Schiffsfonds Schiffsfinanzierer lassen Anleger havarieren

Die Schifffahrtskrise dauert an. Banken wie HSH Nordbank oder Commerzbank ziehen sich aus Schiffsfinanzierungen vehement zurück. Banken und Initiatoren sanieren sich, Fondsanleger zahlen drauf.

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Die Banken, die jahrzehntelang gut an Provisionen und Kreditzinsen für Schiffsbeteiligungen verdient haben, gehen von Bord. Quelle: dpa

Optimismus sieht anders aus. Die HSH Nordbank, der weltgrößte Schiffsfinanzierer, rechnet frühestens 2015 mit einer Erholung auf dem Schiffschartermarkt. Derweil müssen Schiffsfonds, geschlossene Beteiligungen, mit denen Privatanleger in Frachtschiffe investieren, bluten. Allein in diesem Jahr sind 120 pleitegegangen. Seit 2009 sind es etwa 400.

Die Banken, die jahrzehntelang gut an Provisionen und Kreditzinsen für Schiffsbeteiligungen verdient haben, gehen jetzt von Bord. So hat die HSH Nordbank das Geschäft mit Schiffskrediten eingedampft: Bereits im September habe sie diese Sparte auf 15 Milliarden Euro reduziert. Ende 2009 waren es noch 21 Milliarden. Nach den Vorgaben der EU hätte die HSH Nordbank bis Ende 2014 Zeit gehabt, den Bestand an Schiffskrediten zu verringern, so die Bank.

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Noch radikaler geht die Commerzbank vor, die gar keine Schiffskredite mehr vergeben will und sich sukzessive von laufenden Finanzierungen trennt. Mitte Dezember verkaufte die Bank ein 280 Millionen Euro schweres Portfolio aus Krediten für 14 Chemikalientanker an den US-Hedgefonds Oaktree Capital. Ende September hatte die Commerzbank noch Schiffsfinanzierungen im Wert von 15,7 Milliarden Euro im Portfolio.

Die sieben wichtigsten deutschen Banken für die Schiffsfinanzierung haben laut Bundesbank ihre Forderungen von 97 Milliarden Euro Mitte 2012 auf 86 Milliarden bis Mitte 2013 reduziert. HSH Nordbank und Commerzbank deckten Ende 2008 etwa 58 Prozent der Schiffsfinanzierungen in Deutschland ab. Angeblich trennen sich Banken von Schiffskrediten, weil sie Auflagen des Abkommens Basel III erfüllen wollen, das sie zwingt, mehr Eigenkapital zu halten. Vor allem dürfte ihnen das Geschäft zu riskant geworden sein.

Die wichtigsten Änderungen 2014 in Zahlen

Für Schiffsfonds ist die Flucht der Banken aus der Schiffsfinanzierung so etwas wie ein Sargnagel. „Wenn eine Finanzierung ausläuft, findet sich zurzeit keine finanzierende Bank, die den Kredit übernimmt. Meist ist auch der Restwert des Schiffes so gering, dass keine ausreichende Sicherheiten vorhanden sind“, sagt Peter Hahn, Rechtsanwalt aus Hamburg. Die Schiffe sind nach Beginn der Finanzkrise deutlich weniger wert, weil die Charterraten massiv eingebrochen sind. Wie viel ein Schiff wert ist, misst sich nach der Höhe der Charterrate.

Anleger gehen bei Notverkauf leer aus

Der graue Markt trocknet aus
Die Feri EuroRating AG gehört zu den führenden europäischen Analysehäusern für die Bewertung von Kapital- und Immobilienmärkten, sowie Kredit- und Investmentrating. Seit 18 Jahren veröffentlicht Feri EuroRating Analysen zum Markt der geschlossenen Fonds in Deutschland. Die Studie erfasst Initiatoren und Beteiligungsmodelle, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Vertrieb zugelassen hat, und deckt dabei alle Asset-Klassen ab. Quelle: dpa
Im vergangen Jahr konnten Immobilienfonds ihren Anteil am Gesamtmarkt weiter ausbauen. 2012 flossen mit 54 Prozent über die Hälfte des platzierten Eigenkapitals in Immobilienfonds. 2011 waren es noch 49 Prozent. Trotz der Anteilsvergrößerung sammelten die Initiatoren geschlossener Immobilienfonds weniger Eigenkapital von privaten Anlegern ein, als noch vor zwei Jahren. Nach einem platzierten Eigenkapital von 2,83 Milliarden Euro 2011, sank dieses 2012 um 28 Prozent auf 2,03 Milliarden Euro. Das Fondsvolumen verringerte sich sogar um 33,2 Prozent.Übersicht: Eigenkapital 2012: 2,03 Milliarden Euro (- 27,9 Prozent) Fondsvolumen 2012: 3,22 Milliarden Euro (- 33,2 Prozent) Anteil am Gesamtmarkt 2012: 53,5 Prozent (2011: 49 Prozent) Quelle: dpa
Geschlossene Immobilienfonds mit deutschen Investitionszielen bildeten 2012 wieder das größte Segment. Von den 53,5 Prozent flossen 37 Prozent der Gelder in inländische Fonds. Allerdings zeigt sich auch hier eine Verringerung des platzierten Eigenkapitals. Im vergangenen Jahr sank es um 28,6 Prozent auf 1,41 Milliarden Euro. „Der Konzentrationsprozess in der Branche setzt sich fort und dürfte angesichts des neuen Kapitalanlagegesetzbuches, das im Juli 2013 in Kraft tritt, weiter anhalten“, erklärt Wolfgang Kubatzki, Mitglied der Geschäftsleitung der Feri EuroRating Services.Übersicht: Eigenkapital 2012: 1,41 Milliarden Euro (- 28,6 Prozent) Fondsvolumen 2012: 2,28 Milliarden Euro (- 32,7 Prozent) Anteil am Gesamtmarkt 2012: 37 Prozent Quelle: dpa
Ausländische Immobilienfonds konnten ihre Anteile ebenfalls ausbauen. Im vergangenen Jahr machten sie rund 16,5 Prozent des Gesamtmarktes aus. 2011 waren es noch 14,7 Prozent. Vor allem in den USA investieren die Fonds.Übersicht: Eigenkapital 2012: 0,63 Milliarden Euro (- 26,2 Prozent) Fondsvolumen 2012: 0,94 Milliarden Euro (- 34,5 Prozent) Anteil am Gesamtmarkt 2012: 16,5 Prozent (2011: 14,7 Prozent) Quelle: dpa
Neben Immobilienfonds konnten nur noch die Fonds aus dem Bereich „New Energy“ ihren Anteil am Gesamtmarkt vergrößern. Im Gegensatz zu den Immobilienfonds sowie den Fonds anderer Assetklassen verzeichneten die New Energy-Fonds im vergangenen Jahr darüber hinaus einen vergleichsweise geringen Rückgang beim platzierten Eigenkapital sowie beim Fondsvolumen. Übersicht:Eigenkapital 2012: 0,72 Milliarden Euro (- 1,0 Prozent) Fondsvolumen 2012: 1,43 Milliarden Euro (- 11,8 Prozent) Anteil am Gesamtmarkt: 18,9 Prozent (2011: 12,7 Prozent) Quelle: dapd
Spezialitätenfonds gehören zu den größten Verlieren gemessen an der Veränderung des platzierten Eigenkapitals. Über 40 Prozent nahmen diese Fonds, die aus Rohstoff-, Wald-, Game- und Mischfonds zusammengebaut werden, von den privaten Anlegern ein. Auch der Marktanteil verringerte sich im vergangenen Jahr.Übersicht: Eigenkapital 2012: 0,47 Milliarden Euro (- 43,4 Prozent) Fondsvolumen 2012: 0,62 Milliarden Euro (- 41,5 Prozent) Anteil am Gesamtmarkt 2012: 12,4 Prozent (2011: 14,4 Prozent) Quelle: dpa
Der Ausstieg aus dem Fondsgeschäft mit Schiffsbeteiligungen der Commerzbank im vergangenen Jahr zeigt, wie es um die Schiffsfonds steht. 2012 waren nur noch wenige Anleger bereit, ihr Geld in diesen Fondtypen zu investieren. Auch der Marktanteil sank im Vergleich zum Jahre 2011 signifikant. Übersicht:Eigenkapital 2012: 0,18 Milliarden Euro (- 61,6 Prozent) Fondsvolumen 2012: 0,47 Milliarden Euro (- 52,2 Prozent) Anteil am Gesamtmarkt 2012: 4,7 Prozent (2011: 8,0 Prozent) Quelle: dapd

Gerät ein Schiffsfonds ins Schlingern, versuchen die Banken ihr Geld ins Trockene zu bringen. „Im Fall von Sanierungsmaßnahmen bedarf es immer eines positiven Fortführungsgutachtens eines unabhängigen Sachverständigen“, sagt Christian Nieswandt, Leiter des Unternehmensbereiches Shipping bei der HSH Nordbank. Fehle eine positive Prognose, komme es auch bei laufenden Finanzierungen zu Kündigungen. Beim Abbau der Schiffskredite sei es unerheblich, ob die Finanzierungen notleidend seien oder nicht, so die Commerzbank.

Verabschiedet sich die Bank aus der Finanzierung, bleibt in der Regel nur der Verkauf der Schiffe zu einem Preis, der meist nur die Schulden bei der Bank deckt. Die Anleger gehen bei einem solchen Notverkauf in der Regel leer aus. Banken, denen selbst das Wasser bis zum Hals steht, können darauf keine Rücksicht nehmen. Sie drängen auf einen zügigen Verkauf. Das Dortmunder Emissionshaus Dr. Peters Group beispielsweise wurde von der Commerzbank gebeten, „einvernehmliche Gespräche mit dem Charterer über einen Verkauf der Schiffe der Fonds Nr. 106, 109 und 110 zu führen“. Gegenüber der WirtschaftsWoche erklärte Dr. Peters, die Charterraten dieser Schiffe hätten sich in den letzten Wochen rapide verbessert. Deshalb habe die Commerzbank „keinen weiteren Druck ausgeübt“ und führe die Finanzierung weiter. Am 9. September hatte die Fondsgeschäftsführung die Anleger über die Verkaufsabsichten der Commerzbank informiert. Dass die Commerzbank komplett aus Schiffskrediten aussteigen will, ist seit Juni 2012 bekannt. Ob alle Anleger mit Schiffsfonds davon wussten, bleibt fraglich.

Neue Regeln 2014: Was sich sonst noch ändert

Ist der Kredit gekündigt, kommen die Anleger in eine Zwangslage: Entweder, sie stimmen einem Notverkauf zu und verlieren ein Großteil ihres Geldes, oder sie entscheiden sich für eine Weiterführung mit ungewissem Ausgang. Genauso geht es derzeit den Anlegern des Fonds MS Santa Giovanna des Emissionshauses MPC. Ein Verkauf, so MPC, bringe derzeit umgerechnet nur 3,5 Millionen Euro ein. Bank und Anleger haben bei Auflage des Fonds 27,3 Millionen Euro aufgebracht. Ein Gutachten für den von MPC geschätzten Verkaufserlös gebe es nicht, der Betrag beruhe auf „Marktanalysen“. Ein Weiterbetrieb des Fonds MS Santa Giovanna macht derzeit kaum Sinn. Das Schiff bringe laut MPC derzeit nur 7000 Dollar pro Tag Charter ein. Um alle Kosten inklusive der Finanzierung zu decken, wären aber 10.000 Dollar pro Tag nötig, so MPC.

Schiffsfonds verantwortlich für Überangebot

Die Commerzbank wurde vom Landgericht Wuppertal (3 O 467/12) zu Schadensersatz verurteilt, weil sie 2004 einem heute 87-jährigen Anleger einen Schiffsfonds verkauft hatte Quelle: dpa

„Dass Initiatoren an Verlustbringern festhalten, hat zwei Gründe: Hoffnung auf Besserung und die Aussicht, weiter Gebühren für das Management des Fonds kassieren zu können“, sagt Dietmar Kälberer, Fachanwalt für Kapitalanlagerecht aus Berlin. Ohne nachhaltige Besserung des Chartermarkts sei jede Sanierung eines Schiffsfonds zum Scheitern verurteilt. Dass die Wende zum Besseren schnell kommt, ist unwahrscheinlich. „Die Reeder investieren trotz eines Überangebots von Frachtkapazitäten in neue Tonnage, um mit größeren, energieeffizienteren Schiffstypen, deren Betriebskosten geringer sind, wettbewerbsfähiger zu sein. Mit dem zusätzlichen Angebot an Schiffen verlängert sich aber die Krise auf dem Chartermarkt“, sagt Markus Gerhard, Experte für Schiffsfinanzierung an der Frankfurt School of Finance & Management.

Was 2014 noch kommen könnte

Für das Überangebot sind auch die Schiffsfonds verantwortlich. Anders als viele Profis aus der Schiffsbranche haben sie vor allem in kleinere Schiffe investiert, die derzeit weit weniger gefragt sind. So haben Schiffsfonds beispielsweise Panamax-Schiffe finanziert, die sich an den bisherigen Maßen des Panamakanals in Mittelamerika orientierten. Seit 2007 wird der Kanal ausgebaut, um deutlich größeren Schiffen eine Passage zu ermöglichen. 2015 wird der Ausbau abgeschlossen sein. Der Schiffsfonds CFB 162 von der Commerzbank, der ein Containerschiff der Panamax-Klasse finanzierte, wurde noch 2007 aufgelegt. Dumm für die Anleger, dass Panamax-Schiffe künftig für diese Kanalpassage nicht mehr gebraucht werden.

Anleger, die in einem sanierungsbedürftigen Schiffsfonds gefangen sind, können sich juristisch gegen drohende Verluste wehren. Dazu müssen sie der vermittelnden Bank nachweisen, dass sie verdeckte Provisionen verschwiegen oder die betroffenen Anleger falsch beraten hat. In eindeutigen Fällen haben die Anleger gute Chancen, ihr Geld wiederzubekommen.

So wurden Beteiligungen an Schiffsfonds in Einzelfällen auch an Rentner verkauft, die eine risikoarme Altersvorsorge suchten. Die Commerzbank etwa wurde vom Landgericht Wuppertal (3 O 467/12) zu Schadensersatz verurteilt, weil sie 2004 einem heute 87-jährigen Anleger den Schiffsfonds LF Flottenfonds IV verkauft hatte. Die Bank hatte dem Rentner verdeckte Provisionen verschwiegen. In diesem Fall hatte die Commerzbank im Seniorenheim eine Zweigstelle.

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