Provisionen Gläserne Bank wider Willen

Banken müssen künftig ungefragt über alle Provisionen aufklären. Rechtsanwalt Marc Gericke erklärt im Interview mit Handelsblatt Online, was das für Anleger bedeutet und welche Rechte sie jetzt haben.

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Seit Anfang August sind Banken durch das Grundsatzurteil des BGH dazu verpflichtet, über ihre Zuwendungen aufzuklären. Quelle: ap

Düsseldorf Die meisten Anleger wissen mittlerweile, dass Banken Provisionen erhalten – aber kaum ein Kunde fragt nach in welcher Höhe. Dabei lohnt sich ein kritischer Blick durchaus. Seit August haben Anleger sogar ein Recht auf vollständige Aufklärung. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Ab 1. August 2014 müssen Banken Anleger über alle Vergütungen aufklären (Aktenzeichen XI ZR 147/12) – sonst haften sie.

Rechtsanwalt Marc Gericke ist Anlegeranwalt in der Kanzlei Göddecke in Siegburg. Im Interview mit Handelsblatt Online erklärt er, was die neuen Pflichten der Banken für Anleger bedeuten.

Herr Gericke, wenn ein Kunde zu seiner Bank geht und sich über eine Anlage beraten lässt, dann zahlt dieser doch erst mal nichts, oder?
Anlageberater tun im Gespräch so, als würden sie ihre Kunden kostenlos beraten. In Wahrheit sind provisionsgetriebene Anlage- und Finanzberatungen alles andere als gratis. Der Kunde muss bedenken: Banken beraten, um daran zu verdienen. Sie verdienen aber nur, wenn Kunden auch Verträge abschließen. Und sie verdienen umso mehr, je mehr Verträge abgeschlossen werden und je höher die Provisionen ausfallen.

Aber kann der Kunde dann überhaupt darauf vertrauen, dass ihm der Berater das beste Produkt empfiehlt?
Nein, das sollte er auf keinen Fall ohne es kritisch zu hinterfragen. Nicht immer sind Produkte mit den höchsten Provisionen für die Bank das richtige Produkt für den Kunden.

Haben Sie ein Beispiel?
Wir hatten Fälle, da haben Banken in erster Linie selbst initiierte Produkte vertrieben, obwohl es auf dem Markt bessere Alternativen gab. Da gab es schon mal Provisionen von bis zu elf Prozent. Bei einem Anlagebetrag von 20.000 Euro sind das immerhin 2.200 Euro. Für eine Anlageberatung von im besten Falle zwei Stunden kein schlechter Schnitt.  


Kunden sollten sich nicht abwimmeln lassen

Seit 1. August sind Banken durch das Grundsatzurteil des BGH dazu verpflichtet, über ihre Zuwendungen aufzuklären. Was bedeutet das für den Kunden?
Der BGH hat die Vergütungen an die Bank unter den Oberbegriffen der Zuwendungen zusammengefasst. Im Prinzip müssen die Banken jetzt offen legen, was sie bekommen, egal wie man die Vergütung nennt und egal, woher sie kommt. Tun sie es nicht, machen sie sich schadensersatzpflichtig. Im Klartext bedeutet das: Sagt der Berater nicht konkret, was er am Abschluss verdient, lassen Sie es. Weigert sich der Berater Auskunft zu geben, lassen Sie es.

Welche Produkte betrifft das konkret?
Das gilt grundsätzlich für alle Produkte des grauen Kapitalmarktes und sogar darüber hinaus für Geschäfte, die nicht dem Kapitalmarkt zuzuordnen sind wie beispielsweise für den Erwerb von Grundstücken, sofern dem eine Anlageempfehlung durch die Bank vorausgegangen ist.

Nicht immer werden die Banken freiwillig auf die Kunden zugehen. Was sollten Kunden tun?
Das müssen Banken aber ab August. Kunden sollten den Berater dennoch ganz klar fragen, was die Bank mit dem Abschluss jetzt und während der Vertragslaufzeit verdient. Wichtig ist, diese Aussage dann auch schriftlich im Protokoll zu vermerken.

Und wenn der Berater dazu keine konkrete Aussage trifft?
Da sollte man sich nicht abwimmeln lassen. Wenn dann immer noch keine vernünftige Aussage kommt oder der Berater behauptet, er habe keine Ahnung, dann sollte man wirklich die Bank wechseln.

Wenn er sich nicht auf die Aussage des Beraters verlassen will, hat der Kunde dann eine Möglichkeit, zu überprüfen wie viel Provision die Bank kassiert hat?
Nein, und das ist ja das Schlimme. Der Kunde kann diese Aussage nicht nachprüfen. Daher sollte sie auch schriftlich fixiert werden, damit man abgesichert ist.


Banken haben eine Aufklärungspflicht

Welche Arten von Vergütungen gibt es?
Kunden sollten ihre Banken gezielt auf „Zuwendungen“ ansprechen. Seit 2006 haben Banken ohnehin eine generelle Aufklärungspflicht bei der Beratung über Rückvergütungen. Am 3. Juni diesen Jahres hat der BGH nun entschieden, dass Banken zukünftig auch über ihr Eigeninteresse an einer Innenprovision aufklären müssen. Seit 2004 gab es nur eine generelle Aufklärungspflicht für Innenprovisionen von mehr als 15 Prozent.

Was ist der Unterschied zwischen Rückvergütung und Innenprovision?
Beides wird letztlich vom Geld des Anlegers bezahlt und beides begründet letztendlich einen Interessenskonflikt. Beides kassiert der Anlageberater. Daher kann ich nicht wirklich nachvollziehen, warum überhaupt zwischen den beiden unterschieden wird. Auch Anleger verstehen das kaum und auch manche Gerichte haben da nach meiner Auffassung zu Recht keinen Unterschied gemacht.

Aber eine Definition muss es doch geben.
Der BGH definiert Innenprovisionen als nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden. Die behält die Bank von Anfang an ein oder erhält sie von einem Dritten. Rückvergütungen, sogenannte Kick-Backs, liegen laut BGH nur dann vor, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen.

Können Sie ein Beispiel für Kick-Backs nennen?
Das ist der Betrag, der aus einer Position gezahlt wird, die im Prospekt steht. Nehmen wir an, es gibt Platzierungskosten in Höhe von neun Prozent. Der Betrag geht zunächst an den Produktanbieter oder den Vertriebsbeauftragten – dann fließt davon ein gewisser Prozentsatz wieder zurück an die Bank.

In Zukunft können Anleger also fordern, vollständig über die Vergütungen der Bank informiert zu werden. Doch was ist mit Kunden, die vor dem 1. August beraten wurden und sich nicht gut aufgeklärt fühlen?
Die können weiter dagegen vorgehen. Denn die sogenannte Kick-Back-Rechtsprechung, also über die Rückvergütungen, betrifft alle Anlageberatungsgespräche vor Veröffentlichung des jetzigen BGH-Urteils.


So viel wie nötig, so wenig wie möglich

Banken müssen ihre Kunden jetzt auch bei den Innenprovisionen unter 15 Prozent informieren. Damit ist die provisionsgetriebene Anlageberatung jetzt zu Gunsten der Anleger geklärt.
Nein, leider nicht. Das jüngste BGH-Urteil hat nämlich eine Kehrseite. Der BGH hat die Banken nur für die Zukunft, sprich ab August 2014, zur umfassenden Aufklärung über Zuwendungen verpflichtet. Für vergangene Beratungssünden erhielten die Banker einen höchstrichterlichen Sündenerlass zumindest für Innenprovisionen.

Das müssen Sie erklären.
Die Banken haben sich damit herausgeredet, dass sie wegen den vergangenen Rechtsprechungen des BGH zu Rückvergütung und Innenprovision nicht davon ausgehen konnten, auch über Innenprovisionen unter dem Aspekt der Interessenskollision aufklären zu müssen. Sie hätten beim Verschweigen der Innenprovisionen auf Grund eines „unvermeidbaren Rechtsirrtums“ gehandelt und damit ohne Verschulden. Der BGH hat den Bankern diese Ausrede zumindest teilweise durchgehen lassen.

Was ist die Folge?
Der BGH beschränkt seinen vergangenheitsorientierten Sündenerlass ausdrücklich nur auf die Innenprovisionen unter 15 Prozent – nicht aber auf Rückvergütungen oder Innenprovisionen über 15 Prozent. Das hat zur Folge, dass Banken eben erst ab 1. August 2014 Schadensersatz fürchten müssen, wenn sie nicht über alle Arten von Provisionen, also auch denen unter 15 Prozent, aufklären.

Was denken Sie, wie die Banken künftig mit der Aufklärungspflicht über Provisionen umgehen werden?
Wie gesagt, sie sind nun dazu verpflichtet. Aber es liegt auch in der Natur der Sache, dass sie sich am Grenzbereich dessen bewegen werden, was erlaubt ist, solange es mit der Rechtsprechung und der Gesetzeslage vereinbar ist. Das ist – wie so oft – eine Auslegungsfrage. Wie Banken konkret damit umgehen werden, kann ich nicht sagen. Aber sicher ist: Sie werden so viele Informationen über die Provisionen rausgeben wie nötig, aber so wenig wie möglich.

Herr Gericke, danke für das Gespräch.

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