Rein rechtlich

Taugt die Frauenquote als Vergabekriterium?

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Frauenförderung in öffentlichem Auftrag

Und Kommunen versuchen häufig über die Pflicht zur Einhaltung sozialer Standards zu verhindern, dass ihre Straßen mit Steinen aus kinderarbeitsverdächtigen Steinbrüchen im Ausland gepflastert werden. Der Auftragnehmer muss dann sicherstellen, dass bei der Herstellung im Ausland die sogenannten Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation beachtet werden (z.B. Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999). Die Kriterien der Vergabe können sich somit bei Importen auf die ganze Lieferkette bis in das Fertigungsland hin erstrecken.

Weitergehende Anforderungen an die Unternehmens- und Geschäftspolitik ohne konkreten Bezug zum öffentlichen Auftrag hingegen dürfen von einem öffentlichen Auftraggeber in Deutschland aber nur gestellt werden, wenn dies gesetzlich verankert ist. EU-Mitgliedstaaten, die eine Frauenquote gesetzlich beschlossen haben, dürften also grundsätzlich entsprechende Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Aufträge machen. Dafür braucht man gar nicht ins Ausland zu blicken.

Bestehen Regeln vor dem Europäischen Gerichtshof?

So gilt in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. Mai 2012 das „Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (TVgG-NRW)“. Danach „sollen“ (nicht: müssen) öffentliche Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, bei der Ausführung des öffentlichen Auftrages Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im eigenen Unternehmen durchzuführen oder einzuleiten sowie das geltende Gleichbehandlungsrecht zu beachten. Die Details der Maßnahmen werden in einer – wohl noch zu erlassenden – Rechtsverordnung konkretisiert. In Berlin etwa existiert schon seit längerem eine Frauenförderverordnung (FVV), die ähnliche Regelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorsieht.

Offen bleibt, ob solche Regelungen letztlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Bestand hätten. Vor einigen Jahren ist schon einmal eine Tariftreueregelung aus Niedersachsen vor dem EuGH zu Fall gekommen.

Aber des einen Nachteil kann des anderen Vorteil sein. Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil in der Führungsspitze wie beispielsweise Siemens könnten durchaus von entsprechenden Regelungen profitieren. Und der deutsche Mittelstand hat bei diesem Thema, zumindest wenn man aktuellen Studien Glauben schenkt, ohnehin die Nase vorn.

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