Selbstanzeige Diesmal hat sich Hoeneß verzockt

Ein vorbildlicher Fußball-Club-Präsident, ein vorbildlicher Unternehmer - und nun ein Steuerhinterzieher. Uli Hoeneß' Ansehen schwindet im Rekordtempo. Was dem Manager droht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Uli Hoeneß - bekannt als Mann der klaren Worte, muss sich jetzt wegen Steuerhinterziehung verantworten. Quelle: dpa

Als Uli Hoeneß 1979 mit 27 Jahren der jüngste Manager eines Fußballclubs in der Geschichte der Bundesliga wurde, hatte der FC Bayern München 7,5 Millionen D-Mark Schulden und machte im Jahr einen Umsatz von knapp zwölf Millionen. Hoeneß bewies in den kommenden 30 Jahren nicht nur bei sportlichen, sondern vor allem auch bei seinen wirtschaftlichen Entscheidungen ein glückliches Händchen. Die Bayern sind heute schuldenfrei und mit einem Jahresumsatz von mehr als 370 Millionen Euro die Nummer vier unter den europäischen Clubs. Auf seinen Erfolg angesprochen sagte er 2011 im Interview mit dem Handelsblatt: "Ich bin die Lokomotive. Meine große Stärke ist der Vertrieb, das Verkaufen eines Produkts. Hier ist es der Fußball, da war es die Wurst."

Hoeneß verband bisher wie kein anderer den Typus des bodenständigen, mittelständischen Unternehmers mit dem des schlagfertigen Managers aus der Glitzerwelt des Profi-Fußballs. Dass gerade er nun wegen Steuerhinterziehung am Pranger steht, mag so gar nicht in des Bild der erfolgreichen Vorzeigemanagers passen.

Mann der klaren Worte

Hoeneß ist ein Mann mit vielen Facetten. Als er noch Manager des FC Bayern war, galt der gebürtige Ulmer als die personifizierte Abteilung Attacke beim deutschen Rekordmeister, der Mann, der nicht davor zurückschreckte, die Vertreter gegnerischer Vereine verbal bis aufs Blut zu reizen und ihnen anschließend auch noch kaltlächelnd die besten Spieler wegzukaufen. Doch spätestens seit Hoeneß seinen ehemaligen Mitspieler und Mit-Weltmeister von 1974, „Kaiser“ Franz Beckenbauer, im November 2009 als Präsident des Vereins beerbte und im März 2010 auch Aufsichtsratschef der AG wurde, setzte eine Art öffentliche Seligsprechung ein.

Mit seinen klaren Worten etwa gegen gierige Banker, den Skandal-umflorten Fifa-Präsidenten Joseph Blatter oder aber milliardenschwere Scheichs und Oligarchen, die hunderte Millionen in Fußball-Klubs pumpen, sprach er vielen Fußballfans, aber auch ganz normalen Bürgern aus der Seele. Hinzu kommt, dass der Familienvater in der Öffentlichkeit praktisch im Alleingang das Bild des Ex-Fußballprofis, der nach der einen Karriere noch eine weitere dranhängt, prägte. Bevor Hoeneß auf den Plan trat, gab es den Fall so gut wie nicht – eine Lottoannahmestelle oder ein Sportgeschäft waren bis dahin noch die höchsten Weihen, die sich Ex-Profis vorstellen konnten.

Hoeneß war und ist da von anderem Kaliber. Das bewies er zum einen als Manager des FC Bayern, der er insgesamt zu fast 40 nationalen und internationalen Titeln führte und ihn parallel dazu zu einem florierenden Unternehmen machte. Das tat der frühere Stürmer so erfolgreich, dass zwischenzeitlich gar der Gründer des Sportkonzerns Adidas, Adi Dassler, darüber nachgedacht haben soll, ob dieser Hoeneß nicht einen passablen Schwiegersohn und möglichen Adidas-Manager abgeben könnte.

Erfolgreicher Fußball- und Wurstmanager


Als etwa zuletzt die Bayern im vergangenen November die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahres präsentierten, freuten sich die 188.000 Vereinsmitglieder über die Umsatz-Rekordmarke von 373,4 Millionen Euro und einen Gewinn nach Steuern von 11,1 Millionen Euro. Die Bayern AG bringt es nach eigenen Angaben mit 278,3 Millionen Euro auf eine Eigenkapitalquote von 77,5 Prozent, ein Wert, den es laut dem inzwischen ausgeschiedenen Finanzchef Karl Hopfner „wohl bei keinem anderen Fußballklub der Welt gibt.“

Zum anderen legte der Metzgerssohn Hoeneß auch als Bayern-Manager stets Wert auf Unabhängigkeit und gründete bereits 1985 zusammen mit seinem inzwischen ausgestiegenen Geschäftspartner Werner Weiß die Nürnberger Würstchenfabrik Howe. „Dank der Würste musste ich auch in schwierigen Zeiten beim FC Bayern nie meinen Charakter an der Garderobe abgeben“, sagte Hoeneß einmal der WirtschaftsWoche.

Startete das Unternehmen vor fast 30 Jahren mit gerade 20 Mitarbeitern, sind es heute nach eigenen Angaben bis zu 350, die bis zu vier Millionen Würstchen am Tag herstellen. Zu den Kassenschlagern gehören Nürnberger Rostbratwürste, die Geflügelbratwürste "Bruzzlkracher" und ein Würzbratwurst-Sortiment mit Geschmacksrichtungen wie Hot Chili und Holzfäller. Howe beliefert Discounter wie Aldi und Lidl, aber auch Hotelketten und Gaststätten europaweit.

2010 brachte Hoeneß seine Bratwürste sogar über die Fastfood-Kette McDonalds an den Mann und trat dafür selbst in TV-Spots auf. Seit 2001 ist Uli Hoeneß aus der operativen Leitung ausgeschieden und hat das Tagesgeschäft an seinen Sohn Florian übergeben, der den Umsatz auf inzwischen mehr als geschätzte 50 Millionen Euro gesteigert hat. Die in der Schweiz gebunkerten Millionen stammen aber sicher nicht aus dem Wurstimperium.

So erstatten Steuersünder Selbstanzeige

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, Hoeneß habe sich im Jahr 2000 vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, zehn bis 15 Millionen Euro geliehen und damit an der Börse spekuliert. Auf Kredit zu spekulieren, ist waghalsig und zeugt bereits von Hoeneß' Zockermentalität. Mit den geliehenen Millionen soll das Vermögen entstanden sein. Über die Höhe der Summe kursierten zunächst die wildesten Spekulationen. Einen Bericht vom Wochenende, nach dem es um hunderte Millionen gehe, dementierte Hoeneß. Hoeneß soll bereits drei Millionen an Steuern und Zinsen nachgezahlt haben - andere Medien sprechen von sechs Millionen. Die Beträge auf den Schweizer Konto sind zwar versteuert, Hoeneß soll aber wohl keine Kapitalertragssteuer abgeführt haben. Die Zinsen waren also unversteuert, nicht das Vermögen selbst. Im Januar hat er deshalb eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung eingereicht.

Bis zur Abgabe seiner Selbstanzeige hat er gepokert. Denn wie den Berichten zu entnehmen ist, hatte er zunächst auf das Steuerabkommen mit der Schweiz gesetzt, um das Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lange mit der Schweizer Regierung gerungen hatte, und das zum Zankapfel unter deutschen Politikern geworden war. Im Dezember 2012 scheiterte es am Widerstand der Oppositionsparteien im Bundesrat. Ein letzter Einigungsversuch im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag im Februar war dann das bisherige Ende der Verhandlungen – und da hatte Uli Hoeneß bereits Selbstanzeige erstattet.

Was Hoeneß jetzt droht


Der im Visier der Steuerfahnder stehende Bayern-Präsident Uli Hoeneß droht Medien mit juristischen Schritten. Schnelle Aufklärung ist nicht in Sicht:

Wäre das Steuerabkommen zustande gekommen, hätte es Hoeneß eine Amnestie sowie Anonymität beschert. Dann hätte der erfolgreiche Würstchenfabrikant seine Steuerschuld still und leise begleichen können – ohne strafrechtliche Konsequenzen.

Das gescheiterte Steuerabkommen hatte vorgesehen, Schwarzgelder rückwirkend für zehn Jahre mit einem Satz zwischen 21 und 41 Prozent zu versteuern. Im Fall Hoeneß soll es sich jedoch um versteuertes Geld handeln, dass auf ein Schweizer Bankkonto transferiert wurde – was keineswegs illegal ist -, für das jedoch auf die dort anfallenden Zins- und Anlagegewinne keine Kapitalertragsteuer gezahlt wurde. Werden nun nur die Kapitalerträge nachversteuert, dürfte es Hoeneß unter Umständen sogar billiger kommen als bei einer Besteuerung des gesamten Guthabens, wie es das Steuerabkommen vorsah.

Die fällige Kapitalertragsteuer wird in Deutschland in Form der einheitlichen Abgeltungsteuer von 25 Prozent erhoben. Durch Solidaritätszuschlag sowie eventuell zu zahlende Kirchensteuer steigt der Satz auf rund 28,4 Prozent. Sollte der Fußballmanager tatsächlich, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, bereits eine Abschlagszahlung von drei Millionen Euro im Rahmen seiner Selbstanzeige geleistet haben, dürfte dieser Betrag von Hoeneß‘ Steuerberater vermutlich eher zu hoch als zu niedrig angesetzt worden sein. In dem gezahlten Betrag müssten bereits sechs Prozent Verzugszinsen pro Jahr sowie fünf Prozent Einmalzahlung auf die Steuerschuld für die Einstellung des Verfahrens enthalten sein.

Die eigene Anschwärzung beim Finanzamt war für Uli Hoeneß aber unabhängig von der Höhe der fälligen Nachzahlung alternativlos. Denn sie bleibt ohne Abkommen der einzige Weg, die Steuerhinterziehung ohne strafrechtliche Verurteilung zu beenden, wenn man davon ausgeht, dass sie irgendwann aufgefallen wäre. Die Selbstanzeige hat für Hoeneß den großen Nachteil, dass seine Steuerhinterziehung öffentlich wurde – wenn auch erst drei Monate nach der Selbstanzeige und erst Wochen nach der Durchsuchung seines Hauses am Tegernsee durch die Behörden. Doch kommt die Staatsanwaltschaft in München zu dem Ergebnis, dass die Selbstanzeige umfassend und rechtzeitig erfolgt ist, bleibt Hoeneß mit der Begleichung der Steuerschulden nebst Zinsen ohne Vorstrafe.

Hoeneß fällt das Schweigen schwer


Kommen die Ermittler allerdings zu dem Ergebnis, dass nicht alle hinterzogenen Steuern deklariert wurden oder Hoeneß zum Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits Kenntnis von einem Steuerverfahren gegen ihn hatte, wäre das für den erfolgsverwöhnten Unternehmer eine Katastrophe. Denn nur wenn im Rahmen einer Selbstanzeige tatsächlich alle Steuervergehen der vergangenen zehn Jahre auf den Tisch kommen, gibt es für den Steuersünder tatsächlich Aussicht auf Straffreiheit. Würde Hoeneß‘ Selbstanzeige nicht greifen, wäre sogar eine Verurteilung zu einer Haftstrafe wahrscheinlich. Denn bei Beträgen von mehr als einer Million Euro ist Strafe auf Bewährung nicht mehr üblich. Die Höchststrafe kann bis zu fünf Jahre betragen und in besonders schweren Fällen sogar auf zehn Jahre Freiheitsentzug ausgedehnt werden.

Um die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu prüfen, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Bei einer Selbstanzeige sind diese Ermittlungen immer zwingend erforderlich. Da sich Uli Hoeneß, sein Steuerberater und seine Anwälte sicherlich der Konsequenzen einer unwirksamen Selbstanzeige vollkommen bewusst sind, wird der gezahlte Betrag – seien es nun drei oder wie etwa die "Bild" berichtet sechs Millionen Euro - vermutlich voll und ganz ausreichen, um die Steuerschuld zu begleichen. Üblicherweise verlangen die Finanzbehörden die Begleichung der in der Selbstanzeige errechneten Steuernachzahlung innerhalb von zwei bis vier Wochen. Da Hoeneß nach eigenen Angaben seine Selbstanzeige bereits im Januar gemacht hat, musste er längst alle Steuerschulden begleichen.

Aus den genannten Beträgen nun auf die Summe zu schließen, die auf dem Schweizer Konto liegt, ist reine Spekulation. Schließlich ist praktisch nichts über die ursprüngliche Einzahlung, die Dauer der Steuerhinterziehung und die erzielten Kapitalerträge oder auch -verluste während dieser Zeit bekannt. Man kann lediglich grob überschlagen, dass um die sechs Millionen Euro an zu versteuernden Kapitalerträgen angefallen sein müssen.

Dass Hoeneß unter dem Druck der Steueraffäre sein Lebenswerk - den FC Bayern - verlässt, ist unwahrscheinlich. Ebenso wenig vorstellbar ist, dass er die öffentliche Demontage kommentar- und tatenlos über sich ergehen lässt. Darauf lassen seine Äußerungen schließen, gegen Medien vorgehen zu wollen. Zu schweigen, wie er es nun tun muss, das dürfte Hoeneß, dem öffentlichen Polterer und Mahner, sehr schwer fallen. Am Ende wird Uli Hoeneß jedoch abwägen müssen, wie sehr sein eigenes, nun schwer beschädigtes Ansehen womöglich auch den Glanz „seines“ FC Bayern trübt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%