Viele Unternehmen trauen den Aussagen von Zeugnissen und Noten immer weniger. So hat die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr einen Online-Test eingeführt, der alleine darüber entscheidet, ob ein Kandidat es in die erste Auswahlrunde schafft.
Bei Quereinsteigern hingegen setzen viele Firmen auf den direkten Kontakt mit den ehemaligen Arbeitgebern des Bewerbers. Aber dürfen sie das? Ist es dem Ex-Chef überhaupt gestattet, über seinen ehemaligen Angestellten zu sprechen? Oder umgekehrt: Kann dieser von seinem Vorgesetzten verlangen, dass er sich als Referenz zur Verfügung stellt?
Gesetzlich verpflichtet ist der Arbeitgeber lediglich dazu, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis zu erteilen. Laut Bundesarbeitsgericht erschöpft sich die Pflicht des Arbeitgebers zur Beurteilung von Führung und Leistung seines früheren Arbeitnehmers damit jedoch nicht. Vielmehr ist der Vorgesetzte aufgrund seiner Fürsorgepflicht auch gehalten, auf Wunsch und im Interesse des Arbeitnehmers Dritten gegenüber Auskünfte über ihn zu geben. Auf ausdrückliche Bitte des Mitarbeiters hin ist es ihm dabei auch erlaubt, über die im Arbeitszeugnis enthaltenen Angaben hinausgehende Informationen weiterzugeben.
Doch selbst wenn der Mitarbeiter nicht zustimmt oder sogar gegen seinen Willen ist der Arbeitgeber unter Umständen berechtigt, Auskünfte über die Person und das Verhalten zu geben – solange diese der Wahrheit entsprechen. Sie dürfen auch nur an diejenigen weitergegeben werden, die ein berechtigtes Interesse daran haben. Dies trifft auf Vertreter eines Unternehmens zu, das beabsichtigt, den Mitarbeiter einzustellen.
Es kann sogar in Einzelfällen zulässig sein, gegenüber einem potenziellen neuen Chef ein Strafverfahren des bisherigen Arbeitnehmers zu erwähnen, wenn der neue Arbeitgeber um Auskunft bittet. Unter Umständen ist der bisherige Arbeitgeber schon zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen sogar dazu verpflichtet, wenn die abgeurteilte Straftat den Tätigkeitsbereich des bisherigen Mitarbeiters betrifft. Denn dann ist er für seine künftige Aufgabe womöglich ungeeignet. Allerdings ist neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers bei noch laufenden Strafermittlungen unbedingt die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen. Informationen sollten also nur dann weitergegeben werden, wenn eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist.
Wer falsch informiert, macht sich schadenersatzpflichtig
Erteilen der bisherige Chef oder seine Mitarbeiter rechtswidrig und schuldhaft unrichtige oder unzulässige Auskünfte über den ausgeschiedenen Kollegen, kann dieser das Unternehmen gerichtlich auf Unterlassung und Schadenersatz verklagen. Zwar muss der Arbeitnehmer für den Schadenersatzanspruch darlegen und beweisen, dass ein potenzieller neuer Arbeitgeber bereit gewesen wäre, ihn einzustellen und (nur) wegen der fehlerhaften Auskunft davon Abstand genommen hat. Dafür kann allerdings bereits der Nachweis genügen, dass ein potenzieller Arbeitgeber während des Entscheidungsfindungsprozesses über die Einstellung eine unzulässige Auskunft des bisherigen Arbeitgebers erhalten hat. Sowohl hinsichtlich der Kausalität zwischen nachgewiesen fehlerhafter Auskunft und unterbliebenem Vertragsabschluss als auch hinsichtlich des Schadens können dann für den Arbeitnehmer Beweiserleichterungen greifen. Häufig gelingt es ihm jedoch nicht nachzuweisen, dass sein künftiger Chef falsch informiert wurde.
Am Ende des Arbeitsverhältnisses können sich die Parteien auch einvernehmlich auf Inhalt und Umfang etwaiger Auskünfte einigen. Geschieht dies nicht, ist der bisherige Arbeitgeber gut beraten, Auskünfte gegenüber Dritten nur nach Rücksprache mit dem Arbeitnehmer (über die Berechtigung des Dritten) und inhaltlich nur im Rahmen des vom Arbeitnehmer unwidersprochen akzeptierten Arbeitszeugnisses zu erteilen.
In keinem Fall sollte der bisherige Vorgesetzte arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Arbeitnehmer erwähnen. Das gilt insbesondere, wenn das Arbeitszeugnis im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches ausgehandelt wurde oder gar vom Mitarbeiter selbst geschrieben und ohne inhaltliche Prüfung des Arbeitgebers erteilt wurde.
Aber Vorsicht: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Ein ausdrücklicher Hinweis im Arbeitszeugnis, künftigen Arbeitgebern für Nachfragen zu Einzelaspekten der Tätigkeit zur Verfügung zu stehen, kann als verschlüsselte Aufforderung verstanden werden, dass die Darstellung im Zeugnis tatsächlich nicht den wirklichen Leistungen entspricht. Dies widerspricht dem Gebot der Zeugnisklarheit. Derartige Ankündigungen sollten daher nicht im Arbeitszeugnis stehen.