Sobald Anlagebetrüger auffliegen, tickt für Geschädigte die Uhr. Denn sie müssen möglichst schnell Vermögen sichern und pfänden. Schließlich gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst; Juristen sprechen vom „Windhundrennen“.
Anleger, die als Erster ein Konto oder eine Immobilie pfänden, erhalten also alles – und nur, wenn der gesicherte Betrag höher ist als ihr Schaden, kommt der Zweitplatzierte auch noch zum Zug. In der Regel geht die große Mehrheit der Anleger leer aus.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will dies nun ändern. In der vergangenen Woche hat er den Entwurf für ein „Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ präsentiert. Es soll dafür sorgen, dass Privatvermögen von Anlagebetrügern in Zukunft gleichmäßig unter den Geschädigten verteilt wird – in einem klassischen Insolvenzverfahren.
Pfändungsverfahren sind hoch komplex
Staatsanwälte stellen im Rahmen ihrer Ermittlungen schon jetzt Privatvermögen vermeintlicher Anlagebetrüger vorläufig sicher, um zu verhindern, dass es in dunklen Kanälen verschwindet. Diese „Rückgewinnungshilfe“ ist eine Art Dienstleistung der Behörden für Geschädigte, die so nicht mehr selbst nach Vermögen fahnden müssen.
Recht einfach: Schwarzfahrer
Ein Mann wollte die Deutsche Bahn überlisten. Auf ein Stück Papier schrieb er: „Ich fahre schwarz.“ Den Zettel heftete er an seine Wollmütze. Dann stieg er in den ICE und suchte sich einen Platz. Dem verblüfften Schaffner erklärte der Mann, er habe keine Beförderungsleistung erschlichen – schließlich stünde seine Absicht gut lesbar auf seiner Mütze. Die Richter sahen das anders. Erschlichen werde eine Leistung bereits dann, wenn jemand so tue, als erfülle er die Geschäftsbedingungen der Bahn. Genau das habe der Mann getan, als er normal in den Zug stieg und einen Platz einnahm (Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 118/15).
Ein Verkehrsbetrieb in Thüringen erwischte einen 14-Jährigen beim Schwarzfahren. Dafür sollte der 40 Euro zahlen. Das Amtsgericht Jena sprach den Verkehrsbetrieben ihren Anspruch jedoch ab. Nach Ansicht der Richter könne ein Minderjähriger gar keinen gültigen Beförderungsvertrag abschließen. Somit könnten die Verkehrsbetriebe auch kein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen (Amtsgericht Jena, 22 C 21/01).
Ein Berliner Schüler verlor auf dem Weg zur U-Bahn seine Monatskarte. Trotzdem nahm er die Bahn. Bei einer Kontrolle konnte der Schüler keine Karte vorzeigen. Das Berliner Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Schüler wegen Schwarzfahrens zu 20 Stunden Freizeitarbeiten. Die Richter des Berliner Kammergerichts hoben das Urteil aber auf. Dem Verkehrsbetrieb sei kein Schaden entstanden, denn der Schüler habe seine Monatskarte gezahlt. Daher sei es egal, ob der Schüler die Karte bei sich habe oder nicht (Kammergericht Berlin, (4) 121 Ss 113/12 (149/12).
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte zum Beispiel im Fall S&K nach eigenen Angaben bereits 2013 rund 55 Millionen Euro sichergestellt. Die Krux: Das Vermögen ist zwar vorläufig gesichert – um ranzukommen, müssen Opfer aber selbst aktiv werden.
Und dafür brauchen sie meist findige Anwälte, die nicht nur früh Akteneinsicht beantragen, sondern auch die Tücken des komplexen Pfändungsverfahrens kennen: Schließlich gilt es, im ersten Schritt den Anspruch auf einen Vermögenswert zu sichern („dinglicher Arrest“) und dann eine Zwangsvollstreckung einzuleiten, sobald die Schuld des Betrügers erwiesen ist. Das Verfahren sei „mit zahlreichen rechtlichen Zweifelsfragen belastet“ und „in hohem Maße fehleranfällig, heißt es im Bundesjustizministerium (BMJ). „Nicht selten scheuen Geschädigte Kosten und Aufwand für dieses komplizierte und mit unsicheren Erfolgsaussichten behaftete Verfahren.“
Schnellgericht
Die Kosten eines Scheidungsverfahrens sind weiter als außergewöhnliche Belastung absetzbar (Finanzgericht Köln, 14 K 1861/15). Anwalts- und Gerichtsgebühren bei einer Scheidung seien keine klassischen „Prozesskosten“, die seit einer Gesetzesverschärfung im Jahr 2013 nicht mehr als „außergewöhnliche Belastung“ gelten. Die Richter stellten sich damit – anders als etwa das Niedersächsische Finanzgericht – gegen die Finanzverwaltung.
Zahlen Kommunen einen freiwilligen Zuschuss für die Kita, dürfen davon nicht nur Eltern profitieren, deren Kinder eine kommunale Einrichtung besuchen (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 12 S 638/15). Die Richter gaben damit einem Paar recht, das sich für einen Waldorf-Kindergarten entschieden hatte und ebenfalls einen Zuschuss forderte.
Wer über sogenannte Filesharing-Portale Filme, Lieder oder andere Dateien zur Verfügung stellt, muss mit teuren Abmahnungen rechnen. Bei Wohngemeinschaften müssen Abmahner allerdings nachweisen, dass der Abgemahnte selbst und nicht ein Mitbewohner verantwortlich ist, meint das Amtsgericht Köln (137 C 17/15).
Jetzt soll deshalb alles einfacher und gerechter werden. Maas spricht von einer „grundlegenden Neuregelung der Opferentschädigung“ – ohne Windhundrennen. Konkret bedeutet das: Sobald das Urteil wegen Anlagebetrugs rechtskräftig ist, werden gesicherte Vermögensgegenstände „verwertet“ und der Erlös an die Geschädigten „ausgekehrt“.
Neues Verfahren greift nur für künftige Fälle
Reicht das Geld nicht, um alle Schadensersatzansprüche zu bedienen, beantragt die Staatsanwaltschaft ein Insolvenzverfahren, in dessen Rahmen jeder Anleger einen bestimmten Prozentsatz seines Geldes zurückbekommt.
Opfern aktueller Skandale bringt das noch nichts. Bei der Abschöpfung sei die Rechtslage zur „Tatzeit“ entscheidend, teilt das BMJ auf Anfrage mit. Vorerst gelten die alten Regeln also weiter, auch wenn das neue Gesetz in Kraft getreten ist. Wegen EU-Vorgaben muss das bis 4. Oktober geschehen.
Steuerpflicht, Testament und Unterhalt
Steuerpflicht: Fiskus will ans Welteinkommen
Der Fiskus versucht mit wachsender Entschlossenheit, auch im Ausland erzielte Einkünfte lückenlos zu besteuern. 2015 sorgte der Fall eines Ryanair-Piloten für Schlagzeilen, der auch den jenseits der Grenzen erarbeiteten Lohn hier versteuern sollte. Allerdings stellte der Bundesfinanzhof klar: Die bereits vom irischen Staat besteuerten Einkünfte müssten laut Steuerabkommen in Deutschland außen vor bleiben (I R 69/14). Weniger Glück hatte nun in erster Instanz ein selbstständiger Programmierer, der bei einer niederländischen Firma als IT-Spezialist gearbeitet hatte: Das Finanzgericht Düsseldorf entschied, dass er sein Honorar in Deutschland versteuern muss (13 K 952/14). Laut Steuerabkommen seien die Niederlande nur am Zug, wenn Selbstständige aus Deutschland in einer „Einrichtung“ arbeiten, die ihnen „dauerhaft“ zur Verfügung steht. Der Mann habe aber in einem Konferenzsaal der Firma gearbeitet, den er nicht exklusiv nutzen durfte. Zudem habe er keinen Schlüssel bekommen.
Testament: Umstrittener Erbverzicht
Nach dem Tod seines Vaters ging ein Mann zunächst leer aus: Seine Mutter wurde Alleinerbin. Das Testament sah aber vor, dass er nach ihrem Tod das verbleibende Vermögen und – unabhängig davon – fünf Jahre nach Vaters Tod eine Geldsumme in Höhe des Erbschaftsteuerfreibetrags (damals 205.000 Euro) samt Zinsen für fünf Jahre erhalten sollte. Doch als es so weit war, forderte er das Geld nicht ein. Das Finanzamt verlangte trotzdem Steuern auf die Zinsen von 51 000 Euro. Der Bundesfinanzhof befand das nun für falsch: Der Mann habe nichts kassiert und müsse somit auch keine Steuern zahlen (VIII R 40/13) – zumindest nicht im Streitjahr. Das Problem: Im Jahr darauf hatte er einen offiziellen Verzicht erklärt; die Mutter verzichtete dafür auf Nutzungsrechte an seinen Häusern. Diese Gegenleistung sei „wirtschaftlich“ als Zinseinnahme zu werten, so die Richter. Nur wahrer Verzicht bringt Steuervorteile.
Unterhalt: Was verdient die Ex?
Im Rahmen eines Unterhaltsstreits engagierte ein Mann einen Detektiv, der herausfinden sollte, „ob und in welcher Höhe“ seine Ex dem Finanzamt Einnahmen meldet. Zwei Tage später berichtete dieser, sie gehe „aktuell keiner Tätigkeit nach“. Der Mann wollte daraufhin nur 500 Euro Pauschalgebühr und nicht das Erfolgshonorar von 3000 Euro zahlen: Er habe dem Detektiv erklärt, dass er Steuerdaten brauche – und dieser habe suggeriert, sie beschaffen zu können. Das Amtsgericht München verdonnerte ihn dennoch zur Zahlung (262 C 7033/15). Laut Vertrag seien die 3000 Euro bereits bei „Erlangung von Informationen“ fällig. Welche genau, sei nicht geregelt. Zudem habe der Detektiv die „mündliche Vereinbarung“ bestritten.