Steuerhinterziehung Schweiz zieht noch immer Schwarzgeld an

Banken in der Schweiz erfreuen sich wieder wachsender Beliebtheit. Schwarzgeld-Anleger hoffen auf Straffreiheit, niedrige Pauschalsteuern und Schutz vor Inflation.

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Scheine abliefern, Koffer mit Quelle: dpa

Oswald Grübel ist ein knorriger Typ. Gute Laune verströmt der deutsche Chef der Schweizer Großbank UBS eher selten. Als er jüngst die Zahlen fürs erste Quartal verkündete, war das jedoch anders. Der Aufwärtstrend in der Vermögensverwaltung bereitete ihm sichtlich Freude: „Ganz speziell freut mich die Zunahme der Nettoneugelder“, sagte der 67-Jährige. Der Zuwachs von elf Milliarden Franken – rund neun Milliarden Euro – zeige, dass die Kunden der UBS „wieder Vertrauen schenken“.

Die Zahl ist in der Tat erstaunlich. Nach der Finanzkrise hatte das Schweizer Institut mehr als 100 Milliarden Euro verloren – zumeist, weil sich Ausländer wegen des bröckelnden Schweizer Bankgeheimnisses dem heimischen Fiskus offenbarten und danach ihr Schwarzgeld zurückholten. Vor allem Amerikaner und Deutsche verließen die UBS in Scharen. Doch damit ist es jetzt vorbei.

Selbstanzeigen laufen weiter

Zwar geht die Selbstbezichtigungswelle von Steuersündern munter weiter, zumindest hierzulande: „Die Zahl der Selbstanzeigen von Anlegern mit Bankkonten in der Schweiz liegt weiter auf hohem Niveau“, berichtet Jesco Idler, Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn. Doch offenbar lösen die zahlreichen Selbstanzeigen niedrigere Kapitalabflüsse aus als ursprünglich erwartet. „Mindestens die Hälfte unserer Mandanten lässt ihr Geld danach in der Schweiz“, sagt Steuerberater Idler.

Die Treue vieler Kunden führt dazu, dass nicht nur in Asien, sondern auch in der Schweiz wieder deutlich weniger ab- als zufließt. Die UBS meldete fürs erste Quartal ein Plus von 2,2 Milliarden Franken im Privatkundengeschäft – nach minus zehn Milliarden Franken 2010. Wettbewerberin Crédit Suisse meldete gar 4,7 Milliarden Franken Zuflüsse. Und neben Privaten kommen auch institutionelle Anleger wieder. Der Schweizer Franken hat dank hoher Zuflüsse gegenüber dem Euro in den vergangenen zwölf Monaten um rund 15 Prozent zugelegt.

Paradoxer Geldsegen

Es ist schon paradox: Da stehen Deutschland und die Schweiz kurz vor dem Abschluss eines Abkommens, das das einst heilige Bankgeheimnis endgültig abschaffen wird. Das vorsehen wird, dass die Eidgenossen nicht nur enger mit Steuerfahndern kooperieren müssen, sondern dass die Banken sogar eine Strafsteuer vom Schwarzgeld deutscher Anleger abzwacken. Und trotzdem erfreut sich der Finanzplatz wachsender Beliebtheit.

Dafür gibt es mehrere Gründe. So ist die Schweiz für viele, die bereits reinen Tisch gemacht haben, auch ohne Steuervorteil attraktiv. „Steuern zu hinterziehen war oft nur eines von mehreren Motiven, Geld in die Schweiz zu bringen“, sagt Idler. Mancher wolle sein Vermögen vor Ex-Frau oder unehelichen Kindern verstecken, anderen gehe es um eine „internationale Streuung“. Aktuell fürchteten viele mit Blick auf die Krise in Griechenland und die Milliarden-Hilfsprogramme eine Inflation in der Euro-Zone – und sähen die Schweiz als sicheren Hafen.

An ihm kommt kein Quelle: REUTERS

Zudem hoffen Anleger auf moderate Regeln im geplanten Abkommen, das zwei wesentliche Neuerungen enthalten soll: 

Strafsteuer: Deutsche Steuerhinterzieher, die Geld in die Schweiz geschafft haben, sollen sich mit einer einmaligen Strafsteuer auf ihr gesamtes Kapital freikaufen können.Pauschalabgabe: Alle zukünftigen Erträge aus dem legalisierten Schwarzgeld und wohl auch Neuanlagen wären danach pauschal zu versteuern. Schweizer Banken -würden die Pauschale anonym an den deutschen Fiskus abführen.

Viele Anleger, die ihr Geld in der Schweiz lassen und sich nicht selbst angezeigt haben, setzen darauf, dass das neue Abkommen – nach Schweizer Angaben könnte es bis Mitte Juli verkündet werden – moderate Steuersätze vorsieht. Diese Hoffnungen haben im Mai neue Nahrung erhalten: Schweizer Medien kolportierten für die einmalige Strafsteuer sowie für die anonyme Pauschalabgabe auf künftige Kapitalerträge überraschend niedrige Sätze. Klar ist: Die Schweizer wollen das deutsche Geld im Land behalten. Sie arbeiten daran, Anlegern die Treue zur Schweiz zu versüßen, indem sie für diese mit Berlin milde Steuersätze aushandeln.

Angeblich 25 bis 26 Prozent im Gespräch

So sind für die Pauschalabgabe angeblich 25 oder 26 Prozent im Gespräch. Das entspräche grob der hiesigen Abgeltungsteuer auf Zinsen, Dividenden und Spekulationsgewinne, die inklusive Soli 26,4 Prozent beträgt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) will sich hierzu nicht äußern und verweist auf die „vereinbarte Vertraulichkeit“.

Entspräche der Schweizer Satz dem deutschen, könnte der Alpenstaat deutschen Anlegern trotzdem einige Vorteile bieten. Da wäre zunächst die Kirchensteuer, die Banken bei Kirchenmitgliedern zusätzlich abzwacken, was den Abgeltungsteuersatz je nach Bundesland auf insgesamt 28 oder 29 Prozent treibt. Bei den Eidgenossen, so die Hoffnung, fiele wohl keine Kirchensteuer an. Somit ließe sich auch ohne Austritt die Steuerlast senken.

Eine weiteres Szenario hoffnungsvoller Anleger: Einigen sich die Schweiz und Deutschland in dem bilateralen Abkommen auf, sagen wir, 26,4 Prozent, wäre dieser Satz in Stein gemeißelt – und ließe sich nicht einseitig erhöhen. Selbst dann nicht, wenn 2013 Rot-Grün ans Ruder kommt und die Abgeltungsteuer auf 30 Prozent erhöht, wie es der mögliche SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fordert.

Das Problem: Wenn die Steuer hierzulande steigt, die Schweiz aber nicht mitmacht, hinterziehen Anleger wiederum Steuern – zumindest in Höhe der Differenz zwischen deutschem und Schweizer Steuersatz. Und genau dies wollen die meisten ja vermeiden. „Die Bundesregierung kann bilaterale Abkommen durch neue Gesetze einseitig aushebeln“, warnt Marcus Hornig, Steuerberater bei der WTS AG in Düsseldorf.

Steigende EU-Zinssteuer

Eine Steuer, die in der Schweiz niedriger ausfallen würde als in Deutschland, wäre zudem europarechtlich problematisch. Denn Staaten wie Luxemburg, Österreich und auch die Schweiz erheben seit 2005 die anonyme EU-Zinssteuer, die im Juli von 20 auf 35 Prozent steigt. Würde die Schweiz ausscheren und deutschen Anlegern einen niedrigeren Satz bieten, dürfte das Proteste in Luxemburg und Österreich auslösen – selbst wenn die Schweizer Abgabe nicht nur für Zinsen, sondern auch für andere Kapitalerträge gilt.

Es wird noch Monate dauern, Quelle: dpa

Ob die Kalkulation von Schwarzgeld-Anlegern aufgeht, ist also ungewiss. Zahlreiche Anleger sind aber offenbar bereit, das Risiko einzugehen, dass sie vor Inkrafttreten des neuen Abkommens auffliegen – etwa durch eine neue Daten-CD.

Das Interesse an Selbstanzeigen sei in den letzten Wochen „leicht abgeflaut“, berichtet Idler. Dabei spiele einerseits eine Rolle, dass seit Anfang Mai strengere Regeln gelten. Wer mehr als 50.000 Euro pro Jahr hinterzogen hat, muss neuerdings einen Strafzuschlag von fünf Prozent zahlen. „Einige Betroffene dürften aber vor allem abwarten, weil sie auf ein moderates Abkommen hoffen“, sagt Idler.

Ein besonders großes Fragezeichen steht hinter der Strafsteuer. In der Schweiz ist von 20 Prozent des geheimen Vermögens die Rede, die Banken nach Berlin überweisen sollen – ohne die Namen der Hinterzieher zu nennen. Trotz der Anonymität wolle der deutsche Fiskus im Gegenzug Straffreiheit gewähren, heißt es. Stünde also irgendwann ein Fahnder vor der Tür, könnten Betroffene entspannt auf die gezahlte Strafsteuer verweisen.

Einheitssatz für Steuersünder wird es nicht geben

Für garantierte Straffreiheit müsste der Gesetzgeber das Abkommen aber erst mal in nationales Recht umsetzen, warnt Hornig. 20 Prozent sind ungefähr das, was Selbstanzeiger ans Finanzamt zahlen, die nur Kapitalerträge verschwiegen haben. Oft besteht der geheime Schatz aber aus Schwarzeinnahmen, sodass nicht nur Kapitalertragsteuer, sondern auch Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer fällig sind. Idler: „In solchen Fällen ist nach einer Selbstanzeige oft weit mehr als die Hälfte des Vermögens weg.“

Wären für einen Ablass auch in solchen Fällen nur 20 Prozent fällig, dürfte das Verfassungsgericht kaum mitspielen. Das weiß das BMF: Es werde keinen „Einheitssteuersatz, sondern – abhängig von fallbezogenen Kriterien – eine Bandbreite von Steuersätzen“ geben, teilt das Ministerium mit.

Neben juristischen Erwägungen dürfte dabei auch die Kassenlage eine Rolle spielen. Laut Schweizer Medien hofft Finanzminister Wolfgang Schäuble auf bis zu 40 Milliarden Euro aus der Strafsteuer. Das BMF äußert sich dazu nicht.

Riskantes Abwarten

Schwarzgeld-Anleger, die abwarten, könnten also bitter enttäuscht werden. Zudem müssen sie noch lange zittern: Die Schweiz will eine Einigung zwar bis Mitte Juli verkünden. Das BMF ist jedoch vorsichtiger und teilt mit, dass die Unterzeichnung des Abkommens im Lauf des Jahres „angestrebt“ wird. Da danach die Parlamente zustimmen müssen, wird es noch Monate dauern, bis Rechtssicherheit herrscht. Monate, in denen jederzeit eine neue Daten-CD bei Steuerfahndern auftauchen kann.  

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