Steuerfreie Extras Besser als Bares

Ob Tankgutschein, Fortbildung, Fitnessstudio oder Kindergartenzuschuss: Welche steuerfreien Extras Unternehmen ihren Mitarbeitern spendieren können – und wo völlig unvermutet Fiskus-Fallen lauern.

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Beispielrechnung für einen verheirateten Einzelverdiener mit einem Kind

Stress mit der Steuererklärung kennen die 200 Angestellten des Callcenters Communication Factory in Magdeburg nicht. Ihr Arbeitgeber bezahlt ihnen den Steuerberater. Das ist ein Bonus, der mindestens 100 Euro wert ist, in komplizierten Fällen deutlich mehr. Kleinkram? Vielleicht, aber „das Geld kommt zu 100 Prozent bei den Mitarbeitern an“, sagt Geschäftsführerin Kathleen Schneider. Denn die Extraleistung gilt beim Finanzamt nicht als Teil des Gehalts, die Angestellten zahlen darauf weder zusätzliche Steuern noch Sozialabgaben. Und Chefin Schneider muss keinen Arbeitgeberanteil an die Sozialversicherungen überweisen. 100 Euro, die ungeschmälert ankommen – von einem Barzuschlag in derselben Höhe würden Fiskus und Sozialversicherung dagegen bis zu 66 Euro abzwacken. „Gerade für Spitzenverdiener mit hohen Abschlägen sind steuerfreie Extras attraktiv“, sagt Doris-Maria Schuster, Anwältin im Frankfurter Büro der Kanzlei Gleiss Lutz. Und bei 100 Euro muss es nicht bleiben, Arbeitgeber können zahlreiche Boni am Finanzamt vorbei spendieren: von Fortbildungskursen über Zuschüsse zur Kinderbetreuung bis hin zum Abonnement fürs Fitnesscenter, die Palette ist breit bestückt und kombinierbar. „Die einzelnen Beträge sind überschaubar, aber es können beachtliche Summen zusammenkommen“, sagt Schuster. In den wenigsten Unternehmen wird diese Chance richtig genutzt, dabei bieten besonders Eltern und Pendler gehöriges Sparpotenzial. „In Gehaltsgesprächen sollten Arbeitnehmer diese Möglichkeiten ansprechen“, rät Dietmar Müller-Boruttau, Anwalt im Berliner Büro der Kanzlei Linklaters. „Viele Vorgesetzte sind offen für solche Vorschläge, vor allem wenn normale Erhöhungen gerade schwer durchsetzbar sind.“ Doch Vorsicht: Wer die Formregeln nicht penibel einhält, dem drohen später empfindliche Steuernachzahlungen. Finanzbeamte prüfen steuerfreie Extras akribisch. Chefs und Angestellte sollten genau wissen, was steuerfrei ist und was nicht. Denn gleichzeitig verlangt das Finanzamt Steuern auf angebliche Extraleistungen, die kein Mitarbeiter als solche wahrnimmt. So kann es nach Sichtweise von Finanzbeamten und Richtern bereits als steuerpflichtiges Privileg gelten, wenn ein Mitarbeiter vor dem Büro in der Innenstadt parken darf. Was also ist steuerfrei erlaubt und was nicht?

Eltern. Es muss nicht gleich ein kompletter Betriebskindergarten sein. Unternehmen können junge Väter und Mütter viel leichter unterstützen – mit einem so genannten Kinderbetreuungszuschuss. Dahinter verbirgt sich das attraktivste Extra: Der Arbeitgeber zahlt Eltern steuerfrei Zuschüsse zu Kindergartenbeiträgen oder dem Honorar der Tagesmutter. Und zwar „ohne Betragsgrenze“, sagt Doreen Sorge, Steuerberaterin bei Ecovis in Magdeburg. Das Unternehmen darf also die vollen Kosten übernehmen – steuerfrei. Voraussetzungen: Das Kind geht noch nicht zur Schule und wird nicht bei den Eltern zu Hause betreut. Zudem muss der Zuschuss zusätzlich zum Gehalt gezahlt werden, eine Umwandlung akzeptiert das Finanzamt nicht. Gewiefte Doppelverdiener, die für ein Kind bei zwei Arbeitgebern Zuschüsse absahnen wollen, haben sich geschnitten. Denn Kindergärten und Tagesstätten dürfen pro Kind und Jahr nur eine Bescheinigung ausstellen. Zweitvorteil: Reicht das Geld vom Arbeitgeber nicht für die ganzen Betreuungsausgaben, können Eltern den Rest in ihrer Steuererklärung geltend machen. Zwei Drittel sind absetzbar, maximal 4000 Euro im Jahr. Diesen Vorteil gibt’s für Einzelverdiener aber nur, wenn die Kinder zwischen drei und sechs Jahre alt sind. Doppelverdiener und Alleinerziehende erhalten ihn dagegen bis zum 14. Lebensjahr des Sprösslings. Pendler. Von 2007 an müssen sie deutlich höhere Steuern zahlen, denn sie dürfen die sogenannte Pendlerpauschale von 0,30 Euro nur noch ab dem 21. Kilometer geltend machen. Wer näher an der Arbeit wohnt, bekommt gar nichts. Auch Bus- und Bahnfahrer erhalten Steuervorteile nur noch für Kosten jenseits der 20-Kilometer-Marke. Mithilfe des Arbeitgebers lässt sich die zusätzliche Steuerbelastung deutlich abfedern. So können Unternehmen den Mitarbeitern Monatskarten für den Nahverkehr bis zu einem Wert von 44 Euro spendieren, ohne dass Steuern oder Sozialabgaben anfallen.

Für Autofahrer kommen Tankgutscheine infrage. Die dürfen ebenfalls einen Wert von 44 Euro pro Monat nicht übersteigen. In der Magdeburger Communication Factory sind sie der Renner der Saison, wohl „wegen des hohen Benzinpreises“, vermutet Geschäftsführerin Schneider. Wichtig: Auf den Gutscheinen darf kein Geldbetrag eingetragen sein, sonst gelten sie als normaler Lohn. Stattdessen müssen die Bons auf eine bestimmte Literzahl Benzin ausgestellt sein. Das macht die Sache wegen der 44-Euro-Grenze zu einer Fummelei: Nicht zu knapp kalkulieren, sonst ist das Limit bei steigenden Benzinpreisen schnell überschritten. „Ein Cent mehr, und Arbeitnehmer müssen den gesamten Betrag versteuern“, warnt Müller-Boruttau. Effektiver aus seiner Sicht sind Fahrtkostenzuschüsse. Der Angestellte kann diese Steuer- und Abgabenschuld abhaken, wenn das Unternehmen pauschal 15 Prozent der Summe ans Finanzamt abführt. Trotz der Steuerbelastung ist diese Form der Gehaltserhöhung aber auch für Arbeitgeber attraktiv, schließlich sparen sie Sozialabgaben. Erhält ein Angestellter pro Jahr 1320 Euro Fahrtkostenzuschuss für den Weg zur Arbeit (20 Entfernungskilometer à 0,30 Euro an 220 Arbeitstagen), zahlt das Unternehmen an ihn und das Finanzamt inklusive Pauschalsteuer 1518 Euro. Eine Gehaltserhöhung würde dagegen 1584 Euro kosten, da rund 20 Prozent Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben fällig wären. Auch hier akzeptiert das Finanzamt keine Umwandlung des bisherigen Gehalts, nur eine Aufstockung. Hinzu kommt: Wer schon vom Arbeitgeber eine Kilometerpauschale kassiert, darf sie nicht zusätzlich privat von der Steuer absetzen. Müller-Boruttau: „Fahrtkostenzuschüsse sind deshalb besonders attraktiv für Arbeitnehmer, die vom nächsten Jahr an sowieso keine Pauschale mehr absetzen dürfen.“ Der Sparklassiker für Pendler bleibt der Dienstwagen. Zwar gilt für Arbeitnehmer, die das Auto auch privat nutzen, ein Prozent des Listenpreises im Monat als normales Gehalt, hinzu kommen 0,03 Prozent pro Kilometer zwischen Wohnung und Büro. Wer 20 Kilometer entfernt wohnt und einen 30.000 Euro teuren Wagen fährt, muss demnach 480 Euro im Monat versteuern (1,6 Prozent von 30.000 Euro). Das bedeutet bei Spitzenverdienern in der höchsten Progressionsstufe einen Abschlag von rund 300 Euro für Fiskus und Sozialversicherungen. Doch wer das Auto selbst finanziert, muss deutlich mehr berappen, zumal dann Reparaturen und Benzin auf seine Kappe gehen.

Steuerfrei kommen Dienstwagenfahrer nur davon, wenn sie mit einem Fahrtenbuch beweisen, dass sie das Auto ausschließlich dienstlich bewegen. Schummeln ist zwecklos, denn Finanzbeamte prüfen die Aufzeichnungen immer strenger, bisweilen gar mit statistischen Methoden. So wiesen westfälische Beamte einen Dienstwagenfahrer per Chi-Quadrat-Test nach, dass er Fahrten erfunden hatte, um die private Nutzung zu verschleiern. Bei den ausgedachten Kilometerangaben im Fahrtenbuch hatte der Mann unbewusst überdurchschnittlich oft dieselben Ziffern verwendet. Für das Finanzgericht Münster war die Täuschung damit bewiesen (1 K 6384/03). Sportler, Dauersitzer und Vielflieger. Die Steuerregeln halten weitere attraktive Möglichkeiten bereit, um sich ein individuelles Sparmodell zu basteln. Wer etwa gerne Sport treibt, kann beim Arbeitgeber nach Gutscheinen fürs Fitnesscenter fragen. Aber: Wer die Gutscheingrenze von 44 Euro bereits mit einer Tankgratifikation oder einem Jobticket ausschöpft, kann nicht noch einen Fitnesscenter-Bonus steuerfrei einsacken. „Die 44 Euro gibt’s nur einmal“, sagt Sorge. Ausweg in solchen Fällen ist ein Fitnessraum am Arbeitsplatz – so wie in der Communication Factory. Die Magdeburger Finanzbeamten sahen darin keinen Gehaltsbestandteil, weil die Sportgeräte der Erholung dienen und so die Arbeitskraft steigern. Im Dienste der Gesundheit darf Geschäftsführerin Schneider ihren Angestellten darüber hinaus steuerfreies Muskelkneten spendieren. „Jeden Donnerstag kommt für drei bis vier Stunden ein Masseur ins Haus“, berichtet sie. Ihre Mitarbeiter seien schließlich besonders anfällig für Rückenschäden, weil sie den ganzen Tag sitzen. Finanzämter billigen den Steuervorteil für Massagen, solange sie speziellen beruflichen Risiken vorbeugen. Bei Ganztagssitzern schießen sie in aller Regel nicht quer, in Streitfällen fordern die Beamten aber schon mal ein ärztliches Gutachten. Bietet der Arbeitgeber in der Kantine kostenlos einen Mittagsschmaus im Wert von acht Euro an, zählt der Löwenanteil von 5,36 Euro nicht als Gehalt. „Arbeitnehmer müssen nur 2,64 Euro pro Mittagessen versteuern“, sagt Müller-Boruttau. Für Abendessen gelten dieselben Grenzen, vom Frühstück sind gar nur 1,48 Euro steuerpflichtig. Wer im Beruf noch etwas erreichen will und sich Kurse oder Seminare vom Arbeitgeber bezahlen lässt, kommt ebenfalls ohne zusätzliche Steuern davon – solange der Lernstoff mit dem Job zu tun hat.

Dienstlich erflogene Bonusmeilen können steuerfrei für den Familienurlaub eingesetzt werden, wenn der Wert 1080 Euro im Jahr nicht übersteigt. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht im Frühjahr klargestellt, dass der Arbeitgeber verlangen kann, dienstlich entstandene Meilenguthaben auch für Dienstflüge zu nutzen (9 AZR 500/05). Anwältin Schuster rät von solch strikten Regeln ab. „Mitarbeiter mögen es sehr, wenn sie die Meilen privat nutzen dürfen. Das erhöht die Motivation.“ Und für Dienstreisen sind die Buchungsregeln für Gratisflüge ohnehin oft zu starr. Daumen runter. Die Liste steuerfreier Extras ist zwar lang, allerdings nicken Finanzbeamte und Richter längst nicht alles ab. Vermuten sie ein „erhebliches Eigeninteresse“ des Arbeitnehmers, diagnostizieren sie schnell einen „geldwerten Vorteil“ und fordern Steuern nach. Die Grenzen setzen sie oft willkürlich. Bestes Beispiel: Während die Autofahrt zur Arbeit und zurück steuergünstig bezuschusst werden kann, ist ein kostenloser Parkplatz voll steuerpflichtiges Einkommen. So sieht es jedenfalls das Kölner Finanzgericht. Eine Unternehmensberatung in der Rheinmetropole hatte ihren Mitarbeitern kostenlose Stellplätze in der Tiefgarage nebenan zur Verfügung gestellt. Als Finanzbeamte zur Lohnsteueraußenprüfung anrückten, errechneten sie daraus einen monatlichen „geldwerten Vorteil“ von 60 Euro pro Person und forderten Steuern nach. Zu Recht, sagten die rheinischen Richter. Ein Parkplatz in der City sei bares Geld wert – selbst wenn man nur im Büro sitzt (11 K 5680/04). Ebenfalls in die Steuerfalle tappte das Vorstandsmitglied einer großen Bank. Der Manager hatte sich eine moderne Sicherheitsausrüstung für seine Privatvilla mit rund 17 300 Euro bezahlen lassen. Die Gefahr von Übergriffen auf Bankvorstände sei besonders hoch, deshalb seien die Schutzvorkehrungen beruflich veranlasst und damit steuerfrei, argumentierte er. Der Bundesfinanzhof sah jedoch ein „nicht unerhebliches Eigeninteresse“ und verdonnerte den Mann zur Steuernachzahlung (IX R 109/00). Zur Kasse gebeten wurden auch Mitglieder der Geschäftsleitung eines Herrenausstatters, die jährlich Stücke der neuesten Kollektion zum Vorzugspreis erhielten. Der zulässige Mitarbeiterrabatt von 1080 Euro im Jahr wurde dabei weit überschritten. Eindeutig steuerpflichtig, urteilte erst das Finanzamt und dann der Bundesfinanzhof (VI R 60/02, WirtschaftsWoche 29/2006). Dass die Kleiderordnung die Manager verpflichtete, hauseigene Markenprodukte zu tragen, ließ die Münchner Finanzrichter kalt. Auch wenn die Herren repräsentativ auftreten müssten, sei der private Vorteil schicker Klamotten doch beachtlich.

Stufen die Beamten Boni als steuerpflichtiges Gehalt ein, wird’s für Arbeitnehmer schnell teuer: Häufig müssen sie für mehrere Jahre Steuern und Sozialabgaben nachzahlen. „Arbeitgeber zeigen sich dann oft kulant und übernehmen das“, sagt Anwältin Schuster. Das Problem: Die vom Unternehmen geleistete Nachzahlung gilt wiederum als Gehalt und ist damit selbst steuerpflichtig. Immerhin: Zahlt der Arbeitgeber, zeigt sich auch das Finanzamt häufig kulant und gibt sich mit einer pauschalen Summe von 25 Prozent zufrieden. Schuster: „Zusätzliche Sozialabgaben fallen dann in der Regel nicht an.“ Vorsicht sollten Arbeitgeber auch bei Betriebsfeiern und Ausflügen walten lassen. „Das prüfen Finanzbeamte besonders streng“, sagt Steuerberaterin Sorge. Wer Mitarbeitern Besuche in teuren Restaurants oder Übernachtungen in Luxushotels spendiert, legt ihnen schnell ein Steuer-Ei ins Nest. Denn die Kosten dürfen pro Person und Veranstaltung maximal 110 Euro betragen. Wenn es teurer zugeht, ist die komplette Summe auf einen Schlag steuerpflichtiges Gehalt. Zudem akzeptieren Lohnsteuerprüfer höchstens zwei Events im Jahr. Sorge: „Das Dritte ist in jedem Fall steuerpflichtig.“ Hellhörig werden Finanzbeamte auch, wenn Arbeitnehmer in einer Wohnung des Arbeitgebers leben. Die Frage: Zahlen sie eine marktgerechte Miete oder wohnen sie mit Rabatt? Das vermuteten die Prüfer bei einem Kirchenmitarbeiter. Er und seine Frau zahlten für eine 140-Quadratmeter-Wohnung pro Monat und Quadratmeter 5,16 Euro Kaltmiete. Zu wenig, fanden die Beamten. Das sei schließlich die Untergrenze der im Mietspiegel der Gemeinde für vergleichbare Wohnungen genannten Spanne von 5,16 bis 6,28 Euro. Die Kirche müsse mindestens den Mittelwert verlangen, sonst liege ein geldwerter Vorteil vor. Doch der Bundesfinanzhof in München entschied, die Untergrenze des Mietspiegels sei zulässig (IX R 10/05), und zeigte damit ein Herz für Seelsorger.

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