahren mithilfe der Kanzlei mehr als 15.600 Briefkastenfirmen an ihre Kunden vermittelt.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will mit einem „Transparenzregister“ für Briefkastenfirmen auf die neuen Enthüllungen über Finanzgeschäfte in Steueroasen reagieren. „Die Heimlichtuerei muss ein Ende haben“, sagte Maas „Süddeutschen Zeitung“, dem NDR und dem WDR. Der Minister sieht darin einen wichtigen Bestandteil im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung. Um Briefkastenfirmen aus der Anonymität zu holen, will Maas das deutsche Geldwäschegesetz ergänzten.
Maas hat laut Medienberichten zufolge diese Ergänzung bereits vor einem Monat in der Regierung vorgeschlagen. Unter Berufung auf Regierungskreise schreibt das Blatt, damit solle von Deutschland aus ein Signal an die EU und andere internationale Organisationen gesetzt werden.
Die französische Justiz hat nach den Enthüllungen Vorermittlungen eingeleitet. Es gehe um den Verdacht auf Geldwäsche im Zusammenhang mit schwerem Steuerbetrug, sagte ein Sprecher der nationalen Finanz-Staatsanwaltschaft. Die Ermittler untersuchen dabei nur Fälle, in denen französische Steuerpflichtige betroffen sein könnten. Wie viele dies sind, sei bislang nicht klar, so der Sprecher.
Zuvor hatten bereits die Behörden in mehreren Staaten Untersuchungen eingeleitet. Panamas Staatschef Juan Carlos Varela sagte volle Kooperation seines Landes bei der Aufklärung zu. Die Staatsanwaltschaft Panamas leitete Ermittlungen zu den Vorwürfen ein. Ermittlungen oder Prüfungen gab es in zudem in Australien, Israel, Spanien, den Niederlanden, Indien und der Schweiz.
Argentiniens Staatschef Mauricio Macri sieht keine Anhaltspunkte für eigene Steuervergehen. Macris Name erscheint in den Unterlagen. Macri habe keine Beteiligung als Aktionär an der Firma gehabt und sei deshalb auch nicht verpflichtet gewesen, die von ihm angenommene Rolle als Direktor in seinen Steuererklärungen zu erwähnen, heißt es in einer verbreiteten Erklärung des Präsidialamtes.
Die 1998 gegründete und 2009 wieder geschlossene Firma sei Teil der Familien-Holding gewesen, die von Franco Macri, dem Vater des Präsidenten, geführt werde. Franco Macri habe entsprechend auch Fleg Trading in seine Steuererklärungen aufgenommen.
Franco, Mauricio und dessen Bruder Mariano Macri waren nach den „Panama Papers“ die Direktoren der Offshore-Firma. Mauricio Macri war Bürgermeister von Buenos Aires von 2007 bis zu seiner Wahl zum Präsidenten Ende 2015. Oppositionspolitiker forderten am Montag, das Macri öffentlich Stellung zu dem Fall nimmt.
Der argentinische Anwalt des Fußballstars Lionel Messi, Enrique Bacigalupo, wollte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht zu Berichten der Sportpresse in Barcelona äußern. Diesen Berichten zufolge will der Fußballstar angeblich Medien verklagen, die seinen Namen im Zusammenhang mit der Affäre um die „Panama Papers“ genannt haben.
Österreichs Bundeskanzler fordert schnelle Aufarbeitung
Politiker in Europa fordern nach den neuen Enthüllungen ein härteres Vorgehen gegen Steuerflucht und Geldwäsche. Aus den unter anderem von der „Süddeutschen Zeitung“ ausgewerteten Dokumenten soll hervorgehen, dass zahlreiche Politiker, Sportler und Prominente ihr Geld in Offshorefirmen geparkt haben. „Wir müssen Briefkastenfirmen und Stiftungen, deren wirtschaftlich Berechtigte anonym bleiben, weltweit verbieten“, sagte SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel der "SZ". Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Prominente aus anderen Staaten wehrten sich unterdessen gegen Beschuldigungen.
Die „SZ“ will die brisanten Daten nicht den ermittelnden Behörden übergeben, sagte Reporter Frederik Obermaier der Deutschen Presse-Agentur. Unklar blieb einen Tag nach der Veröffentlichung, ob die mit einem Datenleck bekanntgewordenen Geschäftstätigkeiten unrechtmäßig sind. Die Deutsche Bank und die Hamburger Privatbank Berenberg bestätigten zwar Geschäfte im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen im Ausland. Zugleich betonten sie aber die Rechtmäßigkeit der Vorgänge.
Thomas Eigenthaler, Chef der Steuergewerkschaft, sagte am Montag: „Panama ist erst die Spitze des Eisbergs. Der internationale Datenaustausch ist zwar ein guter Anfang, aber nicht genug. Alle Staaten müssen an einem Strang ziehen. Die Oasenproblematik löst sich nicht von heute auf morgen.“ Er fordert außerdem eine Beweisumkehr für Offshore-Firmen. „Nicht das Finanzamt sollte die Schuld nachweisen müssen, sondern der Betroffene, der Offshore-Firmen betreibt, sollte seine Unschuld beweisen müssen.“ Aus seiner Sicht ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht Illegales mit Offshore-Firmen abgewickelt wird, bei 0,1 Prozent. „Das Risiko sollte nicht nur dem Fiskus aufgebürdet werden, sondern auch dem Betroffenen.“
Gabriel sagte zu den Enthüllungen, eine Geldgier von Superreichen verbinde sich mit Gewissenlosigkeit im Banken- und Finanzsektor. „Beides zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat“, sagte er. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) forderte eine rigorose Aufarbeitung. „Wenn Staaten um gerechte Einnahmen aus dem Vermögen jener, die es sich richten können, durch solche Konstruktionen gebracht werden, muss es klare Antworten geben“, teilte Faymann mit. EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici begrüßte die Medienenthüllungen als „exzellente Nachricht“.
Die in den „Panama Papers“ genannten Unternehmen sollen zum Teil von der Kanzlei Mossack Fonseca gegründet worden sein. Die Kanzlei wehrt sich gegen Vorwürfe und hält die Abschöpfung der Daten für strafbar. Ramón Fonseca Mora, Teilhaber der Kanzlei, sagte im Fernsehsender TVN, sein Unternehmen helfe nicht bei Geldwäsche oder Steuerhinterziehung. Mossack Fonseca gründe lediglich Firmen und verkaufe sie dann an Banken, Vermögensverwalter oder Anwälte. Eine Geschäftsbeziehung zu den Endkunden bestehe nicht. Ramón Fonseca Mora führt die Kanzlei gemeinsam mit dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack.
Die Opposition in Island forderte den Rücktritt von Premierminister Sigmundur Gunnlaugsson. Der Politiker soll nach den Berichten gemeinsam mit seiner späteren Frau Anteilseigner einer Firma namens Wintris Inc. auf den Britischen Jungferninseln geworden sein. Dorthin sollen Millionen Dollar geflossen sein, die Gunnlaugssons Partnerin von ihrem Vater geerbt hatte.
Auf das Thema angesprochen, verließ der liberale Politiker eine am Sonntagabend im isländischen Fernsehen ausgestrahlte Sendung, die bereits am 11. März aufgenommen worden war. Am Montag entschuldigte er sich dafür, sich bei dem Interview „furchtbar“ verhalten zu haben. „Natürlich wünschte ich, meiner Frau würde diese ausländische Firma nicht gehören.“ Einen Rücktritt lehnte er ab.
Der Kreml wertet die Veröffentlichung der „Panama Papers“ als Versuch, Putin zu diskreditieren. Putin komme aber in dem Datenmaterial über Offshore-Firmen gar nicht vor, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. Nach Angaben des journalistischen Rechercheverbunds ICIJ tauchen in den „Panama Papers“ Namen aus Putins Umfeld auf. Mit deren Firmen seien Geschäfte über mehr als zwei Milliarden US-Dollar (1,75 Mrd. Euro) verbunden. Putin selber werde nicht genannt.
Das ukrainische Antikorruptionsbüro wird aufgrund der „Panama Papers“ nicht gegen Präsident Petro Poroschenko ermitteln. Er soll den Berichten zufolge 2014 seinen Süßwarenkonzern juristisch auf die Britischen Jungferninseln verlegt haben. „Gemäß den geltenden Gesetzen gehört der Präsident nicht zur Liste der Funktionsträger, gegen die das Büro Ermittlungen aufnehmen kann“, erklärte die Behörde der Onlinezeitung strana.ua.