Auch so genannte Investmentaktiengesellschaften werden beim Dividenden Stripping eingesetzt. Was hat es damit auf sich?
Im Grundsatz handelt es sich im Vergleich zur Zwischenschaltung von Banken um nichts neues. Verglichen mit Banken sind Investmentaktiengesellschaften jedoch von der Steuer befreit. Dies bedeutet, dass bei diesen Gestaltungen im Falle des Dividendenbezugs eine Kapitalertragsteuer erst gar nicht einbehalten wird, falls diese Gesellschaften eine sogenannte Nichtveranlagungsbescheinigung vorlegen können. Da diese Gesellschaften speziell für eine Transaktion aufgesetzt werden und danach sofort wieder abgewickelt werden, ist diese Variante für den Fiskus besonders nachteilhaft. Denn er wird hier seine Steueransprüche nicht durchsetzen können, weil sie einfach nicht mehr da sind im Gegensatz zu den Banken.
Schneller schlau: Cum-ex-Geschäfte
Bei den auch „Dividendenstripping“ genannten Geschäften geht es um den raschen Kauf und Verkauf von Aktien rund um den Dividendenstichtag, um Kapitalertragssteuern mehrfach vom Fiskus erstattet zu bekommen. Am Tag vor der Dividendenzahlung ist diese im Aktienkurs mit eingepreist. An der Börse spricht man von einem Kurs „cum Dividende“.
Am Tag nach der Ausschüttung, in der Regel einen Tag nach Hauptversammlung, die die Dividendenzahlung beschließt, ziehen die Börsenbetreiber die Dividende vom Kurs ab, das heißt die Aktie wird „ex Dividende“ gehandelt. Von Banken bekamen die Aktienkäufer und -verkäufer eine Bestätigung, die Kapitalertragsteuer abgeführt zu haben, was sie beim Fiskus mehrfach steuerlich geltend machten - obwohl sie so nicht gezahlt hatten.
Ein Beispiel: Die Banken verkaufen die Aktien leer an einem „cum“-Tag, müssen sie aber wegen der Börsenregelungen erst nach zwei Tagen an den Käufer liefern. Sie beschaffen sich die Papiere also nach dem Dividendenstichtag zum „ex“-Preis – also ohne Dividende – von einem Dritten und liefern diese Aktien an den Käufer. Dabei parallel abgeschlossene Kurssicherungsgeschäfte, die Risiken ausschließen, sichern den Gewinn aus der Transaktion.
Papiere werden rund um den Dividendenstichtag – meist der Tag der Hauptversammlung – schnell hintereinander ge- und wieder verkauft. Leerverkäufer verdienen, wenn der Aktienkurs bis zum Liefertermin gefallen ist und sie so die Aktien billiger kaufen können, als sie sie verkauft haben.
Generell wird auf die gezahlte Dividende Kapitalertragssteuer fällig. Im geschilderten Konstrukt ließen sich sowohl der Käufer als auch der jeweilige Dritte, von dem sich die Banken die Aktien beschafft hatten, die Kapitalertragsteuer vom Finanzamt erstatten. Die Finanzämter zahlten so mehr Steuern zurück, als sie zuvor eingenommen hatten.
Im Wesentlichen nutzten Banken und Profianleger wie Fonds oder Börsenhändler den Steuertrick mittels Dividendenstripping.
Für Privatanleger sind Cum-ex-Geschäfte zu aufwendig, zumal es sich bei kleinen Anlagesummen kaum rechnet. Sie hätten nur geringe bis keine Chancen gehabt, an solchen Deals zu verdienen.
Banken und Investoren nutzten bestimmte Eigenheiten der Abwicklungssysteme an den Börsen, aber auch steuerrechtliche Besonderheiten – und das offensichtlich über Jahre hinweg und mit Wissen von Bund, Ländern und Finanzbehörden. So erklärte der Bundesfinanzhof das Dividendenstripping bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1999 für grundsätzlich rechtens. Geschlossen wurde das Schlupfloch aber erst 2012 durch eine Neuregelung der Nachweispflichten.
Wer macht sich denn beim Dividenden Stripping strafbar?
Ist der Tatbestand des § 42 Abgabenordnung erfüllt, haben sich die Banken sowie die Akteure der Investmentgesellschaften, die die Kapitalertragsteueranrechnung bzw. die Steuerbefreiung begehren, zu verantworten, falls sie mit ihrem Antrag nicht den ganzen Sachverhalt offengelegt haben sollten. Dies dürfte häufig der Fall sein.
Wie sehen denn die Strafen aus?
Einzelheiten regelt § 370 Abgabenordnung. Neben Geldstrafen sieht dieser Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vor. In schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahre. Entscheiden werden aber letztlich die Gerichte. Man kann auch über die Möglichkeit einer Selbstanzeige nachdenken.
Wie kann der Fiskus denn erkennen, ob sich ein Aktionär die Kapitalertragsteuer zu Unrecht hat erstatten lassen?
Das ist ein großes Problem. Denn in Deutschland werden tagtäglich viele Millionen Aktien gehandelt. Da ist es für den einzelnen Finanzbeamten nahezu unmöglich, bei einem Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gleich zu erkennen, ob missbräuchliche Geschäfte dahinter stecken, wenn der die Erstattung Begehrende nicht den gesamten Sachverhalt offenlegt, also etwa nicht auf Hedgegeschäfte hinweist.
Dann brauchen sich die Dividenden Stripper doch nur in die Furche ducken und hoffen, dass sie nicht entdeckt werden, oder?
Das wäre mutig, denn die betroffenen Banken und Investmentgesellschaften sind verpflichtet, im Fall der Anrechnung oder des Begehrens auf Anrechnung der Kapitalertragsteuer den Fiskus auf den konkreten Sachverhalt, d.h. auch auf normalerweise nicht erkennbare Hedgegeschäfte, ausdrücklich hinzuweisen. Wie hoch das Entdeckungsrisiko einzustufen ist, müssen die Betroffenen selbst entscheiden. Es handelt sich ja nicht um eine kleine, abgrenzbare Personengruppe. Zudem ist in der Öffentlichkeit und in der Finanzverwaltung das Bewusstsein hinsichtlich dieser Gestaltungen in den letzten beiden Jahren deutlich gestiegen.