Steuersparmodelle Die Meldepflicht ist ein Offenbarungseid

Ferdinand Rüchardt ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Vorstand der Ecovis AG Steuerberatungsgesellschaft.

Steuerberater sollen legale Sparmodelle melden müssen. Das wäre ein massive Pflichtverletzung, sagt Gastkommentator Ferdinand Rüchardt vom Steuerberatungsunternehmen Ecovis. Er bezieht deutlich Stellung gegen die Pläne.

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Mit einem Richtlinienentwurf der EU-Kommission hatte es angefangen. Die EU wollte, dass potenziell aggressive grenzüberschreitendende Steuergestaltungsmodelle künftig veröffentlicht werden müssen. Der Richtlinienentwurf soll zum 1. Januar 2019 umgesetzt werden. Die Mitgliedsstaaten der EU versprechen sich davon ein wirksames Mittel im Kampf gegen die Aushöhlung ihrer nationalen Steuerbemessungsgrundlagen durch unfairen Steuerwettbewerb einzelner Staaten – und natürlich mehr Steuereinnahmen.

Dabei soll es nicht bleiben. Wie so oft scheint Deutschland es mit der Umsetzung dieser Pläne besonders genau zu nehmen. Statt nur grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle ins Visier zu nehmen, plant die deutsche Politik auch rein nationale und legale Gestaltungen unter eine solche Anzeigepflicht zu stellen. Diesen Beschluss fasste die Finanzministerkonferenz der Länder am 9. November 2017.

Über die Gründe dafür können wir nur spekulieren. In Zeiten von Hochkonjunktur und sprudelnden Steuereinnahmen sind Steuererhöhungen nicht durchsetzbar. Andererseits sitzen der Bund, die Länder und die Gemeinden auf einem Pulverfass aus Pensionsverpflichtungen, denen sie in irgendeiner Art und Weise nachkommen müssen. Deswegen suchen sie nach neuen Geldquellen.

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Die Unterschiede zwischen grenzüberschreitenden und rein nationalen Steuergestaltungen liegen auf der Hand. Die bisher bekannten internationalen aggressiven Gestaltungen haben in der Regel das Ziel, dass Gewinne aus einem „normal besteuernden“ Land in ein Land verlagert werden, in dem es eine verschwindend niedrige Steuer gibt. Das führt dazu, dass Gewinne und Einkommen nicht in dem Staat versteuert werden, in dem sie erzielt wurden. Bei rein nationalen Gestaltungen hingegen gibt es solche Möglichkeiten nicht. Denn zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es keinen Steuerwettbewerb.

Die Pläne der deutschen Politik gehen damit weiter als eigentlich auf EU-Ebene angedacht. Hindern will die EU-Kommission die Mitgliedstaaten daran aber nicht.

Wir halten diesen Plan für gefährlich – und für extrem schädlich. Natürlich hat das auch mit unseren eigenen Interessen zu tun. Klar, dass wir uns als Steuerberater nicht abschaffen wollen. Doch es geht um mehr. Wir fürchten, ganz einfach ausgedrückt, dass auf diese Weise eine Art Steuerpolizeistaat entsteht. Denn es würde bedeuten, dass wir als Steuerberater unseren Mandanten zu legalen Steuergestaltungen raten und diese Gestaltungen gleichzeitig beim Finanzamt melden.

Und was passiert dann? Unterbindet das Finanzamt die Gestaltung? Müssen unsere Mandanten dann mit Sanktionen rechnen? Oder hat der Steuerberater mit Sanktionen zu rechnen, der die Steuergestaltung anzeigt?

Und wer wertet die ganzen Meldungen aus? Bei 80.000 Steuerberatern in Deutschland und zwei Mandantengesprächen täglich könnte das 160.000 Meldungen pro Tag ergeben. Bei 220 Arbeitstagen im Jahr käme grob über den Daumen ein Datenwust von 35,2 Millionen Meldungen zusammen. Sollen das die Finanzbeamten auswerten und mit welchem Zeitbudget?

Aber das ist nicht unser Problem. Viel schwerwiegender in unseren Augen ist es, dass wir unsere Verschwiegenheitspflicht und das Vertrauensverhältnis gegenüber unseren Mandanten verletzen würden. Und selbst wenn wir als Steuerberater keine Namen nennen, so würden alle Mandanten überprüft, die wir vertreten. Denn die Finanzverwaltung kann ja ganz einfach herausfinden, welche Mandanten der Meldende betreut.

Grundsätzlich fragen wir uns: Gilt ein Steuerberater noch als unabhängiges Organ der Rechtspflege, wenn er Gestaltungen melden muss oder macht er sich dadurch schon zum Erfüllungsgehilfen der Finanzverwaltung? Ist ein Steuerberater dann noch in der Lage, seine Mandanten unabhängig zu beraten und dessen Interessen zu vertreten?

Ich will jetzt nicht die Verfassungs- und die Gewaltenteilungsfrage stellen. Aber führt nicht der Fiskus dem Gesetzgeber schon heute ausreichend die Hand? Will er jetzt noch die unabhängigen Gerichte aushöhlen? Weil er aufgrund der Meldung einer Steuergestaltung das Gesetz schon ändern kann, bevor der Steuerpflichtige überhaupt den Rechtsweg einschlägt. Es gibt schon einen Grund, warum die Organe der Rechtspflege unabhängig agieren sollen und müssen: Der funktionierende Rechtsstaat!

Bislang hält sich die Kritik an den Plänen in Grenzen. Nur die Verbände und Kammern der Steuerberater haben Kritik geäußert. Vermutlich haben einzelne Steuerberater Sorge, sonst unter Verdacht zu geraten, wenn sie sich selbst zu Wort melden und gegen die Pläne rebellieren.

Ich halte das für einen Fehler. Wir müssen jetzt Stellung beziehen. Uns wird angelastet, dass wir den gesetzlichen Rahmen für Steuergestaltungen nutzen. Aber genau das erwarten Mandanten von ihren Steuerberatern. Genau das ist unser Job.

Vielleicht ist das Thema zu komplex und läuft daher Gefahr in der derzeit politischen Diskussion unterzugehen. Schnell scheinen die Rollen von Gut und Böse in dieser Debatte verteilt zu sein. So einfach ist es aber nicht.

Die Folgen einer solchen Anzeigepflicht wären gravierend. Der Staat würde alle Bürger unter einen Generalverdacht stellen, wenn sie auch nur den von ihm gegebenen Spielraum ausnutzen möchten. Das ist ein Offenbarungseid und zeigt, dass der Staat seinen eigenen Steuerregeln wohl nicht traut. Warum, bitte, sollen dass nun die Steuerberater ausbaden? Es ist Zeit, darüber sachlich zu diskutieren, um Schlimmeres zu verhindern.

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