Rein rechtlich

Unberechtigter Streik kann teuer werden

Ruft eine Gewerkschaft zu einem rechtswidrigen Streik auf, muss sie für dessen Schäden aufkommen, entschied das Bundesarbeitsgericht. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf künftige Arbeitskämpfe, so Arbeitsrechtsexperte Martin Lüderitz von Bryan Cave.

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Ein Fahrzeug der Vorfeldaufsicht vor einer Boeing 747. Quelle: REUTERS

Es ist ein Meilenstein im deutschen Streikrecht: Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) haftet für die Schäden eines mehrtägigen Streiks gegenüber der Fraport AG. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 26. Juli 2016 entschieden (1 AZR 160/14).

Geklagt hatte die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens gegen einen mehrtägigen Streik der Vorfeldbeschäftigten im Jahr 2012, der sich mit Unterbrechungen über zwei Wochen hinzog. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass der Streik auch gegen nicht gekündigte Bestimmungen eines Tarifvertrages gerichtet war. Damit verstieß der Arbeitskampf nach Ansicht der Erfurter Richter teilweise gegen die Friedenspflicht und war insgesamt rechtswidrig.

Den Argumenten der GdF, es habe sich dabei nur um Nebenforderungen zum Gesundheitsschutz gehandelt und man hätte denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt, folgte das Bundesarbeitsgericht zu Recht nicht. Ein Streik sei eine einheitliche Handlung und daher als unteilbar zu behandeln. Ob die Maßnahme auch ohne Verletzung der Friedenspflicht durchgeführt worden wäre, sei unerheblich, der Streik habe gegen diesen Grundsatz des Streikrechts verstoßen.

Martin Lüderitz. Quelle: PR

So eindeutig wie das Urteil klingt, so lange war der Weg für Fraport durch die Instanzen. Denn Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten das Streikrecht der GdF höher bewertet und die Klage jeweils abgewiesen. Künftig dürfte eine solche Entscheidung schneller zu erringen sein, orientieren sich doch die unteren Instanzen in der Regel an den Entscheidungen des höchsten deutschen Arbeitsgerichts. Für Gewerkschaften steigt damit das Risiko, bei einem Streik durch Einbeziehung weiterer Forderungen die Grenzen ihres Streikrechts zu übertreten. Neben Schadenersatzansprüchen drohen damit auch Untersagungsverfügungen gegen Streiks, die – wenn auch nur teilweise – rechtswidrig sind.

Auch wenn die Begründung des Urteils noch nicht vorliegt, ist vor allem ein Punkt wichtig: Dem häufig genutzten Argument der Gewerkschaften, sie hätte denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt, erteilten die Richter eine klare Absage. Daher sollten Unternehmen in Zukunft noch genauer hinsehen, ob nicht auch Teile der Streikziele unzulässig sind. Denn die Folgen für die Gewerkschaft können erheblich sein: Zwar muss das Landesarbeitsgericht noch die konkrete Schadenshöhe feststellen. Die GdF hat allerdings bereits angesichts des von Fraport bezifferten Schadens von rund 5,2 Millionen Euro versichert, die Existenz der Gewerkschaft sei nicht gefährdet.

Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben

Ein Wehrmutstropfen aus Unternehmersicht bleibt: Wie schon im Jahr 2015, damals war der Stuttgarter Flughafen betroffen, verwehrte der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts der ebenfalls klagenden Lufthansa und Air Berlin einen entsprechenden Schadenersatzanspruch gegen die Spartengesellschaft GdF. Zwar dürfte es kaum jemanden überraschen, dass es bei einem Streik von Vorfeldlotsen zwingend zu Flugausfällen kommt – die Rede ist von knapp 1.700 ausgefallenen Flügen und einem Schaden bei der Lufthansa von 3,9 Mio. Euro. Aber es scheint dem Bundesarbeitsgericht nicht zu genügen, wenn andere Drittunternehmen vom Streik nur mittelbar betroffen sind, sofern sich der Streik nicht direkt gegen diese richtet.

Auch künftig müssen sich daher leidtragende Drittunternehmen für die mitunter weitreichenden Folgen selbst rechtswidriger Streiks kleiner Spartengewerkschaften finanziell und rechtlich rüsten.

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