Roaming Adé Worauf Mobilfunkkunden jetzt achten müssen

Die EU löst ein langjähriges Versprechen ein: Zusatzgebühren fürs Telefonieren und Surfen im europäischen Ausland sind Geschichte. Doch die Neuregelung hat eine Reihe von Tücken. Ein Überblick über die Kostenfallen.

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Telefonieren am Strand wird deutlich billiger – zumindest wenn der Strand im EU-Ausland liegt. Doch auch nach der Abschaffung der Roaming-Gebühren gibt es Kostenfallen. Quelle: dpa

Frankfurt Stetig sind sie gefallen – nun, pünktlich zum Start der Urlaubssaison, hat die EU-Kommission die Zusatzgebühren fürs Telefonieren, SMS-Schreiben und Surfen im europäischen Ausland ganz abgeschafft. Nach zehn Jahren intensiver Verhandlungen mit Konzernvertretern und Verbraucherschützern dürfen Mobilfunkanbieter seit dem 15. Juni keine Roaming-Gebühren mehr von ihren Kunden verlangen. „Die Stimme der Europäer wurde gehört“, jubiliert Andrus Ansip, der als EU-Kommissar für den Binnenmarkt zuständig ist.

„Das ist ein Meilenstein für die Verbraucher“, sagt auch Isabelle Buscke, die den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Brüssel vertritt. Allerdings beklagt die Verbraucherschützerin etliche Fallstricke bei der neuen Verordnung. Der Blick ins Kleingedruckte zeigt: Europas Mobilfunkkunden haben nur bedingt Anlass zum Feiern.

Telefonate ins EU-Ausland bleiben teuer

Zwar können sich Verbraucher darauf verlassen, dass ihnen ihr Anbieter keinen Preisaufschlag in Rechnung stellt, wenn sie am Strand von Mallorca ein Foto bei Facebook hochladen oder in der Heimat anrufen. Der Betreiber rechnet das anfallende Gesprächs- oder Datenvolumen auf den inländischen Handy-Tarif an. So zahlt der Kunde unterm Strich so viel wie zu Hause. Doch Telefonate von Deutschland ins EU-Ausland fallen nicht unter die Verordnung. Sie bleiben so teuer wie zuvor. „Das bleibt ein großes Ärgernis“, sagt Verbraucherschützerin Buscke. „Das kann durchaus mal zwei Euro die Minute kosten“.

So hat die Neuregelung mitunter kuriose Folgen: Wer mit deutschem Handy-Vertrag aus Deutschland in Spanien oder Polen anruft, zahlt unter Umständen mehr, als wenn er das gleiche Telefonat aus Spanien oder Polen oder einem beliebigen anderen EU-Land führt. „Das ist das Knifflige und das Unbefriedigende an der Neuregelung“, sagt Buscke.


Kreative Konzerne

Kunden müssen „fair“ bleiben

Die Abschaffung der Roaming-Gebühren ist nur für Mobilfunkkunden gedacht, die gelegentlich für einen überschaubaren Zeitraum verreisen. Wer die Hälfte des Jahres in seinem Ferienhaus an der portugiesischen Algarve-Küste verbringt, kann mit einer deutschen Sim-Karte nicht dauerhaft zum Inlandstarif des deutschen Anbieters telefonieren und Surfen. Diese Ausnahme ist in der sogenannten „Fair Use“-Klausel geregelt – zu Deutsch „angemessene Nutzung“. Kunden, die mit dem Handy ständig im Ausland mobiles Internet nutzen, müssen damit rechnen, dass ihnen ihr Anbieter irgendwann Roaming-Dienste in Rechnung stellt.

Welcher Datenverbrauch noch „angemessen“ ist, entscheiden die Mobilfunkanbieter. Vodafone behalte sich Aufschläge gemäß dieser Regelung vor, erklärt etwa Unternehmenssprecherin Sarah Roetzer. Vzbv-Expertin Buscke bestätigt mögliche Kontrollen einer exzessiven Auslandsnutzung: „Ab einer gewissen Schwelle können die Anbieter aufmerksam werden.“ Die genauen Bedingungen der Fair-Use-Regeln müssten für Verbraucher transparent sein, mahnt Gregory Voss, Professor an der Toulouse Business School. „Kunden müssen sofort erkennen können, wenn Anbieter Zusatzgebühren erheben.“ Diese seien jedoch wichtig, um einem Missbrauch der neuen EU-Verordnung vorzubeugen. Die Fair-Use-Regeln sollen verhindern, dass sich Verbraucher etwa mit Prepaid-Karten von Billig-Anbietern aus anderen EU-Ländern eindecken und damit in ihrem Heimatland im teuren Netz surfen.

Die EU sagt „Ja“ zur Obergrenze

Für Roaming-Gebühren, die auf exzessive mobile Datennutzung im Ausland anfallen, führt die EU jedoch eine Obergrenze ein. Mehr als 7,70 Euro pro Gigabyte Datenvolumen dürfen Mobilfunkanbieter nicht auf den Inlandspreis aufschlagen. Doch selbst wer in Deutschland einen Vertrag mit unbegrenztem Datenvolumen abgeschlossen hat, kann im Urlaub nicht völlig sorgenfrei surfen. Im EU-Ausland können Anbieter das Datenvolumen trotzdem beschränken. Allerdings müssen die Telefonkonzerne diesen Kunden großzügige Datenpakete gewähren. Die EU-Kommission liefert eine Beispielrechnung mit: Wer im Inland für 40 Euro monatliche Grundgebühr unbegrenzt surfen kann, dem müssen Anbieter im EU-Ausland mindestens 10,3 Gigabyte zum Inlandstarif gewähren. Ist das aufgebraucht, können Zusatzgebühren anfallen, die wiederum durch die Obergrenze von 7,70 Euro pro Gigabyte gedeckelt sind.

Mobilfunkanbieter werden kreativ

Unklar ist zudem, ob wirklich alle Handy-Kunden in den Genuss der neuen Vorgaben kommen, oder ob besondere Vertragsklauseln das verhindern. „Wir machen keine Unterscheidung“, versichert Andreas Middel von der Deutschen Telekom. Ähnlich verspricht seine Vodafone-Kollegin Roetzer: „Alle Consumer Kunden werden ab 15. Juni von den regulierten Bedingungen in der EU automatisch und uneingeschränkt profitieren und keine Roaming-Gebühren mehr zahlen.“ Jörn Borm von Telefónica (O2) kann hingegen nicht sagen, wie hoch der Anteil jener Kunden sein wird, die „zum 15.06. reguliert werden“. Im Mai hatte der Konzern seinen Umsatzrückgang des vergangenen Jahres unter anderem auf die gesenkten Roaming- und Durchleitungsentgelte zurückgeführt: Das Unternehmen habe wegen der Regulierung rund 35 Millionen Euro weniger eingenommen als 2015.


Verbraucher müssen weiter aufs Kleingedruckte achten

Verbraucherschützer erwarten, dass die Anbieter sich überlegen, wie sie die neuen Regeln anwenden. Probleme könnten demnach die Nutzer von Prepaid-Karten bekommen: Die enthielten kein festes Volumen für Telefonate und Internet-Surfen, das entsprechend auch im Ausland nutzbar wäre. Außerdem gebe es immer mehr Deutschlandtarife, bei denen die Nutzung jenseits der Grenzen technisch ausgeschlossen sei.

Allerdings, warnen Wirtschaftsexperten, könnte die Regulierung auch für steigende Mobilfunkpreise sorgen. Roaming-Gebühren seien für Mobilfunkanbieter eine wichtige Einnahmequelle, schreibt Thomaso Duso vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Daher sei zu erwarten, dass die Unternehmen Inlandstarife oder andere Preise erhöhen – zum Beispiel Roaming-Gebühren für andere Regionen der Welt – , um die verlorenen Umsätze zu kompensieren.  

Obacht bei Reisen in Nicht-EU-Länder

Außerhalb der EU gilt die Abschaffung des Roaming auch in Island, Liechtenstein und Norwegen. Da Großbritannien derzeit noch Teil der EU ist, sind auch dort Aufschläge auf den Inlandstarif verboten. In allen anderen Nicht-EU-Staaten fallen dagegen Zusatzkosten an. Auch eine Einwahl in die Mobilfunknetze etwa von Kreuzfahrtschiffen auf hoher See bleibt teuer – sie ist von der EU-Regelung ausgenommen.

Trotz der verbraucherfreundlichen Roaming-Neuregelung bleibt Verbrauchern deshalb eines nicht erspart, mahnt Buscke: „Sie müssen weiter in das Kleingedruckte schauen“.

Mit Material von dpa.

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