Steuern Deutschlands dreisteste Steueroase

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Bayer sorgt für Frust

Auch für die Konzerntochter Cognis, die ihre Geschäfte eigentlich im benachbarten Düsseldorf betreibt, verlegte BASF 2014 den Sitz der Steuerhülle Cognis IP Management nach Monheim.
Das Geschäftsmodell laut Bundesanzeiger: „Die CIP erzielt ausschließlich Lizenzerlöse von verbundenen Unternehmen.“ Und weiter: „Die Gesellschaft beschäftigt im Berichtsjahr keine aktiven Mitarbeiter.“

Dennoch weist sie im Jahr 2015 gezahlte Ertragsteuern von 14 Millionen Euro aus, zieht man davon die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag ab, bleiben Gewerbesteuern von gut sechs Millionen Euro. Ein ähnliches Modell verfolgt wohl auch Henkel mit seiner in Monheim ansässigen Tochter Henkel IP Management, hier ist die Struktur jedoch weniger klar nachvollziehbar. Dass auch hier immense Summen zur Versteuerung anfallen, lässt jedoch eine Passage aus dem jüngsten Geschäftsbericht vermuten: „Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen lagen mit 266 Mio Euro über dem Vorjahreswert von 160 Mio Euro.“ Und weiter: „Dieser Anstieg ist maßgeblich auf gestiegene Lizenzaufwendungen für die Nutzung der bei einer deutschen Tochtergesellschaft gebündelten Intellectual Properties des Unternehmensbereichs Adhesive Technologies zurückzuführen.“ Insgesamt weist die Tochter einen noch zu versteuernden Gewinn von knapp 200 Millionen Euro aus.

Für den größten Frust in der Nachbarschaft aber sorgt seit Jahren die Steuerpraxis des Leverkusener Chemiegiganten Bayer. Der sitzt zwar seit jeher mit Teilen seiner Pflanzenschutzsparte in Monheim, es ist jedoch unübersehbar, dass mehr und mehr Unternehmensteile nach Monheim wandern, seit dort die Steuersätze sinken. Erst 2012 schuf der Konzern die Tochter Bayer Intellectual Property, die das Lizenzmodell nach dem Prinzip Henkel und BASF betreibt. Rund 30 Millionen Euro soll Bayer allein mit dieser Tochter an Steuern in Monheim lassen, ließ sich der frustrierte Oberhausener Kämmerer vor einiger Zeit mal zitieren. Und damit nicht genug: 2015 wechselte die Crop Science Beteiligungsgesellschaft von Leverkusen nach Monheim, auch die beiden Immobiliengesellschaften der jüngst ausgegliederten Tochter Covestro residieren seit vergangenem Jahr hier. Welche Steuerausfälle das konkret mit sich bringt, ist schwer zu sagen. Allerdings kassiert die ein Viertel so große Stadt Monheim heute viermal so hohe Einnahmen aus Gewerbesteuern wie Leverkusen. Insgesamt sind es 225 Millionen Euro, so viel wie in Dresden oder Duisburg. Man kann diese Zahl auch anders lesen: Würden alle Monheimer Unternehmen den durchschnittlichen deutschen Gewerbesteuersatz zahlen, dem Staat stünden rund 46 Millionen Euro mehr zur Verfügung.

Vor einem zumindest müssen sich die Konkurrenten vorerst nicht fürchten: dass Monheim die Steuern noch weiter absenken könnte. „Das lohnt sich dann auch für uns nicht mehr“, sagt Bürgermeister Zimmermann. Denn die Kommunen können eine Regel nicht verändern: Je niedriger der Satz, desto mehr der Steuereinnahmen müssen sie ans Land abführen. Zimmermann rechnet vor, was das für Monheim bedeutet: „Bei einem Steuersatz von 200 Punkten müssten wir 100 Prozent der Einnahmen abführen.“ Schon beim aktuellen Satz fließen fast 90 Prozent der Einnahmen in die Landeskasse. Dass sich die weiteren Absenkungen trotzdem lohnen, liegt auch daran, dass Zimmermann sich auch in einer anderen Hinsicht von den internationalen Steuerparadiesen inspirieren lässt. So wurde Luxemburg immer wieder für sogenannte „tax rulings“ kritisiert, also Sondervergünstigungen für einzelne Unternehmen. So weit kann die Stadt Monheim nicht gehen. Dennoch tut Zimmermann, was er kann. Nach dem Prinzip: Wenn du nach Monheim kommst, gehe ich noch mal ein paar Punkte mit der Steuer runter. „Wir konnten dann die Ausfälle durch den sinkenden Steuersatz mit der konkreten Mehreinnahme gegenrechnen“, schildert Zimmermann die Logik solcher Deals aus Sicht der Stadt. Für die Unternehmen erst recht. Ein Geschäft in beidseitigem Interesse. Oder doch zulasten Dritter.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikel wurde der Eindruck erweckt, die gesamte Fressnapf-Gruppe sei in Monheim steuerpflichtig. Das ist nicht der Fall. In Monheim befindet sich vielmehr das steuerpflichtige Family-Office des Gründers und Inhabers Torsten Toeller.

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