Streitfall des Tages Wenn Spender abgezockt werden

Jedes Jahr spenden die Bundesbürger Milliarden Euro für wohltätige Zwecke. Aber jede fünfte Organisation ist fragwürdig. Mit welchen Geschäftsmodellen Betrüger reich werden und woran Spender schwarze Schafe erkennen.

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Der Schmu des Tages. Illustration: Tobias Wandres

Der Fall

„Jeden Tag sterben 75 Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr im Sudan. Bitte beenden Sie diese Tragödie.“ So beginnen Briefe vom World Children’s Fund Deutschland e. V., die unlängst in tausenden Briefkästen zu finden waren.

Einige davon wurden weitergeleitet zu Charitywatch, einem Internetportal, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, Betrügereien in diesem Segment aufzudecken. Die Art der Spendenwerbung ist äußerst aggressiv: Ein beigelegtes Halstuch, ein Rosenkranz oder ein Nähset verlocken zum Öffnen. Danach können sich Leser den herzzerreißenden Bildern von abgemagerten Kindern kaum entziehen.

Zuguterletzt wird Druck gemacht: „Bitte helfen Sie schnell - jeden Tag, den wir warten, werden wieder 75 Kleinkinder sterben!“, so lautet der letzte Satz des Schreibens. Seit mehreren Jahren warnt das Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) vor dieser Organisation. Denn was jedoch genau mit dem Geld passiert ist, steht nicht im Jahresbericht, der auf der Website eingesehen werden kann.

Die DZI Spenderberatung habe sich mehrfach bemüht, zuletzt im August 2011, von den Verantwortlichen der Organisation konkrete aussagekräftige Informationen über deren Arbeit zu erhalten. Dem Auskunftsersuchen habe die Organisation nicht entsprochen. Der DZI könne damit unter anderem nicht beurteilen, ob der World Children's Fund Deutschland e.V. vom zuständigen Finanzamt als steuerbegünstigt im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung anerkannt und folglich berechtigt ist, Spendenbescheinigungen für steuerliche Zwecke auszustellen.

Bereits im Oktober 2007 musste sich die Organisation dazu verpflichten, alle Spendensammlungen durch Spendenmailings sowie den Einzug von Geldspenden in Rheinland-Pfalz einzustellen. Stefan Loipfinger, Gründer von Charitywatch, stellt jedoch fest: „Trotz der Warnung und dem Sammlungsverbot, die vor einigen Jahren ausgesprochen wurden, stiegen die Einnahmen des World Children’s Fund Deutschland e. V. im selben Zeitraum von 2,4 auf 7,5 Millionen Euro.“

Die Gegenseite

Auf Anfrage von Handelsblatt Online hat der World Children Funds Deutschland e.V. zu dem Fall bisher nicht Stellung genommen.


Die Relevanz

„Solche Briefe häufen sich vor allem in den Briefkästen von Menschen, die bereits der einen oder anderen Organisation Geld gespendet haben,“ berichtet Loipfinger. Dabei verpflichten sich Organisationen, die Mitglieder im Deutschen Spendenrat sind, Regeln in punkto Werbung einzuhalten und vor allem keine Adressen von Spendern weiter zu geben.

Doch aggressive und teure Werbung mit Spendengeld ist nur ein Problem von dem Experten berichten. Jedes Jahr geben die Bundesbürger rund fünf Milliarden Euro für wohltätige Zwecke. Was passiert mit diesem Geld? Wie viel davon kommt tatsächlich an?

Der DZI beruhigt zwar, der weitaus überwiegende Teil würde vereinbarungsgemäß verwendet. Doch Fakt ist: Einzig Rheinland-Pfalz verfügt über eine aktive Behörde, die Spendensammler überwacht und Informationen ins Internet stellt. In jedem anderen Bundesland können sich Sammler ohne Genehmigung mit ihren Spendenbüchsen aufstellen. Und bei der Arbeit der Behörde in Trier ergab sich eine Quote, die nachdenklich stimmt: Seit dem Jahr 2000 wurden 322 Hilfsorganisationen überprüft, die Haus – und Straßensammlungen durchführten. In 65 Fällen wurden Sammlungsverbote erteilt.

Dazu erläutert eine Sprecherin, dass Verbote immer nur das letzte Mittel seien. Jede Organisation erhalte zunächst die Möglichkeit, nachzubessern. Muss also – statistisch gesehen - jede fünfte Sammelbüchse als fragwürdig gelten? Loipfinger hat in seinem 2008 gegründetem Internetportal Charitywatch Daten zu fast 3.000 Organisationen erhoben. Zudem hat er gerade ein Buch „Die Spendenmafia“ veröffentlicht. Nach seiner umfangreichen Recherche hält er diese Quote für insgesamt durchaus realistisch „Bei uns fällt die Zahl sogar noch höher aus. Denn wir werden häufig dann aktiv, wenn Leute über Auffälligkeiten berichten“, so Loipfinger.


Woran Spender Betrüger erkennen

Die Rechtslage

Spender sind hierzulande von Rechts wegen wenig geschützt. Nach den Sammlungsgesetzen, die in Westdeutschland in den 60er Jahren eingeführt wurden, waren Geld- und Sachspendensammlungen bei zuständigen Ordnungs- und Aufsichtsämtern anzumelden. Die Organisationen waren den Behörden gegenüber zur Auskunft verpflichtet.

Inzwischen haben viele Bundesländer dieses Gesetz abgeschafft. Einzig Rheinland Pfalz bietet seinen Bürgern zudem eine aktive Aufsichtsbehörde. Sie kann so genannte Sammlungsverbote erlassen, die im Internet veröffentlicht werden. Wer innerhalb des Bundeslandes dagegen verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen.

In allen anderen Bundesländern kann jeder mit ein paar Freunden einen Verein gründen und sich mit der Sammelbüchse auf die Straße stellen. Nur wer die Einnahmen ordnungsgemäß versteuert und auf Gemeinnützigkeit plädieren will, muss nachweisen, was er mit den Spenden macht.

Zudem gilt für Spenden und Fördermitgliedschaften nur im Ausnahmefall ein gesetzliches Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht. So ist bei regelmäßigen Spenden, die telefonisch oder online vereinbart wurden, zwar ein Widerruf innerhalb von zwei Wochen möglich. Dies gilt aber nicht für Fördermitgliedschaften, bei denen sich der Spender etwa auf der Straße zur regelmäßigen Überweisung bestimmter Summen verpflichtet: Einmal unterschrieben, lässt sich solch ein Vertrag in der Regel nur im Rahmen der jeweiligen Vertragsbedingungen und Fristen wieder kündigen, warnen Verbraucherschützer.

Allerdings räumen viele seriöse Organisationen freiwillig ein Rücktrittsrecht ein. Auf jeden Fall sollte man diesen Punkt klären, bevor man sich eventuell leichtfertig zu einer teuren Fördermitgliedschaft bereit erklärt oder eine Einzugsermächtigung erteilt.

Missbrauchen unseriöse Sammler die Spendenbereitschaft der Bürger, hat dies strafrechtliche Bedeutung. Der Bundesgerichtshof hat mit Blick auf den Betrugstatbestand (§ 263 StGB) klargestellt, dass die Annahme einer täuschungs- und irrtumsbedingten Schädigung nicht schon deshalb entfalle, weil sich die Getäuschten der nachteiligen Wirkung ihrer Verfügung auf ihr Vermögen bewusst seien.

Überdies greift der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB ein, wenn der Spendensammler den Sammlungserlös nicht an den Sammlungsträger weiterleitet, sondern in der eigenen Tasche verschwinden lässt. Oft lassen Betrüger dabei hohe Beträge verschwinden. Dennoch sind kaum Fälle von Hilfsorganisationen bekannt, die auf Schadenersatz klagen.

Der Steuervorteil


Zivilrechtlich ist eine Spende eine Schenkung in Sinne von § 516 ff BGB - also eine unentgeltliche Zuwendung: Der Vermögenszufluss erfolgt ohne Gegenleistung. Steuerlich abzugsfähig sind Geld- und Sachspenden. Der Spender kann mit der Spendenbescheinigung einen Sonderausgabenabzug bei der Einkommenssteuer geltend machen.

Seine steuerpflichtigen Einkünfte - und damit die Steuerbelastung - mindern sich dann um den Spendenbetrag. Eine Spendenbescheinigung dürfen nur Organisationen ausstellen, die als steuerbegünstigt anerkannt sind. Private Spender können bis zur Höchstgrenze von 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte Spenden als Sonderausgaben geltend machen. Spenden von bis zu 200 Euro sind dabei ohne Spendenbescheinigung absetzbar.

Wer Nachfragen vermeiden will, nutzt dabei ein Überweisungsformular der jeweiligen Organisation. Die Finanzbehörden können den Organisationen die Gemeinnützigkeit und die damit verbundenen Gewährung steuerlicher Privilegien zu- oder aberkennen. Für Organisationen, die länger als drei Jahre tätig sind, ist daher Gemeinnützigkeit ein Gütezeichen.

Die Experten

Für kritische Spender gibt es einige Möglichkeiten Hilfsorganisationen über Datenbanken abzuklopfen.


Das Fazit

Es gibt keine hundertprozentige Gewähr, dass das Geld auch ankommt. Daher sollte jeder Spender die Organisation, der er sein Geld gibt, abchecken. Wer auf Nummer sicher gehen will, wählt Vereine aus, die das DZI mit einem Gütesiegel ausgezeichnet hat. Hier dürfte es später auch keine Probleme mit der Spendenquittung geben.

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