Sparkassen und Volksbanken in der Kritik Schlichtungsstellen entscheiden oft gegen Bankkunden

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Geldinstitute sind knauserig

Schnelle und günstige Hilfe statt langwieriger und teurer Prozesse – Ombudsverfahren sind in der Theorie eine feine Sache. In der Praxis helfen sie mehr den Banken als den Kunden, kritisiert Anlegeranwalt Julius Reiter...
von Florian Zerfaß

Zum Hintergrund: Bei variabel verzinsten Sparkonten ist die Bank oder Sparkasse berechtigt, die gezahlten Zinsen innerhalb der Laufzeit anzupassen. Sinken die Zinsen wie in den zurückliegenden Jahren, dann wird auch die Verzinsung der langfristigen Sparverträge nach unten angepasst.

Allerdings müssen sich Banken nicht nach dem Marktzins richten. Während die Anpassung nach unten in der Regel schnell geht, sind die Geldinstitute bei steigenden Zinsen knauserig und geben die verbesserten Konditionen nicht immer ausreichend an ihre Kunden weiter. Bereits im Jahr 2004 hat der BGH derart willkürlich Zinsanpassungen seitens der Banken allerdings untersagt, 2010 wurde das Urteil noch einmal konkretisiert. Deshalb können Kunden, die den Eindruck haben ihre Bank habe die Zinsen falsch berechnet, eine Nachberechnung fordern.

Fragwürdige Entscheidungen

Auch die Kundin der Volksbank in Rosenheim-Chiemsee versprach sich eine Rückzahlung durch die erneute Überprüfung der Zinsanpassung durch den unabhängigen Ombudsmann der genossenschaftlichen Banken, van Gelder. Der ehemaligen Richter am Bundesgerichtshof sah das allerdings anders und gestand der Kundin lediglich eine Zinsnachzahlung in Höhe der anfänglichen 3,5 Prozent für die letzten drei Jahre, von 2009 bis 2012 zu. Alle weiteren Ansprüche seien verjährt, schreibt van Gelder in seinem Schlichtungsvorschlag, der WirtschaftsWoche Online in Kopie vorliegt.

Van Gelder beruft sich bei seinem Urteil also auf eine kurze, dreijährige, Verjährungsfrist bei Zinsen. Es gibt allerdings mehrere Urteile, die eine solche Entscheidung van Gelders in Frage stellen. Vor allem aus einem BGH-Urteil von 2002 (Az. XI ZR 361/01) interpretieren Juristen, dass Zinsen gleichlaufend mit dem Sparguthaben verjähren – also nicht nach drei Jahren, sondern erst nach der Kündigung eines Sparvertrags. Gerichte begründen das damit, dass Sparzinsen "grundsätzlich zum Ende eines Kalendervierteljahres gutgeschrieben werden und, soweit der Sparer darüber nicht innerhalb der vereinbarten Frist verfügt, der Spareinlage zugerechnet" werden (OLG Frankfurt, Az. 2 U 12/04). Entsprechend gelte für Zinsen die gleiche Verjährungsfrist wie für Sparguthaben – und die beginnt erst nach der Kündigung des Vertrags. Die Schlichtungsstelle des BVR erklärte dazu gegenüber WirtschaftsWoche Online, dass genannte BGH-Urteil befasse sich mit der Behandlung von Zinsen bei jahrelang nicht vorgelegten Sparbüchern und habe daher mit der hier interessierenden Frage nichts zu tun.

Verbraucherzentrale gewann

Ein weiteres Beispiel für fragwürdige Entscheidungen van Gelders: 2011 entschied der Ombudsmann gegen einen Kunden, der seinen Immobilienkredit bei der Volksbank Raiffeisen Oberbayern Südost vorzeitig auflösen wollte und daraufhin von dem Institut zu einer Vorfälligkeitsentschädigung über 4228 Euro verdonnert wurde. Da dem Kunden die Summe sehr hoch erschien, wendete er sich an die Verbraucherzentrale Hamburg – die wiederum stellte fest, dass die Entschädigung um mehr als 4000 Euro zu hoch war. Ombudsmann van Gelder sollte Klarheit in die Sache bringen. Der allerdings erklärte die berechnete Summe zum Nachteil des Verbrauchers für richtig. Die Verbraucherzentrale Hamburg klagte – und gewann. Die Bank musste dem Kunden die einbehaltenen 4228 Euro erstatten. (Az. 2 C 25/11).

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