Smartphone Das Handy als Geldbörse

Kreditkarten und Bargeld sind überflüssig, in Zukunft zahlt der Kunde via Smartphone an der Kasse. So zumindest der Plan der Techniker und Mobilfunkstrategen. Doch bislang hält sich das Interesse in Grenzen.

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Mit dem Handy soll schnelles Zahlen an der Kasse möglich sein. Quelle: dapd

Frankfurt Es dient schon jetzt als Navigationsgerät, Kamera und Musikplayer. Künftig soll das Handy auch Bankkarte und Bargeld ersetzen: Experten zufolge wird mobiles Zahlen bald im deutschen Einzelhandel möglich sein, offline also. Das lockt viele Unternehmen an: Mobilfunkanbieter, Banken, Zahlungsverkehrsdienstleister, Handy-Hersteller, Coupondienste, Händler – sie alle wollen mitverdienen.

Das Marktforschungsunternehmen Gartner schätzt, dass im vergangenen Jahr weltweit rund 86 Milliarden Dollar mit dem Handy bezahlt wurden. Im Vergleich zu 2010 wäre das ein Anstieg um 76 Prozent.

Zwei Technologien gibt es für die Offline-Welt: die Near field communication (NFC) und den QR-Code, kurz für „quick response“, übersetzt „schnelle Antwort“. NFC ist aus Kantinen bekannt, wenn durch das Auflegen einer Prepaidkarte bezahlt wird. Man stelle sich nun vor, diese Karte sei im Handy integriert und überall könne so gezahlt werden. Eine Alternative ist der QR-Code. Dieser erscheint entweder auf dem Handybildschirm und wird von der Kasse gescannt oder umgekehrt: Mit Hilfe der Kamerafunktion fotografiert der Kunde den Code, der auf dem Terminalbildschirm angezeigt wird.

Flächendeckende Anwendungen gibt es in Deutschland weder für die eine noch für die andere Variante. „Das beliebteste Argument seit zehn Jahren ist, die Technik sei noch nicht so weit“, sagt Key Pousttchi, Leiter der Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg. In Wirklichkeit seien unter anderem die Mobilfunkanbieter nicht bereit gewesen. „Nun sehen sie ihre Felle davon schwimmen.“

Pousttchi schwärmt von einer wechselseitigen Kommunikation zwischen Terminal und Handy. Soll heißen: mehr Sicherheit, weil der Kunde den Kauf durch PIN-Eingabe oder Fingerabdruck bestätigen kann. Aber das bedeutet auch mehr Werbung: Treueprogramme, personalisierte Rabatte, Gruppencoupons – und zwar direkt aufs Handy.


Bezahldienste optimieren Service

Für Bezahldienste wie PayPal ist das interessant. „Beginnend mit Local Deals, über Treueprogramme bis hin zur Option von Ratenkauf und letztlich ein digitales Quittungsmanagement“, beschreibt Holger Spielberg, Leiter von Mobile Payments and Innovation bei PayPal, die Pläne. Allerdings sei NFC dafür noch nicht ausgereift. Innerhalb Europas hat QR in Deutschland laut Spielberg die meisten Nutzer. PayPal testet das System derzeit, allerdings kann damit nur Ware bestellt und nicht vor Ort bezahlt werden. Letzteres soll in einem halben Jahr möglich werden.

Konkurrenz kommt aus San Francisco. Der Bezahldienst Boku setzt auf NFC, entweder als Karte oder als Aufkleber fürs Handy. Unabhängig davon, wie der Kunde zahlt: Alles landet auf einem Konto, angereichert mit Werbeangeboten. In Deutschland mischt Boku mit „mpass“ mit; einem Online-Bezahlsystem von Telefónica, Vodafone und Telekom. In der zweiten Jahreshälfte soll „mpass“ laut Telefónica in den stationären Handel kommen; dann kann mithilfe von NFC und Handy gezahlt werden.

Auch Google hat im vergangenen Jahr eine Handy-Anwendung auf den amerikanischen Markt gebracht: Google Wallet basiert auf NFC, ist jedoch auf wenige Handymodelle beschränkt.

Und der Handel? „Ein Drittel der Handelsunternehmen schafft zur Zeit die Voraussetzungen für mobiles Zahlen via NFC“, sagt Horst Rüter, Leiter Payment Systems des EHI Retail Institute. Die Kartenlesegeräte brauchen einen NFC-Reader, zum Beispiel eine Antenne. Um einen QR-Code anzuzeigen, bedarf es eines Software-Updates. „Die konsequente Umsetzung von QR-Codes erwarte ich erst nach der NFC-Technologie“, sagt Rüter jedoch. „Der Handel sieht sich nicht in der treibenden Rolle. Aber was der Kunde will, bekommt er.“

In Deutschland will der Kunde wohl noch nicht so recht: „Wir liegen im internationalen Vergleich zurück“, sagt Bitkom-Referent Michael Barth. „Deutschland ist ein klassisches Kartenland.“ Erst wenn ein technischer Standard, beispielsweise NFC, in den Endgeräten verankert sei, würde sich dies ändern.


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