Managerhaftung - bis zur privaten Insolvenz in Regress nehmen
Der Norwegische Staatsfonds will den deutschen Automobilkonzern Volkswagen auf Schadensersatz verklagen. Als Aktionär habe der Staatsfonds durch den Dieselabgasskandal Millionenverluste erlitten. Der VW-Vorstand hätte nach Ansicht der Norweger von den Manipulationen wissen müssen.
In der Regel können Aktionäre nur das Unternehmen, nicht aber die verantwortlichen Vorstände verklagen. Das ginge nur, wenn sie den Managern vorsätzliches Fehlverhalten nachweisen können, das strafrechtlich relevant ist. Dazu gehören beispielsweise illegale Insidergeschäfte mit Aktien oder das Unterschlagen von Firmengeldern. In der Praxis kommen solche Fälle sehr selten vor.
Der Regelfall ist dagegen, dass der Konzern von Aktionären verklagt und im Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer die Vorstände in Regress nimmt. „Dafür reicht schon fahrlässiges Handeln der Manager“, sagt Jan-Ulf Suchomel, Rechtsanwalt der Kanzlei Dornbach. Grundlage dafür sei das Wertpapierhandelsgesetz. Dass das Volkswagen-Management, so der Verdacht, von den Abgasmanipulationen gewusst und die Öffentlichkeit nicht informierte habe, könnte als fahrlässig gewertet werden. Gäbe es Belege für diesen Verdacht, ließen sich daraus Ansprüche auf Schadensersatz ableiten.
Falls Unternehmen Schadensersatz zahlen müssen, ginge das zunächst zulasten der Firmenkasse. Allerdings könnte der Aufsichtsrat sich das Geld vom Vorstand wiederholen. Wie viel sich Unternehmen von ihren Managern erstatten lassen können, ist nicht gesetzlich geregelt. Ein üblicher Maßstab ist die Versicherungssumme der Police, die Unternehmen für Schäden durch Managementfehler abschließen. Theoretisch können Aktiengesellschaften ihre Vorstände bis zur Privatinsolvenz in Haftung nehmen.
Recht einfach: Selbstanzeigen
Ein Anleger besaß Schwarzgeldkonten und -depots bei drei Schweizer Banken, darunter Julius Bär. Als die Medien 2012 berichteten, dass Nordrhein-Westfalen eine CD mit Julius-Bär-Daten gekauft hatte, erstattete der Mann Selbstanzeige. Was er nicht wusste: Die Behörden hatten seine Tat zu diesem Zeitpunkt schon entdeckt, allerdings noch kein Strafverfahren eingeleitet. Trotzdem sei die Selbstanzeige ungültig, entschied das Oberlandesgericht Schleswig (2 Ss 63/15). Dass der Mann noch nichts von seiner Entdeckung wusste, sei unerheblich. Entscheidend sei, dass er wegen der Medienberichte mit Entdeckung „rechnen musste“.
Das Oberlandesgericht Hamm urteilte in einem ähnlichen Fall ebenso (5 RVs 119/15). Die Richter stellten klar: Angesichts „verbesserter Ermittlungsmöglichkeiten“ und der intensiveren internationalen Kooperation müssten Hinterzieher früher als bisher damit rechnen, dass sie aufgeflogen sind. Schon wenn die Tat entdeckt sei und der Täter dies „nur befürchten musste“, sei eine Selbstanzeige ungültig.
Beide Gerichte beriefen sich auf ein Urteil, in dem der BGH 2010 mehrere Vorgaben für Selbstanzeigen aufgestellt hat (1 StR 577/09). In ihrem Votum machten die Karlsruher Richter zudem deutlich, dass auch der Zeitpunkt der „Entdeckung“ früher erreicht sein kann, als viele glauben. Bei Anlageprodukten oder Firmenvehikeln, die „nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz“ für Hinterziehung sind, reicht es schon, wenn die Beamten den Namen des Anlegers oder Gründers erfahren – ein Abgleich mit der Steuererklärung ist nicht mehr nötig.
Üblicher ist es, sich auf eine Summe zu einigen, die dem Gehaltsniveau des Managers angemessen ist. So zahlte der Exvorstandschef Rolf Breuer nach einem Vergleich in diesem Jahr 3,2 Millionen Euro an die Deutsche Bank. Damit beglich er einen Teil des Schadens, den seine Äußerungen von 2002 über die Zahlungsfähigkeit des inzwischen verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch ausgelöst hatten. Die 3,2 Millionen Euro entsprechen dem Dreifachen seines damaligen Grundgehalts – ohne Boni.
Dass Unternehmen Manager in Regress nehmen, ist nicht selbstverständlich. Oft sind Vorstand und Aufsichtsrat eng verbandelt. Daher scheuen sich Aufsichtsräte Vorstände finanziell haftbar zu machen. Von alleine kamen die Konzerne nicht auf die Idee, Vorstände am Schaden zu beteiligen. Erst musste der Bundesgerichtshof 1997 feststellen, dass der Aufsichtsrat verpflichtet ist, beim Vorstand Geld für den von ihm verursachten Schaden einzutreiben (II ZR 175/95).
Bisher sieht Volkswagen kein Mitverschulden des Vorstands am Dieselskandal. Dass der Aufsichtsrat sich einen Teil des Geldes bei den VW-Vorständen wiederholt, das der Konzern unter anderem als Entschädigung an Autokunden zahlen muss, ist momentan unwahrscheinlich.