Steuern und Recht kompakt Rechtstipp der Woche: Das Finanzamt auf eigene Faust verklagen

Vor Finanzgerichten können Steuerzahler ohne Anwalt klagen. Das Prozessrisiko lohnt aber nur, wenn es um mehr als 1000 Euro Streitwert geht.

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Teure Fehler bei der Steuererklärung
Steuerfehler Nummer 1: Ausgaben vergessenBeiträge zum Beispiel für die Riester- oder Rürup-Rente können Arbeitnehmer von der Steuer absetzen. Weil genau das beim Abschluss dieser Verträge meist als Verkaufsargument genannt wird, ist es vielen Bürgern bekannt – aber nicht unbedingt bewusst. „Aus der Praxis wissen wir, dass Steuerzahler oft vergessen, ihre Riester- und Rürup-Kosten in der Steuererklärung anzugeben“, so die Experten des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe. Sie haben sieben Fehler zusammengestellt, durch die sich Steuerpflichtige Rückzahlungen häufig entgehen lassen. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 2: Rechnungen bar zahlenHandwerker, Putzfrauen oder auch Au-pairs haben gemeinsam, dass man die Kosten in vielen Fällen von der Steuer absetzen kann - entweder als sogenannte Handwerkerleistung oder als haushaltsnahe Dienstleistung. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Steuerzahler voll auf den Kosten sitzen bleiben, wenn sie das Geld bar bezahlen. Da hilft es auch nichts, die Rechnungen aufzuheben. Ohne Kontonachweis keine Steuervorteile. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 3: Hintertür zuschlagen und außergewöhnliche Belastungen nicht angebenDer Bundesfinanzhof (BFH) hat Ende 2015 in Bezug auf außergewöhnliche Belastungen entschieden, dass die Regel zur zumutbaren Eigenbelastung nicht zu beanstanden ist. Deshalb gilt weiterhin: Nur die Krankheits-, Pflegeheim- oder Scheidungskosten, die über der eigenen zumutbaren Belastungsgrenze liegen, kann man absetzen. Für diesen zumutbaren Eigenanteil hat der BFH aber im Januar 2017 eine neue Berechnungsregelung festgelegt. Die Richter gaben den Finanzämtern vor, dass künftig schrittweise die Prozentwerte je nach Einkommenshöhe angesetzt werden müssten (VI R 75/14). So seien von den ersten 15.340 Euro nur zwei Prozent aufzubringen (306,80 Euro), von den nächsten 35.790 Euro drei Prozent (1073,70 Euro) und erst darüber vier Prozent. Im Ergebnis sinkt die zumutbare Eigenbelastung gegenüber der alten Regelung. Viele Bürger sammeln gar nicht erst die Belege für das Zahnimplantat oder die Brille, weil sie denken, dass sie mit den Kosten sowieso nicht über die Zumutbarkeitsgrenze kommen. Aber es gibt noch eine Hintertür: Stehen außergewöhnliche Belastungen an, sollten Steuerzahler versuchen, sie in einem Kalenderjahr zu bündeln, um die Zumutbarkeitsgrenze sicher zu überschreiten. Quelle: IMAGO
Steuerfehler Nummer 4: Mietvertrag mit Angehörigen nicht wasserdicht gestaltenVermietungen unter Verwandten sind nicht ungewöhnlich. Der Mieter bekommt eine Immobilie zum günstigen Preis, der Vermieter kann – trotz geringerer Miete – seine Kosten für das Objekt voll absetzen. Das geht aber nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens, die monatliche Miete beträgt mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete. Das heißt so viel wie: Zu günstig geht nicht. Zweitens … Quelle: IMAGO
… muss die Durchführung des Mietvertrags einem Fremdvergleich standhalten. Das bedeutet: Die Miete wird überwiesen und nicht bar ausgezahlt, sie wird außerdem pünktlich überwiesen, es gibt eine jährliche Nebenkostenabrechnung und ähnliches mehr. Quelle: dpa
Steuerfehler Nummer 5: Einträge vertauschenSie haben eine Fortbildung selbst bezahlt, die Kosten dafür aber nicht bei Weiterbildung sondern bei allgemeinen Werbungskosten in der Steuererklärung angegeben? Oder Sie haben Handwerkerleistungen bei den außergewöhnlichen Belastungen eingetragen? So etwas passiert Laien immer wieder. Das Finanzamt streicht dann zwar die geltend gemachten Kosten aus den falschen Zeilen raus, trägt sie aber nicht in die richtigen ein. Die Rückzahlung, die Ihnen zustehen würde, bleibt einfach aus. Quelle: dpa
Steuerfehler Nummer 6: Fristen verstreichen lassenDas Finanzamt schickt Ihnen den Steuerbescheid und Sie sind froh, dass Sie keine Steuern nachzahlen müssen? Oder Sie bekommen eine Rückzahlung, die aber geringer ausfällt als von Ihnen erwartet? Die meisten unternehmen in solchen Fällen nichts. Das könnte allerdings ein teurer Fehler sein. Denn vier Wochen nach dem Bescheid verstreicht die Einspruchsfrist. So lange können Sie den Bescheid genauer unter die Lupe nehmen oder einen Profi engagieren, der nachträglich für Sie gegenüber dem Finanzamt eintritt und etwaige Fehler behebt. Quelle: Handelsblatt Online

Fühlen sich Steuerzahler ungerecht behandelt, weil Posten aus der Steuererklärung gestrichen wurden, sollten sie Einspruch gegen den Bescheid einlegen. Wird dieser abgelehnt, bleibt nur noch eine Klage am Finanzgericht. Ein Anwalt ist dafür nicht nötig. Nach Zugang der Einspruchsentscheidung können Steuerzahler binnen eines Monats klagen. Die Klage sollte „schriftlich in zweifacher Ausfertigung“ eingereicht werden, sagt Sven Gläser, Anwalt und Steuerberater bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ebner Stolz in Stuttgart. Die Klage müsse Kläger, Finanzamt, den Steuerbescheid mit Steuerart und Datum sowie die Einspruchsentscheidung nennen. Vorsicht: Sie sollte sich meist nur gegen die Berechnung der Einkommensteuer richten, nicht gegen Soli und Kirchensteuer. Diese werden automatisch angepasst. Werden sie dennoch genannt, drohen höhere Kosten.

Recht einfach: Kleingarten

Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung sollten in Kopie beiliegen. „Nicht zu vergessen ist die Angabe des Klageziels dem Grunde und der Höhe nach, also etwa die Berücksichtigung von konkret benannten und bezifferten Aufwendungen“, sagt Anwalt Gläser. Wichtig ist die Unterschrift unter der Klage. Eine Begründung, warum der Bescheid falsch sein soll, ist sinnvoll, kann aber nachgereicht werden.

Wenigstens 284 Euro werden sofort fällig

Direkt nach ihrer Klage müssen Steuerzahler vorläufig wenigstens 284 Euro Gebühr zahlen. Diese richtet sich nach dem Streitwert, wobei mindestens 1500 Euro angesetzt werden. Hat der Fiskus die Werbungskosten um 2000 Euro gekürzt und verlangt deshalb 700 Euro mehr Steuer, liegt der Streitwert bei 700 Euro. Bei 10 000 Euro Streitwert beträgt die Gerichtsgebühr 964 Euro, ist im Verhältnis also viel geringer als bei niedrigem Streitwert. Geht es um weniger als 1000 Euro, steht das Prozessrisiko daher in keinem vernünftigen Verhältnis zum potenziellen Ertrag – es sei denn, die Erfolgsaussichten sind extrem gut. Denn am Ende des Verfahrens müssen Steuerzahler die Gebühr nur tragen, wenn sie unterliegen. Sonst bekommen sie die Gebühr erstattet; auch die gesetzlichen Gebühren eines Anwalts müsste dann das Finanzamt tragen. Laut Finanzgericht Münster geht etwa jede zweite Klage ganz oder teilweise zugunsten des Klägers aus. Ziehen Steuerzahler ihre Klage zurück, fällt die halbe Gebühr an. „Dem Finanzamt sind grundsätzlich keine Kosten zu erstatten“, sagt Anwalt Gläser.

Dass Steuerzahler als Folge der Klage mehr als vorher zahlen müssen, ist ausgeschlossen. Die festgesetzte Steuer muss aber auch im Falle einer Klage zunächst gezahlt werden. „Wird die Steuer nicht fristgerecht gezahlt, fallen Säumniszuschläge an“, sagt Anwalt Gläser. Auch die Zwangsvollstreckung ist möglich.

Wollen Steuerzahler nicht zahlen, können sie die vorläufige Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids beantragen. Wird die Aussetzung gewährt, stellt sich die Forderung letztlich aber als rechtens heraus, müssten sie dann allerdings zusätzlich sechs Prozent Zins pro Jahr zahlen.

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