Steuererklärung Mit Krankheits- und Prozesskosten mehr rausholen

Spenden, Krankheits- oder Prozesskosten – mit etwas Glück lässt sich wenigstens das Finanzamt an ihnen beteiligen. Was Steuerzahler als außergewöhnliche Belastung geltend machen können, wie sie Ausgaben besser planen.

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Außergewöhnlichen Belastungen steuerlich geltend machen. Quelle: imago images

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Es ist zwar eine Mär, dass Deutschland die meiste Steuerliteratur der Welt hat. Doch es mangelt nicht an Themen, mit denen sich Steuerberater, Finanzrichter, Finanzbeamte und – vor allem – Steuerzahler beschäftigen müssen. Das ist einerseits ärgerlich. Es sorgt aber andererseits dafür, dass sich die Steuerlast mit Wissen oft deutlich drücken lässt.

Teure Fehler bei der Steuererklärung
Steuerfehler Nummer 1: Ausgaben vergessenBeiträge zum Beispiel für die Riester- oder Rürup-Rente können Arbeitnehmer von der Steuer absetzen. Weil genau das beim Abschluss dieser Verträge meist als Verkaufsargument genannt wird, ist es vielen Bürgern bekannt – aber nicht unbedingt bewusst. „Aus der Praxis wissen wir, dass Steuerzahler oft vergessen, ihre Riester- und Rürup-Kosten in der Steuererklärung anzugeben“, so die Experten des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe. Sie haben sieben Fehler zusammengestellt, durch die sich Steuerpflichtige Rückzahlungen häufig entgehen lassen. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 2: Rechnungen bar zahlenHandwerker, Putzfrauen oder auch Au-pairs haben gemeinsam, dass man die Kosten in vielen Fällen von der Steuer absetzen kann - entweder als sogenannte Handwerkerleistung oder als haushaltsnahe Dienstleistung. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Steuerzahler voll auf den Kosten sitzen bleiben, wenn sie das Geld bar bezahlen. Da hilft es auch nichts, die Rechnungen aufzuheben. Ohne Kontonachweis keine Steuervorteile. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 3: Hintertür zuschlagen und außergewöhnliche Belastungen nicht angebenDer Bundesfinanzhof (BFH) hat Ende 2015 in Bezug auf außergewöhnliche Belastungen entschieden, dass die Regel zur zumutbaren Eigenbelastung nicht zu beanstanden ist. Deshalb gilt weiterhin: Nur die Krankheits-, Pflegeheim- oder Scheidungskosten, die über der eigenen zumutbaren Belastungsgrenze liegen, kann man absetzen. Für diesen zumutbaren Eigenanteil hat der BFH aber im Januar 2017 eine neue Berechnungsregelung festgelegt. Die Richter gaben den Finanzämtern vor, dass künftig schrittweise die Prozentwerte je nach Einkommenshöhe angesetzt werden müssten (VI R 75/14). So seien von den ersten 15.340 Euro nur zwei Prozent aufzubringen (306,80 Euro), von den nächsten 35.790 Euro drei Prozent (1073,70 Euro) und erst darüber vier Prozent. Im Ergebnis sinkt die zumutbare Eigenbelastung gegenüber der alten Regelung. Viele Bürger sammeln gar nicht erst die Belege für das Zahnimplantat oder die Brille, weil sie denken, dass sie mit den Kosten sowieso nicht über die Zumutbarkeitsgrenze kommen. Aber es gibt noch eine Hintertür: Stehen außergewöhnliche Belastungen an, sollten Steuerzahler versuchen, sie in einem Kalenderjahr zu bündeln, um die Zumutbarkeitsgrenze sicher zu überschreiten. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 4: Mietvertrag mit Angehörigen nicht wasserdicht gestaltenVermietungen unter Verwandten sind nicht ungewöhnlich. Der Mieter bekommt eine Immobilie zum günstigen Preis, der Vermieter kann – trotz geringerer Miete – seine Kosten für das Objekt voll absetzen. Das geht aber nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens, die monatliche Miete beträgt mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete. Das heißt so viel wie: Zu günstig geht nicht. Zweitens … Quelle: IMAGO
… muss die Durchführung des Mietvertrags einem Fremdvergleich standhalten. Das bedeutet: Die Miete wird überwiesen und nicht bar ausgezahlt, sie wird außerdem pünktlich überwiesen, es gibt eine jährliche Nebenkostenabrechnung und ähnliches mehr. Quelle: dpa
Steuerfehler Nummer 5: Einträge vertauschenSie haben eine Fortbildung selbst bezahlt, die Kosten dafür aber nicht bei Weiterbildung sondern bei allgemeinen Werbungskosten in der Steuererklärung angegeben? Oder Sie haben Handwerkerleistungen bei den außergewöhnlichen Belastungen eingetragen? So etwas passiert Laien immer wieder. Das Finanzamt streicht dann zwar die geltend gemachten Kosten aus den falschen Zeilen raus, trägt sie aber nicht in die richtigen ein. Die Rückzahlung, die Ihnen zustehen würde, bleibt einfach aus. Quelle: dpa
Steuerfehler Nummer 6: Fristen verstreichen lassenDas Finanzamt schickt Ihnen den Steuerbescheid und Sie sind froh, dass Sie keine Steuern nachzahlen müssen? Oder Sie bekommen eine Rückzahlung, die aber geringer ausfällt als von Ihnen erwartet? Die meisten unternehmen in solchen Fällen nichts. Das könnte allerdings ein teurer Fehler sein. Denn vier Wochen nach dem Bescheid verstreicht die Einspruchsfrist. So lange können Sie den Bescheid genauer unter die Lupe nehmen oder einen Profi engagieren, der nachträglich für Sie gegenüber dem Finanzamt eintritt und etwaige Fehler behebt. Quelle: Handelsblatt Online

Spielraum gibt es etwa bei Prozesskosten. Steuerzahler bleiben bei rechtlichem Ärger auf ihren Ausgaben für Anwalt und Gericht mittlerweile oft sitzen, wenn es keinen Bezug zu ihrem Beruf gibt, sodass diese nicht als Werbungskosten zählen. Nur ein Abzug als außergewöhnliche Belastung ist dann möglich.

Das kommt aber nur infrage, wenn ein Verfahren für den Steuerzahler existenziell wichtig ist. Ob dies zum Beispiel für gerichtliche Auseinandersetzungen bei einer Scheidung gilt, ist strittig. Hierzu laufen Verfahren am Bundesfinanzhof (BFH). Betroffene sollten ihre Ausgaben geltend machen und, nach Ablehnung durch das Finanzamt, Einspruch mit Verweis auf die anhängigen Verfahren einlegen (VI R 66/14, VI R 81/14, VI R 19/15 und VI R 9/16).

Mit Unterstützung verliert die Steuererklärung ihren Schrecken. In vielen Fällen ist dafür kein teurer Steuerberater mehr nötig. Digitale Helfer reichen.
von Niklas Hoyer

Neue Rechenregeln vom Bundesfinanzhof

Gelten die Ausgaben steuerlich als außergewöhnliche Belastung, senkt – wie bei anderen außergewöhnlichen Belastungen – ein als zumutbar eingestufter Teil („zumutbare Belastung“) den ansetzbaren Betrag. Wie viel zumutbar ist, hängt von Familienstand und Einkommen ab. Jüngst änderte der Bundesfinanzhof die Rechenregeln: Nun müssen schrittweise verschiedene, gesetzlich fixierte Prozentwerte auf die jeweilige Stufe der Einkünfte angewendet werden (VI R 75/14). Im Ergebnis senken außergewöhnliche Belastungen das zu versteuernde Einkommen stärker. Der Steuervorteil steigt.

Was sich 2017 für Steuerzahler ändert
Steuererklärung 2017Geringverdiener, Familien und Alleinerziehende – der Staat will sie 2017 mehr unterstützen. Deshalb werden viele staatliche Leistungen und Freibeträge erhöht. Die Vereinigte Lohnsteuerhilfe (VLH) hat einen Überblick über die Änderungen erstellt. Quelle: dpa
Der Grundbetrag steigt kontinuierlich Mit der Erhöhung zum 1. Januar 2017 ist der Grundfreibetrag in den vergangenen zehn Jahren insgesamt um mehr als 1.000 Euro gestiegen. Quelle: dpa
Grundfreibetrag steigtDer Grundfreibetrag erhöht sich zum 1. Januar 2017 um 168 Euro. Fortan dürfen Steuerzahler 8820 Euro Einkommen steuerfrei behalten. Das Doppelte steht Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern zu. Quelle: dpa
Familien mit mehr Kindern bekommen mehr GeldEtwas höher fällt das Kindergeld für kinderreiche Familien aus: Für das dritte Kind bekommen Eltern 2017 198 Euro und ab dem vierten Kind monatlich 223 Euro. Das Kindergeld bis zur Volljährigkeit gezahlt. Wenn das Kind studiert, zahlt es der Staat sogar noch bis zu seinem 25. Geburtstag. Quelle: dpa
Zwei Euro mehr Kindergeld im MonatDeutlich sparsamer als beim steuerlichen Kinderfreibetrag ist der Staat beim Kindergeld. Dieses steigt 2017 um gerade einmal um zwei Euro pro Kind und Monat. Für die ersten beiden Kinder gibt es im kommenden Jahr jeweils 192 Euro im Monat. Quelle: dpa
Kinderfreibetrag erhöht sichNicht nur der Grund- auch der Kinderfreibetrag erhöht sich 2017 von 4.608 Euro auf 4.716 Euro für verheiratete Eltern und für eingetragene Lebenspartner mit Kind. Hinzu kommen 2.640 Euro Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Das ergibt insgesamt einen Freibetrag von 7.356 Euro pro Kind. Quelle: dpa
Was kalte Progression istVon „kalter Progression” spricht man, wenn eine Gehaltserhöhung zwar die Inflation ausgleicht, aber der Arbeitnehmer durch sie in einen höheren Steuertarif rutscht. Das Zusammenspiel der Inflation mit dem höheren Steuertarif sorgt dafür, dass der Arbeitnehmer nach der Gehaltserhöhung real weniger in der Tasche haben kann als vorher. Quelle: Fotolia

Die zumutbare Belastung drückt auch die steuerlich zu berücksichtigenden Krankheitskosten, also Ausgaben, die der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen. Der Kampf einiger Steuerzahler, dass hier keine zumutbare Belastung abgezogen werden dürfe, blieb vergeblich. Nachdem der BFH sie abgewiesen hatte (VI R 32/13 und VI R 33/13), nahm das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde nicht an (2 BvR 180/16).

Wann Rückfragen drohen

Rein vorbeugende Aufwendungen sind immer Privatsache. Der vom Arzt empfohlene Besuch eines Fitnessstudios lässt das Finanzamt kalt (Sächsisches Finanzgericht, 8 K 1403/09).

Wer muss eine Einkommensteuererklärung machen?

Grundsätzlich zählen als außergewöhnliche Belastung nur notwendige, angemessene und zwangsläufig entstandene Ausgaben. Sind Behandlungsmethoden anerkannt und unzweifelhaft, reicht meist ein vorab ausgestelltes Attest vom Arzt – das gilt beispielsweise auch für Laser-Augenoperationen.

Je umstrittener Behandlungen sind, desto skeptischer wird das Finanzamt sie beäugen. Hier ist dann ein, ebenfalls vorab ausgestelltes, amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nötig (BFH, VI R 85/13 und VI R 68/14). Das betrifft etwa Bade- oder Heilkuren und psychotherapeutische Behandlungen, aber auch den Kauf alltäglicher Gegenstände wie einer besonders rückenschonenden Matratze. Beim Einbau eines Treppenlifts ist aber kein Attest vom Amtsarzt nötig, die Bescheinigung eines normalen Arztes reicht (BFH, VI R 61/12).

Angesichts der oft komplizierten Regeln fühlen sich viele Steuerzahler genötigt, professionellen Rat zu nutzen oder eine Steuersoftware zu kaufen. Doch private Steuerberatungskosten können sie nicht geltend machen. Angestellte können damit in der Praxis meist nur anteilig Beratungskosten absetzen, wenn ihre Werbungskosten den Pauschbetrag von 1000 Euro überschreiten. Die Kosten müssen dann aufgeteilt werden: in einen privaten und einen beruflichen Anteil.

Ausgaben bis 100 Euro dürfen aus Vereinfachungsgründen ganz eingetragen werden. Darüber dürfen pauschal 50 Prozent abgesetzt werden oder (von 100 bis 200 Euro) eben 100 Euro.

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