Steuerfachanwalt Brender "Selbstanzeige nutzen, bevor es zu spät ist"

Im Interview erklärt Steuerfachanwalt Markus Brender, wie eine Selbstanzeige wirkt, welche Strafen drohen und worauf zu achten ist. Er rät allen Steuersündern mit Kapital im Ausland zu einer umfassenden Nachdeklaration.

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Steuer- und Kapitalmarkanwalt Markus Brender

Welches Strafmaß droht bei Steuerhinterziehung?

Als Strafe für Steuerhinterziehung sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt regelmäßig insbesondere vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Entscheidung vom Dezember 2008 klar gestellt, dass bei der Strafzumessung eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist. . Einer allzu formalistischen Betrachtung, die allein an den Hinterziehungsbetrag anknüpft, wird damit eine Absage erteilt.

In welchen Fällen ist nur mit einer Geldstrafe zu rechnen und ab wann droht eine Gefängnisstrafe?

Ausgehend von den im jeweiligen Einzelfall gegebenen Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründen und der Höhe des Hinterziehungsbetrages kommt der BGH zu einer nicht schematisch verstandenen Staffelung der Sanktion wie folgt: In Anlehnung an das Verständnis beim Betrug hält der BGH eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ und damit einen besonders schweren Fall des Betruges im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO bei einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 Euro für gegeben. Ob diese Schwelle überschritten wurde, ist für jede einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Soweit der Täter keinen Vermögensvorteil in der vorgenannten Höhe erlangt hat, sondern weniger weitgehend lediglich eine Gefährdung des Steueranspruches gegeben war, ist eine Wertgrenze von 100.000 Euro maßgebend. Bis zu dieser Höchstgrenze kommt regelmäßig eine Geldstrafe in Betracht. Bis zu einer Million Euro soll eine Bewährungsstrafe die Regel sein.  Nur bei einer Strafe bis zu zwei Jahren kommt allerdings eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht. Darüber hinaus gehende Strafen können nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Steuerordnungswidrigkeiten sind dagegen steuerliche Verfehlungen, für die von Gesetzes wegen nur eine Geldbuße als Sanktion vorgesehen ist. Dazu gehört vor allem die nicht vorsätzlich, sondern nur leichtfertig im Sinne einer erhöhten Fahrlässigkeit begangene Steuerverkürzung.

Wer sollte oder muss die Möglichkeit zur Selbstanzeige nutzen?

Die Tatsache, dass der Staat offenbar nicht einmal davor zurückschreckt, rechtswidrig und unter fragwürdigen Umständen erworbene Daten anzukaufen, sollte für jeden Bürger, der im Ausland zu Unrecht nicht versteuertes Kapital unterhält, Veranlassung sein, das Instrument der Selbstanzeige zu nutzen, solange es nicht zu spät ist.

Worauf ist bei einer Selbstanzeige zu achten und welche Vorgehensweise ist sinnvoll?

Eine Selbstanzeige kann jeder Täter oder auch Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) einer Steuerhinterziehung abgeben.

Das Gesetz sieht für die Selbstanzeige keine bestimmte Form vor. Schon aus Gründen der Klarheit empfiehlt sich bei der Selbstanzeige in jedem Fall eine schriftliche Erklärung.

Gesetzestexte zum Quelle: dpa

Inhaltlich muss die Selbstanzeige so formuliert sein, dass das örtlich und sachlich zuständige Finanzamt alle Informationen erhält, die es bei ordnungsgemäßem Verhalten des Steuerpflichtigen bereits früher gehabt hätte. Dies bedeutet, dass das Finanzamt auf Basis der Selbstanzeige in die Lage versetzt werden muss, einen Steuerbescheid zu erlassen. Sofern keine exakten Zahlen vorliegen, kann dem Finanzamt eine begründete vorläufige Eigenschätzung der Steuer mitgeteilt und zugleich darum gebeten werden, eine Frist für die endgültige Lieferung der Zahlen zu gewähren. Eine Bezeichnung der Erklärung als Selbstanzeige ist nicht erforderlich. In jedem Fall ist zu empfehlen, die Selbstanzeige vor Abgabe mit einem Berater abzustimmen.

Auf welchen Zeitraum die Selbstanzeige zu erstrecken ist, wenn eine mehrjährige Steuerhinterziehung vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Einerseits beträgt die strafrechtliche Verjährung im Regelfall fünf Jahre, so dass zum Zwecke der Erlangung der Straffreiheit dann nur für diesen Zeitraum eine Selbstanzeige notwendig ist. Andererseits kann eine Beschränkung der Selbstanzeige auf diesen Zeitraum Ermittlungen der Steuerfahndung provozieren, ob und inwieweit im Hinblick auf die längere zehnjährige steuerliche Festsetzungsfrist eine weitergehende Beitreibung hinterzogener Steuern möglich ist.

Was ist zu tun, wenn dem Steuersünder das Geld für die Steuernachzahlung fehlt?

Die Wirksamkeit der Selbstanzeige setzt neben der Erklärung der bisher nicht versteuerten Beträge dann aber auch die Zahlung der anfallenden Steuer voraus. Eine Selbstanzeige ist daher nur dann sinnvoll, wenn der Betroffene tatsächlich in der Lage ist, die nachzuzahlenden Steuern nebst Hinterziehungszinsen zu leisten. Da es sich hierbei um erhebliche Beträge handeln kann, ist die tatsächliche Leistungsfähigkeit Vorfrage jeder Selbstanzeige. Sofern keine hinreichenden Eigenmittel vorhanden sind, kommt eventuell auch eine Kreditfinanzierung der nachzuzahlenden Beträge in Betracht.

Wann ist eine Selbstanzeige ungültig oder zu spät? Wie sind ungültige Selbstanzeigen zu verhindern?

Der Weg zur strafbefreienden Selbstanzeige ist unter bestimmten Voraussetzungen versperrt: Straffreiheit tritt nicht ein und die Selbstanzeige kommt zu spät, wenn bereits der Prüfer erschienen ist, dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Verfahrens wegen der Tat bekannt gegeben wurde oder die Tat entdeckt war und der Täter dies wusste oder davon ausgehen musste.

Vor allem die letztgenannte Frage, ob im konkreten Fall bereits eine Entdeckung der Tat gegeben ist, kann in der Praxis erhebliche Abgrenzungsprobleme bereiten: Wie der Bundesgerichtshof bestätigt hat, ist etwa eine bloß bevorstehende Tatentdeckung gerade noch keine Tatentdeckung im Sinne der gesetzlichen Regelung. Insofern reicht es daher nicht, wenn die Finanzbehörde zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Steuerverkürzung vorliegt, den Tatverdacht bejaht und Ermittlungen aufnimmt. Erst wenn der Entdecker einer vermeintlichen Steuerhinterziehung seinen Tatverdacht derart konkretisiert, dass bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung wahrscheinlich ist, ist es zu spät für eine Selbstanzeige. Das aber setzt jedenfalls die Kenntnis des konkreten Hinterziehungsablaufes voraus.

Gibt es Fristen, die zu beachten sind?

Fristen gibt es für die Selbstanzeige als solche nicht. Für die Zahlung der Steuer kann aber vom Finanzamt eine angemessene Frist gesetzt werden.

Können aus einer Selbstanzeige dann auch andere Straftaten abgeleitet werden?

Im Regelfall wird dies nicht ohne weiteres möglich sein. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass auch die weiteren Einkunftsarten in den relevanten Zeiträumen geprüft werden. Um jedes Risiko einer möglichen Unwirksamkeit oder einer nur teilweisen Wirksamkeit der Selbstanzeige zu vermeiden, ist eine umfassende Nachdeklaration vorzunehmen.

Wie ist damit umzugehen, wenn Banken oder Finanzberater alternative Schlupflöcher anbieten? Sollte man diese Finanzberater anzeigen oder Behörden informieren?

Sofern der Berater seinen Sitz im Ausland hat, haben die Finanzbehörden normalerweise keine Möglichkeit, ihn in die Ermittlungen einzubeziehen. Selbst wenn der Kapitalanleger ihn in der Mitschuld sieht, hat das in der Regel keinen strafmildernden Effekt. Schließlich haben die betreffenden Kapitalanleger in Kenntnis aller Umstände selbst Steuern hinterzogen. Ich selbst halte deshalb eine solche Anzeige für verfehlt. Wer reinen Tisch machen will, sollte daher den Weg der Selbstanzeige gehen.

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