Steuern Deutschlands dreisteste Steueroase

Seite 2/3

Die Steuern sinken weiter

Zum Vergleich: Deutschland liegt in einem OECD-Ranking mit 30,2 Prozent auf dem 31. von 35 Plätzen, zwischen Griechenland und Italien. Aber darin steckt eben viel Verhandlungsmasse. Ohne Gewerbesteuer läge der Satz bei 17 Prozent, würde man die Mindestsumme von 200 Punkten aufrechnen, käme man bei gut 21 Prozent raus. Das wäre der minimal mögliche Satz. Den aber erreicht keine einzige Stadt. Unter den deutschen Großstädten verlangt Oberhausen mit 550 Punkten am meisten Steuern, Ulm und Wolfsburg mit 360 Punkten am wenigsten, Und dann ist da eben Monheim mit seinen 265 Punkten. Hundert Punkte Unterschied bedeuten ungefähr 3,5 Prozent mehr oder weniger Steuern.

In Zimmermanns Welt ergeben sich daraus Neuansiedlungen, die ablaufen wie im Falle des Chemiekonzerns Oxea. Der baut derzeit am Rheinufer sein neues Hauptquartier für 200 Mitarbeiter und kommt ausgerechnet aus Oberhausen. Der Umzug spart also fast zehn Prozent Steuern pro Jahr. Mag die Oberhausener Lokalpolitik auch schimpfen, marktwirtschaftlich lässt sich gegen so einen Umzug kaum etwas sagen. Oxea wird durch die Steuerersparnis zweifellos wettbewerbsfähiger, da Mitarbeiter und Infrastruktur gleich mit nach Monheim übersiedeln, ist es auch völlig einleuchtend, dass das Unternehmen hier, wo es die Infrastruktur der Stadt gebraucht, auch seine Steuern zahlt. Doch Oxea mag ein schönes Beispiel sein, typisch ist der Fall keineswegs. Die meisten Neuzugänge laufen anders ab, stiller.

Da ist zum Beispiel die Adresse Siemensstraße 16 b. Wieder so ein Zweckbau, nur doppelt so hoch und fast ohne Fenster. Kein Wunder, lagern und versorgen die Malteser Monheim doch hier ihre Krankenwagen, Feldküchen und Toilettenmobile. Doch wer einmal ums Haus herumgeht, der findet auch hier einen kleinen, weißen Briefkasten. Devario Invest GmbH, Tileo Beteiligungs GmbH und Toeller Solar heißt es diesmal. Hinter all den Namen steckt der gleiche Mann, Torsten Toeller, Inhaber der Fressnapf-Gruppe. Auch wenn Toellers Unternehmen am Hauptstandort in Krefeld (Hebesatz 480 Punkte) mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen mag, steuerpflichtig ist er mit seinem Family-Office hier, wo allein vom äußeren Eindruck neben dem Malteser-Hausnotruf und dem Malteser-Sanitätsdienst höchstens ein paar Dutzend Mitarbeiter Platz finden können. Ist das noch im Sinne des Steuergesetzgebers? Und der Gesellschaft? Schließlich liegt folgende Argumentation nahe: Steuern sind der Beitrag eines jeden Einzelnen, um diejenigen Leistungen zu finanzieren, die sich besser gemeinschaftlich organisieren lassen. Aber das hieße auch: Jeder zahlt da, wo er von diesen Leistungen am meisten profitiert.

Zumindest eines muss sich der Fressnapf-Gründer nicht vorwerfen lassen, dass er der Einzige wäre, der die Monheimer Steuersätze auf eher kreative Art nutzt. So hat auch die Mast-Jägermeister SE eine Adresse im Monheimer Rheinpark ohne größere Büros. Was der Standort dem Konzern bringt, darüber will man sich in der Wolfenbütteler Zentrale nicht äußern.

von Christian Ramthun, Matthias Hohensee, Tim Rahmann, Silke Wettach

Offensichtlicher ist das bei den großen Chemiekonzernen, für die Monheim eine ähnliche Bedeutung zu haben scheint wie für Apple der Steuerstandort Irland. Beispiel BASF: Der Konzern stellt den Spezialkunststoff Polyurethan eigentlich im niedersächsischen Lemförde her, knapp 1500 Mitarbeiter erarbeiten dort zwei Milliarden Euro Umsatz. Die BASF Polyurethanes Licensing GmbH aber kommt mit einem Briefkasten in Monheim aus. 22 Millionen Euro Ertragsteuern, die in Lemförde erarbeitet werden, wurden deshalb im vergangenen Jahr in Monheim gezahlt. Im internationalen Steuerjargon nennt man so etwas Lizenzboxen. Konzerntöchter werden dazu verdonnert, für ihre Produkte Lizenzgebühren an eine andere Tochter abzuführen. Das schmälert auf der einen Seite den Umsatz und erhöht ihn bei der steuergünstig angesiedelten Patentverwaltung.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%