Steuern und Recht kompakt Rechtstipp der Woche: Selbst Normalverdiener sind vom Mindestlohn betroffen

Die neue Lohnuntergrenze wirkt sich nicht nur auf Geringverdiener aus. Auch Normalverdiener können Anspruch auf mehr haben. Außerdem gibt es Neues zu Kontrollen von Barzahlungen und Immobilien.

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Eine Angestellte sitzt an ihrem Schreibtisch Quelle: dpa

Seit Jahresanfang sind Stundenlöhne unter 8,50 Euro nicht mehr zulässig. Der neue Mindestlohn gilt – mit wenigen Ausnahmen – für alle. Doch wer bei den Betroffenen nur an Putzkräfte, Friseure oder Callcenter-Mitarbeiter denkt, irrt. „Auch Normalverdiener können schnell unter die 8,50 Euro rutschen, wenn ihr Fixgehalt nur einen geringen Anteil des Gesamtgehalts ausmacht“, sagt Michael Huth, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ebner Stolz in Hamburg.

In der Praxis lägen die nach dem Mindestlohn anerkannten Beträge oft deutlich unter der Lohnsumme. Großunternehmen hätten das meist auf dem Schirm. „Kleine und mittelgroße Unternehmen ohne Rechts- oder Steuerabteilung aber sind darauf teilweise noch unzureichend vorbereitet“, sagt Huth. So kann zum Beispiel ein Vertriebler im Außendienst bei 3000 Euro Durchschnittsverdienst pro Monat und 40-Stunden-Woche zu wenig verdienen– obwohl er, rein rechnerisch, auf über 17 Euro pro Stunde kommt.

Recht einfach: Putzen

Dahinter stecken die Details des Mindestlohns. Auf jeden Fall angerechnet werden nämlich nur das Fixgehalt sowie monatlich ausgezahlte Garantieprämien. Im Musterfall könnte das Fixgehalt bei nur 1000 Euro pro Monat liegen, was 6,94 Euro pro Stunde entspricht. Die restlichen 2000 Euro Monatsverdienst blieben voraussichtlich außen vor. Das könnte eine jährliche variable Erfolgsprämie sein, angenommen wurden 6000 Euro. Gleiches gilt für einen pauschalen Spesenersatz (500 Euro pro Monat), den Gegenwert der Privatnutzung eines Dienstwagens (400 Euro), betriebliche Altersvorsorge (300 Euro), jährliches Weihnachtsgeld (umgerechnet 100 Euro pro Monat) und möglicherweise auch Überstundenzuschläge (200 Euro).

Ob Zuschläge zählen, ist noch unklar

Ob Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit beim Mindestlohn berücksichtigt werden, ist noch strittig. Auch bei Zulagen für Schichtarbeit und bei Sachbezügen, wie dem zu versteuernden Vorteil aus einer Privatnutzung des Dienstwagens, ist die Rechtslage unklar.

In Branchen, in denen variable Gehaltsbestandteile wie Akkordprämien der Trinkgeld von Bedeutung sind, kann der Mindestlohn schnell greifen. So könnte eine Schneiderin in einer Großschneiderei zwar rund 2000 Euro im Monat verdienen. Würden davon aber nur 1300 fest gezahlt, der Rest als Akkordprämie (650 Euro), Weihnachtsgeld und vermögenswirksame Leistung, entspräche das bei einer 40-Stunden-Woche nur 7,51 Euro Stundenlohn – zu wenig. Auch bei einer Berufseinsteigerin in der Medienbranche, die zwar ihre ganze IT-Ausstattung gestellt bekommt, aber fest nur 1400 Euro verdient, wäre der Lohn zu niedrig.

Betroffene Unternehmen würden meist die Fixgehälter anheben und dafür andere Gehaltsbestandteile senken, berichtet Anwalt Huth. Allerdings würden leistungsabhängige Zahlungen meist nur in geringem Umfang ersetzt. Aus Angestelltensicht führt das zu weniger Geld, aus Unternehmenssicht zu geringeren Leistungsanreizen.

Kontrollen - Strengere Regeln für Bargeld

Trotz aller Unkenrufe ist ein Bargeld-Verbot nicht in Sicht. Doch der Staat verschärft die Kontrollen von Barzahlungen, um Steuerhinterzieher und andere Kriminelle zu enttarnen. Das zeigen Gesetze, Verwaltungsanweisungen und Urteile. So sinkt mit der neuen „EU-Geldwäscherichtlinie“ die Schwelle für verdächtige Bargeldgeschäfte von 15.000 auf 10.000 Euro. Ab dieser Schwelle müssen etwa Autohändler und Juweliere Personalien dokumentieren. Dadurch soll es schwerer werden, illegale Erträge in Wertgegenstände zu verwandeln. Nachdem sich Kommission, Mitgliedstaaten und EU-Parlament im Januar auf das Regelwerk geeinigt hatten, hat der EU-Rat die Richtlinie am 20.April verabschiedet. Das Parlament wird voraussichtlich in der kommenden Woche formal zustimmen. Dann hat die Bundesregierung zwei Jahre, das Regelwerk umzusetzen.

Schnellgericht

Bereits seit Jahresbeginn sind Unternehmen verpflichtet, Einnahmen detaillierter zu erfassen, sodass Finanzbeamte Zugriff auf die Daten haben. Kassensysteme müssen Bargeschäfte einzeln speichern, sodass nachträgliche Änderungen unmöglich sind. Kassen, die dazu nicht in der Lage sind, dürfen nur bis Ende 2016 eingesetzt werden. Der Bundesfinanzhof hat schon klargestellt, dass die Einzelspeicherung zumutbar ist und dass Betriebsprüfer die Daten einsehen dürfen (X R 42/13).

Dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) reicht das nicht. Er hat eine Bundesratsinitiative angeschoben, um Kassen und Taxameter mit Smartcards nachzurüsten, die die Physikalisch- Technische Bundesanstalt entwickelt hat. Die Bundesregierung prüft ebenfalls den Einsatz der Smartcards und „weiterer flankierender Maßnahmen“, wie das Bundesfinanzministerium im April in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen mitgeteilt hat. Die Karten allein reichten aber auch nicht, um Manipulation auszuschließen. Ebenfalls denkbar wäre ein „Fiskal- Speicher“, auf den Behörden direkten Zugriff hätten.

Immobilie - Hobbykeller ist kein Wohnraum

Ein Eigentümer aus Wiesbaden vermietete Räume im Keller eines Mehrparteienhauses als Wohnraum. Laut Teilungserklärung der Eigentümergemeinschaft handelte es sich um Hobbyräume, Keller und Flur. Eine andere Eigentümerin forderte daher, er solle die Räume künftig nicht mehr als Wohnraum nutzen. Doch der Mann gab nicht nach. Die Räume würden seit 28 Jahren so genutzt. Ansprüche auf Unterlassung seien verjährt und verwirkt; er habe auf die Mieteinnahmen vertrauen dürfen. Der Bundesgerichtshof
sah das anders: Ansprüche seien nicht verjährt. Schließlich gehe es nicht nur um die erstmalige Nutzung der Räume als Wohnraum, sondern auch um die anhaltende Nutzung. Da der Eigentümer kürzlich Wohnungen neu vermietet habe, dürften sich Miteigentümer auf jeden Fall auf die Einhaltung der Teilungserklärung berufen (V ZR 178/14).

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