Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet Vermögensforscher Markus Grabka vor, wie eine reformierte Erbschaftsteuer ein viel größeres Problem lösen könnte: die Vermögensungleichheit. 2012 besaßen die Deutschen eine Summe von insgesamt rund 7,4 Billionen Euro, abzüglich der Verbindlichkeiten blieben netto 6,3 Billionen Euro. „Betriebsvermögen sind ein wesentlicher Grund für die Vermögensungleichheit“, analysiert Grabka. Etwa zehn Prozent der 6,3 Billionen Euro sind Betriebsvermögen, aber die Eigentümer dieser Unternehmensgüter stellen nur rund vier Prozent der Bevölkerung. Außerdem gelte: „Unternehmer sind meist gut bis sehr gut verdienende Selbstständige, die privat vorsorgen müssen“, so Grabka. „Diese Gruppe besitzt deshalb auch überdurchschnittlich viele Immobilien, Aktien oder anderes Geldvermögen.“
Hart gegen Andere
Wolfgang Grupp müsste es bei solchen Worten mit der Angst zu tun bekommen. Der 72-Jährige ist Inhaber des Bekleidungsherstellers Trigema; er hat einen Sohn und eine Tochter. Die Firma floriert, 1.200 Mitarbeiter, 89 Millionen Euro Umsatz, und das laut Grupp seit 1968 mit Gewinn. Wer Chef im Hause wird, steht für den Patriarchen fest: „Ein Kind wird das Unternehmen bekommen, das andere ausbezahlt.“
Zur Erbschaftsteuer argumentiert er für ihn typisch: hart in der Sache, hart gegen andere. „Ich habe noch nie gehört, dass ein Unternehmen wegen der Erbschaftsteuer pleiteging.“ Weil er zu 100 Prozent mit Eigenkapital und ohne Bankkredite arbeitet, dürften zumindest seine Nachfahren keine Probleme haben, die Steuer aus dem Betriebsvermögen zu bezahlen. Von einer steuerlichen Gleichstellung mit Privatleuten will Grupp dennoch nichts wissen: „Wer mit seinem Erbe ins Risiko geht und die Verantwortung für Mitarbeiter übernimmt, muss vom Finanzamt besser behandelt werden als derjenige, der einen Haufen Geld erhält, mit dem er sich ein unbeschwertes Leben machen kann.“
Sollte Karlsruhe so entscheiden wie erwartet, dürften all diese Probleme in Berlin landen. Zwar will keiner der Koalitionäre dem Gericht vorgreifen, aber hinter den Kulissen feilen sie längst an Reformkonzepten. Wer zuerst mit einer Idee an die Öffentlichkeit tritt, bestimmt die Debatte. Gerade für die SPD könnte ein Richterspruch zum Ansatzpunkt werden, um das in den Koalitionsverhandlungen zum Tabu erklärte Thema Steuern doch noch auf die Tagesordnung zu bringen.