Rückzug aus den Steueroasen Der Fall Apple wird die Steuerpolitik verändern

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Warnung vor Schnäppchen

Allerdings müssen die US-Konzerne erst einmal den Schock verdauen, den EU-Wettbewerbskommissarin Vestager mit ihrer Apple-Entscheidung ausgelöst hat. Die Amerikaner sind verunsichert, weil staatliche Zusagen, in diesem Fall von der irischen Finanzverwaltung, plötzlich nichts mehr wert sind – und weil die EU für sich beansprucht, über die Steuersouveränität eines jeden Mitgliedslandes hinaus das allerletzte Rechtswort in Beihilfefragen zu sprechen. „Ein supranationales Recht, das nationales Steuerrecht bricht, kennen die Amerikaner nicht“, sagt Stefan Köhler von der Unternehmensberatungsgesellschaft EY.

Wie aber können US-Unternehmen, wie alle anderen Unternehmen auch, sicherstellen, dass sie künftig nicht vom langen Arm aus Brüssel verfolgt werden und für bis zu zehn Jahre rückwirkend Steuern nachzahlen müssen? Indem sie ihr Engagement auch unter Beihilfeaspekten abklopfen, sagt Köhler. Unternehmen müssten sicherstellen, dass sie keine fiskalische Sonderbehandlung bekommen. Jede Form der „Selektivität“, so der Fachausdruck, nähre den Verdacht einer unlauteren Beihilfe. Im Übrigen warnt Köhler seine Mandanten vor vermeintlichen Schnäppchen: „Wenn es zu gut ist, um wahr zu sein, dann ist es auch nicht wahr.“

Apples 0,005-Prozent-Deal fiel offenkundig unter diese Kategorie.

Mit 178 Milliarden Dollar könnte Apple...

Ein Fall wie Apple Irland, in dem ein gigantischer Teil der Gewinne unversteuert und mit Billigung des Staates in Richtung karibischer Steueroasen entschwinden konnte, soll im aufziehenden Beps-Zeitalter ohnehin nicht mehr möglich sein. Die Regierungschefs der führenden Staaten haben sich geschworen, dass Gewinne stets einmal versteuert werden müssten, dass es um eine „faire“ Besteuerung der Wertschöpfung gehe und dass man gegen „aggressive“ Steuergestaltungen vorgehe. Das klingt zwar reichlich nebulös, doch sind viele Staaten bereits dabei, die Beps-Beschlüsse mit ihren 15 Handlungsfeldern in nationales Recht umzusetzen. EY-Experte Köhler spricht sogar von der „größten Überarbeitung der internationalen Steuerstandards in fast einem Jahrhundert“. Bis zu 240 Milliarden Dollar zusätzlich, schätzen OECD-Experten, können durch das Schließen steuerlicher Schlupflöcher in die Staatskassen zusätzlich fließen, Jahr für Jahr.

Viel wäre schon erreicht, wenn sich die Europäer nicht mehr gegenseitig ausstechen würden. Schließlich haben die so heftig gescholtenen US-Konzerne jahrelang nur das ausgenutzt, was ihnen mehrere EU-Mitgliedstaaten aggressiv angeboten, ja: aufgenötigt haben. Neben Irland war Luxemburg besonders eifrig unterwegs, um sich als Sondersteuerzone in der EU zu bewerben und insbesondere US-Fonds mit Discounttarifen anzulocken. Und so ist EU-Kommissarin Vestager auch nicht zufällig dabei, weitere Beihilfefälle – etwa zugunsten von Amazon oder McDonald’s in Luxemburg – zu untersuchen. Der des Burger-Giganten könnte noch diese Woche abgeschlossen werden.

Damit will Apple wieder punkten
"iPhone SE" Quelle: REUTERS
iphone SE Quelle: REUTERS
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iPhone-Vorstellung durch Apple-Vize Greg Joswiak Quelle: REUTERS
Apples "iPhone SE" Quelle: AP
Apple Watch Quelle: AP
Phil Schiller bei der Apple Keynote Quelle: REUTERS

Und damit nicht genug. „Die Apple-Entscheidung hat Signalwirkung auf andere Länder“, sagt der Europaabgeordnete Burkhard Balz (CDU). „Es ist gut, dass über das Wettbewerbsrecht der Druck auf Finanzminister erhöht wird. Länder wie Malta, Zypern und die Niederlande könnten zu einem Umdenken gezwungen sein.“ Hinzu kommen die britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey, die ähnliche Konditionen wie karibische Eilande anbieten. Aber auch das ansonsten steuerteure Belgien hat schon mit Spezialvereinbarungen forschungsintensive Firmen angezogen. In Europa, das stolz auf seinen gemeinsamen Binnenmarkt ist, macht sich bemerkbar, dass die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf eine Steuerharmonisierung verzichtet haben. Das Steuererhebungsrecht ist den Ländern ein Beweis ihrer Souveränität – und wiegt offenkundig noch schwerer als eine eigene Währung.



Brüssel sucht die Initiative

Dennoch will die EU-Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag für eine einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer vorstellen. Solche Vorstöße hat es früher schon gegeben; selbst eine deutsch-französische Initiative blieb unlängst im Dickicht des komplizierten Steuerrechts stecken. Auch heute empfinden die meisten Mitgliedstaaten einheitliche Vorgaben bei der Steuerberechnung als unzumutbare Einmischung? „Da wäre ein einheitlicher Mindeststeuersatz realistischer“, sagt der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold.

Na ja. In Deutschland, wo der Unternehmenssteuersatz rund 30 Prozent beträgt, gelten bereits weniger als 25 Prozent als eine Art Steuerdumping. Großbritannien hingegen senkt seinen Satz auf unter 20 Prozent. Verfechter des Wettbewerbsgedankens freuen sich darüber. Ein Einheitssteuersatz für Europa bleibt daher unwahrscheinlich, selbst eine Untergrenze. Umso wichtiger wäre es, Spielregeln für alle zu schaffen. Denn ohne Regeln, sagen Marktwirtschaftler, funktioniert der Wettbewerb nicht.

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