Reform der Erbschaftsteuer Steuern aufs Firmenerbe sind unfair und unnötig

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Was würde die Reform für Unternehmenserben bedeuten?

Unter dem Strich lässt sich kaum sagen, wer von der Reform mehr profitiert oder mehr leidet: der Steuerstaat, die einzelnen Unternehmen oder die Wirtschaft als Ganzes. Ob ein Unternehmenserbe nach der Reform mehr oder weniger Steuern zahlt, wird von noch mehr Faktoren abhängen als bislang. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel rechnet trotz hoher Komplexität und Einzelfallabhängigkeit mit jährlichen Mehreinnahmen bei der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen von 235 Millionen Euro. Nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass nach Berechnungen des IW 13.600 größere Familienunternehmen mit einem Unternehmenswert von mindestens 20 Millionen Euro nach der Reform die bisherigen Steuervorteile fraglich sind.

 

Tabelle 3: Bedürfnisprüfung versus Abschmelzmodell
in Euro

Bisheriges Recht

Neues Recht

(mit Privatvermögen)

Neues Recht

(ohne Privatvermögen)

Durchschnittlicher Jahresertrag5.000.0005.000.0005.000.000
Basiszins1,1%3,5%3,5%
Zuschlag4,5%4,5%4,5%
Kapitalisierungszins5,6%8,0%8,0%

Kapitalisierungsfaktor

(= 1 / Kapitalisierungszins)

17,8612,5012,50

Unternehmenswert

(Gewinn x Kapitalisierungsfaktor)

89.285.71462.500.00062.500.000
Neu: Abschlag bei Erfüllung besonderer Kriterien30%30%
Unternehmenswert nach Abschlag89.285.71443.750.00043.750.000
Neu: Freigrenze26.000.00026.000.000
Neu: Bedürfnisprüfung/ AbschmelzmodellBedürfnisprüfungAbschmelzmodell
Verschonungsgrad85%0%62%
Wert Bemessungsgrundlage13.392.85743.750.00016.625.000
Steuersatz (Steuerklasse I)27%30%27%
Fällige Steuer3.616.071max. 13.125.0004.488.750
Bedürfnisprüfung
Gesamtes Privatvermögen:a)0
b)10.000.000
c)30.000.000
Tatsächliche Steuerzahlung:a)0
b)5.000.000
c)13.125.000

Quelle: IW Köln, 28.06.2016

Vermögenssteuer durch die Hintertür

Das IW kommt in seiner Studie aber auch zu dem Ergebnis, dass Erben großer Betriebsvermögen nach der Reform mehr Steuern zahlen, während es für Erben kleinerer und mittlerer Unternehmen eher günstiger wird. Kanzleichef Rödl hält die Reform daher für die Einführung einer Vermögenssteuer durch die Hintertür. Sigmar Gabriel sagte bereits, dass er mit dieser Kritik an der Reform keinerlei Problem habe.

Das Reformpaket für die Erbschaftssteuer auf Betriebsübertragungen bedeutet jedoch in der jetzigen Form eines ganz sicher: noch mehr Bürokratie und noch mehr Komplexität.

Vor der Abstimmung im Bundesrat ist deshalb der Streit zwischen Bund und Ländern programmiert, insbesondere mit jenen, in denen Grüne und SPD regieren .
Die Grünen sind zwar gerade nicht für die Abschaffung der Erbschaftsteuer, präferieren jedoch ein ganz anderes Modell.

Vom Vorschlag der Grünen, eine Flatrate-Tax für Erben in Höhe von 15 Prozent einzuführen und im Gegenzug die Verschonungsregeln zu streichen, hält Mittelstandsvertreter Pott allerdings nichts. „Der Steuersatz wäre viel zu hoch und vor allem die kleinen Mittelständler würden darunter leiden. Eine Flat-Tax wäre nur dann vernünftig, wenn der Steuersatz maximal in Höhe der Grunderwerbsteuer läge – quasi als angemessene Entlohnung des Staates für ein funktionierendes Erbrecht.“ Bei Steuersätzen, die über den fünf bis sechseinhalb Prozent der Grunderwerbsteuer lägen, würde sich hingegen vor allem der Staat bereichern. Die Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU hat sogar nur drei Prozent als Flat-Tax vorgeschlagen.

Darüber hinaus bezweifeln viele Experten, dass die Reform in ihrer jetzigen Form einer neuerlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten würde, weil es eher mehr als weniger Ausnahmeregeln gibt und die alte Systematik des Gesetzes nicht verlassen sondern nur angepasst wurde. „Es ist davon auszugehen, dass auch das neue Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden wird. Die Unternehmen erhalten also wieder nur Rechtssicherheit für beschränkte Zeit – und das auf einer hochkomplexen Grundlage“, sagt Rechtsexperte Rödl. „Es ist bedauerlich , dass der Gesetzgeber nicht dem Weg Österreichs gefolgt ist, die Erbschaftsteuer abzuschaffen“, sagt er. Vielleicht wäre es am Ende sogar der einfachere Weg.

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