Wer die wohl elitärste Veranstaltung der deutschen Hauptstadt sucht, der muss in den Berliner Westen fahren. Immer die Bundesstraße 1 entlang, bis kurz vor die Stadtgrenze. Dann einmal nach links und gleich wieder rechts in den Golfweg, eine Privatstraße versteht sich. Nur Mitglieder des Golfclubs Wannsee dürfen hier passieren: Millionäre und Milliardäre, Exbundespräsidenten, „Tatort“-Kommissare und Wirtschaftsbosse. Aufgenommen wird nur, wer von mindestens zwei Mitgliedern persönlich empfohlen wird, sich mit Anschreiben und Lebenslauf bewirbt und dann vor dem Aufnahmeausschuss besteht.
2500 Euro beträgt die Jahresgebühr, dazu kommt alle zehn Jahre eine Investitionsumlage von 5100 Euro. Zusätzliche Spenden machen sich immer gut: Manche geben regelmäßig ein paar Hundert Euro gegen Quittung, Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn überwies mal 45.000 Euro am Stück. Sponsoren wie BMW, Hublot oder Total geben ebenfalls gerne Geld. Die wohl größte Unterstützung aber leistet der Staat. Denn offenbar frönen die Mitglieder des noblen Golfclubs nicht nur dem gepflegten Rasensport – sondern auch dem Wohle der Menschheit. So sehen sie es jedenfalls selbst und haben ihren Verein als gemeinnützig anerkennen lassen.
So war es bisher. Und so hätte es womöglich bleiben können, wenn nicht vor zwei Jahren den hauptstädtischen Steuereintreibern und Staatsanwälten Zweifel am wohltätigen Werk der Wannsee-Golfer gekommen wären. Sie ermitteln, unter anderem wegen des Verdachts, der Verein habe versteckte Aufnahmegebühren in Form von Spenden erwartet. So hätten die Mitglieder das Geld steuerlich absetzen können. 6,4 Millionen Euro, schrieb das Finanzamt an den Golfclub, habe man nachzuzahlen.
Steuersparende Stiftungen und Vereine
„Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts Steuerbegünstigte Zwecke der Abgabenordnung.“
Bis zu 20.000 Euro Aufnahmegebühr verlangt der elitärste Golfclub der Hauptstadt. Gleichzeitig beruft man sich auf den Status der Gemeinnützigkeit. 6,4 Millionen Euro, argumentieren Staatsanwaltschaft und Finanzamt nun, habe der Club auf diesem Wege zu wenig an Steuern gezahlt.
„Gemeinnützig für die Bildung in den Bereichen Wehrtechnik, Verteidigungswirtschaft, Bündnisfähigkeit und Sicherheitspolitik. Sie ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“
Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik vereint Vertreter aller großen Unternehmen der Verteidigungsbranche in ihrem Präsidium, dazu Politiker und Generäle. Mindestens 500 Euro Beitrag zahlen Unternehmen pro Jahr an die DWT. Auch sie ist: gemeinnützig.
„Zweck des Vereins ist es, die Probleme der Umwelt ... bewusst zu machen und die Beeinträchtigung oder Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zu verhindern.“
Die Umweltschutzorganisation muss ihren Status als gemeinnützige Einrichtung verteidigen. Der Grund: Seit einigen Monaten hilft Greenpeace bei der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer. Das aber könnte in Konflikt mit der eigenen Vereinssatzung stehen. Laut dieser ist der Zweck von Greenpeace ausschließlich gemeinnützig.
„Fühlt sich in hohem Maße dem Gedanken des Fair Playverbunden. Seiner besonderen Förderung unterliegt auch der Freizeit-und Breitensport.“
Auch der Deutsche Fußball-Bund beruft sich auf seine wohltätigen Dienste. 2015 schloss der Verband bei einem Ertrag von 228 Millionen Euro mit einem Ergebnis von 3,5 Millionen Euro ab. Der Großteil seiner kommerziellen
Aktivitäten ist an Töchter ausgelagert.
Bis heute bestreitet man am Wannsee die Vorwürfe und geht von einer Einstellung des Verfahrens aus. Alles andere könnte den Verein in existenzielle Nöte bringen – und dürfte eine bundesweite Debatte eröffnen über die Schattenseiten der boomenden Gemeinnützigkeit im Land.
Jede Woche werden hierzulande inzwischen elf neue Stiftungen gegründet und mehr als 1100 Vereine. Auch die Zahl der gemeinnützigen GmbHs und AGs steigt stetig: Gab es 2012 noch gut 614.000 mildtätige Körperschaften, waren es 2015 schon mehr als 670.000. Die Bruttowertschöpfung des Sektors kratzt laut dem Verband Zivilgesellschaft in Zahlen an der 100-Milliarden-Euro-Grenze. An sich ist das eine gute Sache: Gönner sind wichtige Pfeiler der Zivilgesellschaft. Sie überbringen eine kaum zu überschätzende Botschaft: dass es in einem Gemeinwesen um so viel mehr geht als ökonomischen Erfolg und optimale Ressourcennutzung.
Doch immer häufiger weicht die Mission dem Missbrauch. Denn egal, ob die Stiftungen und Vereine – wie viele – wirklich der Gemeinschaft dienen oder nicht doch eher dem Wohl ihrer Gründer: Sind sie einmal als gemeinnützig anerkannt, erfreuen sie sich großzügiger Steuervorteile. Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer werden dann erlassen. Auch Mitgliedsbeiträge und Aufwendungen für Veranstaltungen können dann bei der Steuererklärung angegeben werden. Der aktuelle Subventionsbericht der Bundesregierung geht von 2,4 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen allein für 2016 aus, die dadurch entstehen.
Steuern: So viel Geld nimmt der Bund bis 2020 ein
Nach Informationen des Bundesfinanzministeriums hat der Bund im vergangenen Jahr (2015) 281,6 Milliarden Euro durch Steuergelder eingenommen.
Quelle: BMF (Arbeitskreis Steuerschätzungen), Stand: Mai 2016
Für das Jahr 2016 prognostizieren Experten noch etwas höhere Steuereinnahmen des Bundes als im Vorjahr, nämlich 290,1 Milliarden Euro.
2017 soll die 300-Milliarden-Euro-Marke überschritten werden. Die geschätzten Steuereinnahmen des Bundes liegen bei 301,8 Milliarden Euro.
Für das Jahr 2018 sagt der Arbeitskreis "Steuerschätzung" 315,7 Milliarden Euro Steuereinnahmen des Bundes voraus.
328,2 Milliarden Euro werden es - laut Expertenschätzungen - im Jahr 2019 sein.
2020 werden die Steuernahmen des Bundes bei schätzungsweise 339,9 Milliarden Euro liegen.
Nur 230 der bundesweit 700.000 spendenabzugsberechtigten Einrichtungen lassen sich ihren guten Zweck vom dafür vorgesehenen Prüfinstitut DZI bescheinigen. Der Rest? Dunkelziffer. Einen „zunehmenden Missbrauch“ beklagt die Deutsche Steuer-Gewerkschaft und warnt vor den „Bauchschmerzen“, die viele Finanzbeamte bei der Genehmigung gemeinnütziger Körperschaften hätten.
Nach einer Stunde Vortrag zur transatlantischen Sicherheitspolitik wird Gerhard Schempp deutlich: „Solche parlamentarischen Abende sind auch dafür da, Zusammenhänge aufzuzeigen“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT). „Deshalb möchte ich zwei Partner erwähnen, die uns dieses Treffen ermöglicht haben: Lockheed Martin und MBDA. Danke fürs Budget.“ Pause. „Ähh, fürs Buffet.“ Dann bittet der drahtig-große Mann, graues Haar und immer um Coolness bemüht, in den Raum Sylt des Golden Tulip Hotels in Berlin. Dort haben die Rüstungsfirmen aufgetischt: Rotwein und Bier, Currywurst, Bratkartoffeln, Hackbraten, Reis, Rollmops und Schmalzbrot. Man mag es deftig in der Wehrindustrie.