Der Mann versteht sofort, worum es geht: „Kein Problem“, sagt der Devisenhändler aus Zürich in schönstem Schwyzerdütsch. „Das sind bei uns alles maßgeschneiderte Lösungen“, verspricht er. Der Kunde könne „im Devisenbereich“ bekommen, was immer er wolle. Ab 100.000 Euro sei „alles machbar“. Der Kunde wollte wissen, ob das Haus ein Optionsgeschäft nach seinen Wünschen auflegen könnte. Mit Optionen und anderen Derivaten lässt sich wunderbar spekulieren: Etwa auf Währungen, so wie der gerade zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilte Uli Hoeneß. Das Urteil ist rechtskräftig, weil weder Hoeneß noch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt haben.
Geht das überhaupt?
Normalanleger stehen nun staunend vor der Frage, wie aus 20 Millionen Mark, die der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus Hoeneß 2001 verschafft hatte, in der Spitze über 150 Millionen Euro werden konnten. Hoeneß hat zwar einen Gutteil dieses Gewinns wieder verloren. Auch die zwischenzeitlichen Gewinne aber hätten versteuert werden müssen, in jedem Steuerjahr einzeln.
Hoeneß hat bei der Schweizer Bank Vontobel in wenigen Jahren rund 50.000 Geschäfte gemacht. „Diese hohe Zahl spricht dafür, dass es vor allem Geschäfte am Devisenmarkt waren“, sagt der ehemalige Chef des Eigenhandels einer US-Investmentbank. „Nirgendwo sonst lässt sich in so kurzer Zeit so viel Geld bewegen wie am Devisenmarkt.“ Der Markt ist der größte und liquideste der Welt. Rund fünf Billionen Dollar werden hier umgesetzt – täglich.
„Mehrere Merkmale machen den Markt interessant für spekulative Geschäfte mit hohen Summen“, sagt Uwe Wiesner, Portfoliomanager bei Hansen & Heinrich, der früher für seine Kunden bei der UBS solche Devisengeschäfte abgewickelt hat: „Die hohe Liquidität führt zu geringen Transaktionskosten, der Handel ist dezentral und rund um die Uhr möglich, und – das Entscheidende – man kann mit geringem Einsatz hohe Summen bewegen.“
Dazu fordert die Bank vom Kunden eine Margin ein – Geld, das er zur Absicherung des Geschäftes hinterlegen muss. „Die Margins für reiche Privatkunden liegen zwischen 2,5 und 0,5 Prozent des Devisengeschäftes“, sagt Michael Bornemann von PAM in Hamburg, der früher für die Dresdner Bank in New York und Hong Kong Devisen handelte. 1.000 Euro bewegen bei 1,0 Prozent Margin 100.000 Euro. „So lassen sich Millionengewinne in wenigen Wochen machen – aber auch die zwischenzeitlichen Verluste sind meistens erheblich“, sagt Bornemann. Denn: läuft der Dollar-Euro-Kurs nur einen Zehntel Cent in die falsche Richtung, dann ist der Einsatz schon weg. Der Handel würde gestoppt, oder der Trader müsste gar nachschießen.
Unter dem Radarschirm der Behörden
„Ich hatte Kunden aus Deutschland, die waren genauso durchgeknallt wie Hoeneß. Die haben jeden Tag bis zu 30 mal bei mir angerufen“, sagt ein ehemaliger Vontobel-Banker. Bei 20 Millionen Mark Startkapital „hat Vontobel Hoeneß vermutlich eine Kreditlinie von 100 Millionen oder mehr zum Spekulieren gegeben“. Das Risiko war auch für die Bank überschaubar. Es gibt bei Devisen Unmengen historischer Daten, die Schwankungsbreite der Kurse ist kurzfristig gering. Und als Sicherheit waren immerhin die 20 Millionen von Hoeneß da. „Da laufen dann zig Wetten mit großem Einsatz nebeneinander, kaum eine länger als zwei Wochen, oft nur einen Tag“, sagt der Ex-Vontobel-Mann, „das ist reine Spielbank.“ Die Kreditlinie für solche Top-Kunden habe die Bank täglich berechnet – und gut an Zinsen und Provisionen verdient.
Zocker können sich im Steuergeflecht schon mal verheddern. „Vermeintlich neutrale Positionen können über Nacht durch Währungseffekte zu Gewinnen werden, die versteuert werden müssen“, sagt Jens Wöhler, Vorstand bei SBroker, der auch Heavy Trader mit bis zu 5.000 Transaktionen im Jahr betreut. Deutsche Banken weisen diese Gewinne aber aus.
Grenzenlos verschoben
Banken-Service mit Derivaten und Devisen wissen auch Reiche zu schätzen, die nicht in erster Linie Gewinne machen, sondern Geld verschieben wollen. „Mithilfe von Optionsgeschäften könnten ganze Konten in der Schweiz abgeräumt werden – ohne jede Überweisung, die Spuren hinterlassen würde“, sagt der Steuerrechtler Thomas Koblenzer, der vermögende Kunden betreut. Über die Finanzmärkte werden mithilfe der Banken Millionen verschoben. „Anleger denken sich so was nicht selber aus. Vermögenden werden Optionsgeschäfte von Bankern angedient“, weiß Koblenzer.
Theoretisch funktioniert das so: Schwarzgeld in der Schweiz soll nach Singapur. Eine einfache Überweisung würde digitale Spuren hinterlassen, Bargeld im Koffer ist zu riskant. Also eröffnet der Kunde ein Konto in Singapur und zahlt einen kleinen Betrag bar ein – die Margin als Sicherheit für mögliche Verluste.
Nun wird ein Zins- oder Devisengeschäft mit dem Schweizer Konto abgeschlossen, bevorzugt außerbörslich, sodass kein anderer Marktteilnehmer dazwischenfunken kann. Der Währungsmarkt ist groß genug, sodass Deals unter dem Radarschirm der Behörden bleiben. Der Kunde handelt dann mit sich selbst, und zwar so, dass er in der Schweiz verliert und in Singapur das Konto anschwillt.
Angenehme Nebeneffekte
Die hinter der Option stehende Wette strickt die Bank so, dass es unwahrscheinlich ist, dass das Schweizer Konto gewinnt. „Über Termine und Bedingungen kann ich so ziemlich alle Eventualitäten einbauen, die ich brauche. Termingeschäfte sind immer auf den Kunden zugeschnitten und man kann sehr viel reinrechnen, besonders, wenn beide Vertragsparteien willig sind, solch ein Geschäft abzuschließen“, sagt der ehemalige Händler Andreas Lipkow, heute Chef des Vermögensverwalters Kliegel & Hafner.
„Solange es nicht völlig ausgeschlossen ist, dass eine per Optionsschein eingegangene Wette aufgehen könnte, sind die Wetten legal – Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Gewinne auch versteuert werden“, sagt Steuerexperte Koblenzer.
Natürlich könnten auch Schmiergelder so diskret verschoben werden. Geschäfte wie diese können Aufsicht oder Staatsanwaltschaft kaum nachvollziehen. „Es lässt sich ohne eine eingehende Untersuchung nicht erkennen, wenn Geld mithilfe von Optionen international verschoben wird“, sagt Koblenzer.
Wer solche Deals verfolgen will, müsste jedem einzelnen Trade nachgehen und ein Auskunftsersuchen an das jeweilige Institut schicken – im Ausland ein schier aussichtsloses Unterfangen. Gerade in der Schweiz haben es Ermittler schwer: Dort wird das Ziel der Recherche – sprich der Bankkunde – über die Neugier der deutschen Behörden informiert. Oft haben sich dann weitere Ermittlungen erübrigt. Die Behörden überlegen sich also zweimal, ob sie im Ausland anfragen oder nicht.
Theoretisch können Unredliche über Optionen auch ihre Steuerschuld in Deutschland drücken. Auch dann handelt der Kunde mit sich selbst. Er hat ein Konto in Deutschland und eins im Ausland. Seine Bank strukturiert ihm eine Options-Wette per Optionsschein. Die Gewinner-Wette bietet der Kunde im Ausland an.
In Deutschland kauft er sich das Papier selbst ab, verliert die Wette und nutzt den Verlust anschließend, um im Inland Steuern zu sparen. Angenehmer Nebeneffekt: Es wurde wieder ein wenig Geld diskret auf das Schwarzgeldkonto im Ausland transferiert.