WirtschaftsWoche Online: Herr Haibach, Sie bearbeiten vorwiegend umfangreiche Fälle, in denen es um viel Geld geht. Warum sind die besonders knifflig?
Rudolf Haibach: Ziel eines Anwaltes sollte es immer sein, seinen Mandanten möglichst außergerichtlich und damit ohne Streit vor Gericht zu einer Vereinbarung zu bringen. Aber je mehr Geld da ist, desto härter wird oft gekämpft. Je höher das Vermögen, desto weiter ist es auf diverse Anlagen verstreut. Häufig gibt es Konten, von denen der Ehepartner nichts weiß und auch nichts wissen soll. Ich hatte Gegner, die teure Oldtimer in ihren Garagen stehen hatten, von denen die Ehefrau nichts wissen sollte. Da ist Recherche durch seriöse Detekteien gefragt.
Es braucht also eine Bestandsaufnahme, vor allem eine finanzielle. Ist das bei Selbständigen und Freiberuflern besonders schwierig?
Problematisch ist gelegentlich die Prognose über das zukünftige Einkommen. Anders als beim Angestellten können sie bei Selbständigen nicht per se davon ausgehen, dass das Einkommen des Vorjahres auch repräsentativ für die Zukunft ist. Hinzu kommt die Bewertung des Unternehmens, mithin dessen Wert. Nehmen Sie beispielsweise einen Automobilzulieferer, aber auch einen Arzt.
Stichworte zur Scheidung
Wie viel Unterhalt das gemeinsame Kind bekommt, richtet sich nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und ist in der Düsseldorfer Tabelle geregelt.
Das Gesetz sieht seit einigen Jahren mehr Eigenverantwortung der Geschiedenen vor. Hat ein Partner jedoch wegen der Ehe seinen Beruf nicht mehr ausgeübt, muss dieser Nachteil vom anderen finanziell ausgeglichen werden.
Während des Trennungsjahres können die Noch-Verheirateten weiterhin vom Ehegattensplitting profitieren. Das lohnt sich besonders, wenn ein Partner deutlich mehr verdient als der andere.
Hat das Ehepaar ein Kind, darf der betreuende Elternteil zunächst im Haus oder in der Wohnung bleiben. Das Wohl des Kindes hat hier eine hohe Priorität. Ansonsten wird die Frage danach entschieden, wer mehr auf die Wohnung angewiesen ist.
Wurde eine Immobilie während der Ehe erworben, stellt sie einen Vermögenswert dar, der in die Berechnung des Zugewinnausgleichs mit einbezogen wird. Sind beide im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, gehört jedem die ideelle Hälfte. Bleibt einer dort wohnen, muss er dem anderen die Hälfte des Verkehrswerts auszahlen. Andere Möglichkeiten sind ein Verkauf, Ratenzahlung oder eine Versteigerung.
Den steuerlichen Vorteil des Kinderfreibetrags müssen sich die Ex-Eheleute teilen.
Das Kindergeld bekommt der betreuende Elternteil.
In dieser Zeit will der Gesetzgeber den Scheidungswilligen noch einmal Gelegenheit geben, sich die Sache zu überlegen. Wer es ernst meint, darf auch nicht mehr zusammen wohnen. Man spricht von einer Trennung von Tisch und Bett.
Gibt es keinen Ehevertrag, wird das Vermögen mittels Zugewinnausgleich aufgeteilt. Dabei wird das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen zu gleichen Teilen zwischen den Partnern geteilt.
Grundsätzlich gilt für den Unterhalt eines Ex-Gatten die 3/7-Regel. Drei Siebtel des Nettoeinkommens bekäme also der Ex-Partner und die restlichen vier Siebtel dürfte der Unterhaltspflichtige behalten. Bei Einkommen oberhalb von monatlich 5100 Euro netto wird die Quote jedoch meist nicht verwendet.
…mit eigener Praxis ?
Genau, da ist auf vieles zu achten, Immobilienvermögen, Lebensversicherungen, Substanzwert und Goodwill der Praxis. Insbesondere der Goodwill lässt sich gelegentlich nur schwer ermitteln.
Dabei ist es zwingend geboten, dass Anwalt und Steuerberater zusammenarbeiten.
Warum kommt es trotzdem so häufig zu Streit vor Gericht? Welche Fehler werden gemacht?
Der häufigste Fehler wird schon vor der Hochzeit gemacht. Die große Mehrheit der Heiratswilligen hat keinen Ehevertrag. Das Dokument und die Verhandlungen auf dem Weg dahin sind einfach zu unromantisch. Selbst die, die sich bereits durch einen Ehevertrag geschützt glauben, sind oft nicht geschützt, weil die Verträge nicht mehr der aktuellen Rechtsprechung entsprechen und damit unwirksam sind. Klar, eine Hochzeit ist kostspielig genug, da möchte keiner 3.000 bis 5.000 Euro für einen Ehevertrag ausgeben. Im Fall einer Trennung rächt sich diese „Sparsamkeit“ aber schnell. Das gilt insbesondere für Unternehmer, bei denen die Existenz schnell bedroht ist, wenn kein wirksamer Ehevertrag besteht.
Wann ist ein Ehevertrag unwirksam?
Zum Beispiel wenn die Eheleute in dem Vertrag einen Unterhaltsverzicht während des Trennungszeitraumes vereinbaren. Man soll es nicht glauben, aber es kommt immer wieder vor, auch wenn Notare mittlerweile wissen sollten, dass dies rechtlich nicht möglich ist und damit den gesamten Ehevertrag nichtig macht.
Weitere Fehler bei Unternehmer-Scheidungen
Welche Fehler passieren bei Unternehmer-Scheidungen noch?
Teilweise entsteht die Idee, den hauseigenen Firmenanwalt auch für das private Scheidungsverfahren einzuspannen. Erfahrungsgemäß ist der wenig geeignet, weil er mit dem familienrechtlichen Hintergrund und den familienrechtlichen Verfahrensweisen nicht vertraut ist. Sinnvoller ist ein erfahrener Fachanwalt, der nicht nur für den Unternehmer persönlich, sondern auch für dessen Unternehmen Einfühlungsvermögen hat. Die Probleme sollte er dann gemeinsam mit dem Firmenanwalt regeln. Das ist zwar anwaltlich teurer, doch im Ergebnis billiger. Das freut dann den Kaufmann.
Dass Sie zum Fachanwalt raten, kommt nicht überraschend. Aber wie findet man einen geeigneten Anwalt? Welche Frage sollte ich einem Familienrechtler stellen, um ihn auf seine Tauglichkeit hin zu prüfen?
Fragen Sie den Anwalt, wie viele Verfahren er in wie vielen Jahren außergerichtlich geregelt hat. Es sollten über 80 Prozent sein, bei mindestens zehn Jahren Berufserfahrung. Zahlreiche Prozesse braucht kein Mensch. Es sei denn, sie werden einem aufgezwungen. Das gerichtliche Verfahren sollte immer die letzte Wahl sein, auch im Hinblick auf die anschließende Scheidung.
Um diese Kosten kommen Sie bei einer Scheidung nicht herum
Abhängig vom Streitwert der Scheidung fallen Gerichts- und Anwaltskosten aus. Der Streitwert errechnet sich aus der dem monatlichen Nettoeinkommen des Paares sowie dem gemeinsamen Vermögen.
Beide Einkommen werden zusammengerechnet und mit drei multipliziert. Von diesem Betrag werden pro unterhaltspflichtigem Kind noch einmal 255 Euro abgezogen. Verdient sie also 2000 Euro und er 3000 Euro, wäre die entsprechende Summe 15.000 Euro. Hat das Paar zwei Kinder, läge der Streitwert nach Einkommen also bei 14.500 Euro.
Zu dem Streit- oder Verfahrenswert kommt in der Regel noch der Wert des Versorgungsausgleichs hinzu. Beim Versorgungsausgleich geht es um die während der Ehe geschlossenen Absicherungen für das Alter. Dazu gehören beispielsweise die gesetzliche Rentenversicherung, eine betriebliche Altersvorsorge oder private Lebensversicherungen. Pro Police kommen zum Streitwert zehn Prozent des dreifachen Netto-Einkommens der Eheleute hinzu.
Bei der Beispielfamilie mit 5000 Euro gemeinsamen monatlichen Einkommen, wären das also jeweils 1500 Euro pro Vertrag. Der Mindestwert des Versorgungsausgleichs beträgt 1000 Euro.
Ist sich das Paar nicht einig, spielt bei der Berechnung des Streitwertes oft auch das Vermögen eine Rolle. Allerdings gibt es einen Freibetrag von 61.355 Euro, der bei der Rechnung berücksichtigt wird.
Wenn ein Paar ein Vermögen von mehr als 61.355 Euro pro Person und Kind besitzt, wird der darüber liegende Betrag mit zehn Prozent eingerechnet.
Wenn das Beispielpaar mit den zwei Kindern ein Vermögen von 300.000 Euro besitzt, werden von diesem Betrag also vier mal 61.355 Euro abgezogen. 300.000 Euro abzüglich 245.420 Euro wären dementsprechend 54.580 Euro oberhalb der Freigrenze. Davon zehn Prozent, also 5.458 Euro, werden auf den einkommensabhängigen Streitwert aufgeschlagen. In diesem Fall betrüge der Streitwert also insgesamt 19.958 Euro (plus mindestens 1000 Euro für den Versorgungsausgleich).
Manche Richter sind bereit, den tatsächlichen Streitwert um 30 Prozent zu reduzieren, wenn sich das Paar einvernehmlich trennt und es keine Streitereien um Unterhalt oder das Sorgerecht für die Kinder gibt.
Die Gerichtskosten einer Scheidung sind - verglichen mit den Anwaltskosten - eher gering. Wer Prozesskostenhilfe bekommt, muss die Gerichtskosten gar nicht tragen. Ansonsten gilt: Beide Partner müssen die Kosten zu gleichen Teilen zahlen. Wer den Scheidungsantrag eingereicht hat, muss seine Hälfte allerdings schon zu Beginn des Verfahrens einzahlen.
Nach der Gerichtskostentabelle müsste die Beispielfamilie mit zwei Kindern, zusammen 5000 Euro monatlichem Nettoeinkommen und einem Vermögen von 300.000 Euro (Streitwert von rund 20.000 Euro) 576 Euro Gerichtskosten pro Person zahlen.
Die Anwaltskosten richten sich ebenfalls nach dem Streitwert der Scheidung. Bei einem Streitwert zwischen 22.000 und 25.000 Euro beträgt die einfache Gebühr 686,00 Euro. Wohlgemerkt, die einfache. Wie weit es nach oben gehen darf, regelt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Warum?
Gerichte können eine Ehe nur scheiden, wenn die Eheleute keine streitigen Verfahren vor Gericht führen, zum Beispiel über Unterhalt und Zugewinn. Das bedeutet, dass man die Folgen der Trennung und auch die folgende Scheidung möglichst vor einer Ehescheidung einvernehmlich und außergerichtlich regelt.
Der Mann ist selbständig und vermögend, die Frau Angestellte und verdient rund 3500 Euro brutto im Monat. Muss der Mann trotzdem Unterhalt zahlen?
Das ist gut möglich. Es hängt unter anderem auch vom Bedarf der unterhaltsberechtigten Ehefrau und vom Einkommen des Ehemannes ab, aber auch von der Dauer der Ehe. Es gibt heute - im Gegensatz zu früher – keine Generallinie. Es ist auf beiden Seiten ein extrem komplexes Verfahren. Unterhaltsansprüche sind nach oben hinsichtlich der Zeit und hinsichtlich der Höhe oft undefinierbar.
Aber Bedarf ist ja relativ. Wie weise ich das nach?
Die kluge Ehefrau sollte ihre sämtlichen Ausgaben der letzten Ehejahre mit Belegen sammeln. Das ist mühsam, zweifellos, aber es lohnt sich für die Ehefrau. Generell kann man sagen, dass Unterhaltsansprüche – egal wie hoch das Einkommen des Ehemannes ist – bei etwa 15.000 Euro monatlich enden.
Wie lange muss der Unternehmer die Unterhaltszahlungen einkalkulieren?
Verlässlich ist das nicht zu sagen. Eine grobe Richtschnur bewegt sich zwischen der Hälfte und Dreiviertel der Dauer der Ehezeit. Die Zahlungen können aber gekürzt oder eingestellt werden, wenn es zu illoyalem Verhalten des Ex-Partners kommt oder die Ehefrau wieder eine neue Ehe schließt.
Was wäre denn illoyales Verhalten?
Zum Beispiel, wenn die Ehefrau in der Öffentlichkeit häufig mit einem Lebensgefährten auftritt. Auch hier ist Detektivarbeit gefragt, weil dies oft bestritten wird. Gleichfalls ist sie auch verpflichtet, eine Änderung des eigenen Einkommens mitzuteilen. Macht sie dies nicht, gefährdet sie ihren Unterhaltsanspruch.
Was sollte man auf keinen Fall machen?
Nur einen gemeinsamen Anwalt beauftragen. Das ist das Dümmste, was man machen kann.