Streitfall des Tages Wenn Vermittler die Risiken verschweigen

Trotz zahlreicher Skandale in der Vergangenheit weisen viele Berater noch immer nicht auf mögliche Risiken bei der Geldanlage wie etwa bei Geschlossenen Fonds hin. Wann geprellte Kunden auf Schadenersatz hoffen können.

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Der Schmu des Tages. Illustration: Tobias Wandres


Der Fall


Ein Anleger hatte über den Finanzvertrieb AWD eine Beteiligung an dem Filmfonds IMF (Internationalen Medienfonds GmbH & Co. Produktions KG) erworben. Fondsinitiators war die Deutsche Capital Management AG (DCM). Im Verlauf erlitt der Anleger ein Verlust und verklagte den Vermittler wegen Falschberatung. Nun wurde ihm in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Naumburg (Az.: 5 U 187/1) einen Schadensersatz von rund 14.000 Euro zugesprochen.

Die Haftung des AWD begründete das Oberlandesgericht mit mehren Beratungsfehlern des AWD-Mitarbeiters. Dabei wertete es eine „Gesprächsnotiz zur Vermittlung eines Medienfonds“ als Beratungsprotokoll. In dem Protokoll sei auf das erhöhte Totalverlustrisiko bei einem Filmfonds nicht hingewiesen worden.

Das Oberlandesgericht Naumburg befand zudem, die Prospekte zum IMF 1 und IMF 2 hätten das Risiko eines Totalverlusts "gezielt verharmlost". Da der Berater vom AWD bei der Beratung den fehlerhaften Prospekt benutzt habe, stand für das Gericht fest, dass er falsch beraten habe. Der Vermittler habe dem Kläger und seiner Ehefrau auch nicht mitgeteilt, dass es sich bei Beteiligungen an Filmfonds um eine spekulative Anlage handele, die keine Altersvorsorge sei.

Auch der Einwand des AWD, die Angelegenheit sei verjährt, da der Verkauf der Fondsanteile mehr als drei Jahre zurückliege, ließ das Gericht nicht gelten: Die Verjährung beginne für jeden einzelnen Anspruch wegen Beratungsfehler erst dann, wenn der Anleger von der Pflichtverletzung bei der Beratung erfahre. Ausschüttungskürzungen seien zum Beispiel kein ausreichendes Alarmzeichen. Im vorliegenden Fall ging das Gericht davon aus, dass der Kläger die Verharmlosung des Totalverlustrisikos erst durch seinen Rechtsanwalt erfahren habe.

Etwa zeitgleich wurde der AWD zudem in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig wegen Falschberatung bei der Vermittlung des Medienfonds IMF 3 verurteilt. Statt einer sicheren Geldanlage habe er mit dem IMF 3 eine Unternehmensbeteiligung und damit ein Produkt der höchsten Risikostufe empfohlen (Az.: 5 O 1976/10).

Der Rechtsstreit gegen den AWD als Vermittler von Medienfonds ist kein Einzelfall. Auch gegen andere Finanzvertriebe und Banken wird in zahlreichen Fällen wegen Verluste von Anlegern von Medienfonds

Die Relevanz

Medienfonds sind Geschlossene Fonds, mit denen Film- und Fernsehproduktionen finanziert werden. Eine Gemeinschaft der Fondsanlegern wird für die Bereitstellung ihres Kapitals an dem Einspielergebnis der Filmproduktionen beteiligt. Die Anleger unterliegen allerdings mit dieser unternehmerischen Beteiligung auch dem Risiko eines Totalverlustes.

Die meisten Medienfondsfondsanteile wurden in Deutschland zwischen 2000 und 2005 gezeichnet. Allein im Jahr 2005 wurde eine knappe Milliarde Euro an Eigenkapital in Medienfonds angelegt. Investoren mit hohem Steuersatz wurden durch so genannte Verlustzuweisungen, die hohe Steuervorteile versprachen, in diese Anlageform gelockt. Im ersten Jahr der Investition waren steuerliche Verluste bis zu hundert Prozent der Kapitaleinlage üblich.

Weil es in Deutschland bei Investitionen in Medienfonds auch keine Verpflichtung gab in heimische Filme zu investieren, boten die Initiatoren Fonds für Hollywoodproduktionen an, obwohl sie selbst oft kaum über Kenntnisse des Filmgeschäfts verfügten. Mit dem „Stupid German Money“ wurden Produktionen finanziert, für die sich vor Ort kein Investor gefunden hätte. Neben dem hohen Anlagerisiko sorgte schließlich der Wegfall der Steuervorteile durch so genannte Medienerlasse für das Aus der Medienfonds.

So wurde Ende 2005 die Möglichkeit eines Verlustvortrages beseitigt. In Folge präzisierte die Steuerverwaltung auch die steuerliche Behandlung von Medienfonds und erschwerte die Möglichkeit, steuerliche Verluste aus Medienfonds zu erzielen. In Folge mussten Anleger nicht nur die tatsächlichen Verluste gefloppter Filme tragen, sondern konnten aufgrund der restriktiven Medienerlasse diese Verluste häufig nicht mehr steuerlich geltend machen.

Weil bei Fonds und Initiatoren oft nichts mehr zu holen war, versuchten die Anleger mit Verlusten in den vergangenen Jahren sich häufig an die Vermittler – meist Finanzvertriebe oder Banken – schadlos zu halten. Nach Angaben der Bremer Anwaltskanzlei Hahn, die beide Urteile erstritten hat, haben die Medienfonds IMG des Initiators DCM in den Jahren 2001 bis 2003 von rund 15.000 Anlegern 280 Millionen Euro eingesammelt.


Wann Kunden Schadenersatz zusteht

Die Gegenseite

In einer Stellungnahme des AWD zu den Urteilen heißt es, dass in dem Verfahren vor dem OLG Naumburg der in der Sache entscheidende Einzelrichter mit seinem Urteil von der einheitlichen bundesweiten Rechtsprechung zahlreicher Land- und Oberlandesgerichte in Verfahren zu dem „streitgegenständlichen Medienfonds“ abgewichen sei.

Diese Gerichte hätten bereits zuvor zu Gunsten von AWD entschieden, dass die in dem Verkaufsprospekt enthaltenen Risikohinweise eindeutig und ausreichend sind und auch die Möglichkeit des Totalverlustes hinreichend deutlich dargestellt würde. Auch in dem Verfahren vor dem LG Braunschweig sei die Urteilsbegründung aus Sicht von AWD stark abweichend von bisherigen gerichtlichen Entscheidungen und in mehreren Punkten nicht nachvollziehbar.

„Zu den beiden herausgegriffenen Entscheidungen bleibt weiter festzuhalten, dass die als Prozessvertreter in den beiden genannten Verfahren auftretende Kanzlei bereits in rund 70 Verfahren vor bundesweiten Landgerichten sowie vor dem OLG Köln und dem OLG München gegen AWD unterlegen ist. AWD wird gegen die beiden Entscheidungen des OLG Naumburg und des LG Braunschweig Rechtsmittel einlegen und sieht gute Erfolgsaussichten, die Entscheidungen in den weiteren Instanzen zu Gunsten von AWD zu korrigieren.“

Die Rechtslage

Geschädigte Anleger versuchen in der Regel Vermittler im Fall von Prospektfehlern oder im Falle einer Fehlberatung für die entstandenen Schäden haftbar zu machen. Vertraut ein Anleger Angaben, weil sie in einem Prospekt stehen, und ist der Prospekt unrichtig, so haften die Prospektverantwortlichen für typisiertes Vertrauen. Eine Prospekthaftung im weiteren Sinne findet bei Geschlossene Fonds Anwendung. Diese sind Personengesellschaften, die von Kapitalgesellschaften gegründet werden, die den Initiatoren der Fonds gehören.

Planmäßig treten dann die Anleger den Fondsgesellschaften bei. Diese Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften haften für Prospektfehler, weil sie als Vertragspartner eines jeden Anlegers persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben. Die Schadensersatzansprüche hieraus verjähren innerhalb der längeren Regelverjährungsfrist des § 199 BGB). Das Prospekt muss ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalanlage vermitteln.

Dazu gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sämtliche Umstände, die für die Beteiligungsentscheidung von Bedeutung sein können, richtig und vollständig dargestellt werden (BGH-Urteil vom 14.06.2007, Aktenzeichen III ZR 300/05). Ein Prospekt ist nicht nur dann zu beanstanden, wenn er falsche oder unvollständige Informationen liefert, sondern auch, wenn er irreführende Darstellungen enthält. Auch wertende Aussagen müssen einen nachvollziehbaren Hintergrund haben, um nicht angreifbar zu sein.

Neben diesen Kriterien spielt der Gesamteindruck des Prospekts eine Rolle; insgesamt darf er keinen unrichtigen Gesamteindruck beim Anleger über die Chancen und Risiken der Investition erwecken (BGH-Urteil vom 12.07.1982; Az.: II ZR 175/81).

Zudem versuchen geschädigte Anleger oft über die Beratungshaftung einen Ausgleich ihres Schaden zu erreichen. Damit ist in der Regel die Haftung des Finanzvertriebs im Falle einer Falschberatung gemeint. Das Problem dabei ist , dass der Beweis einer – typischerweise mündlich erfolgten – Fehlberatung oft nicht möglich ist.

Zum anderen ist die Frage der angemessenen Beratung aber auch von Wissen und Risikobereitschaft des Kunden abhängig. Im Falle der Anlageberatung muss der Finanzvertrieb Ziele, Wissen und Risikobereitschaft des Kunden erfragen und den Kunden über die relevanten Eigenschaften und vor allem Risiken des Angebots informieren. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 249 I BGB) ist der tatsächlich angefallene Schaden zu ersetzen.

Der Geschädigte ist so zu stellen, als wäre die Fehlberatung nicht erfolgt. In der Praxis merkt der Geschädigte zunächst nicht, dass eine Fehlberatung vorliegt und erkennt diese meist erst, wenn Schäden eingetreten sind. In diesem Zusammenhang gilt auch die dreijährige Verjährung in der Regel erst nach Kenntnis der Fehlberatung.


Die wichtigsten Angriffspunkte

Der Experte

„Ohne einen versierten Rechtsanwalt können geschädigte Anleger kaum einzuschätzen, ob sie die Anbieter von Filmfonds haftbar machen können“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Dies könnte sein, wenn Fehler bei den Anlageprospeken oder eine Fehlberatung nachgewiesen werden kann.“

In der Regel sind die Aussichten allerdings gering, bereits entstandene Anlageverluste ersetzt zu bekommen. Denn häufig ist bei den in finanzielle Schieflage geratene Fonds kein Geld mehr zu holen. Nauhauser rät deshalb bereits im Vorfeld kritisch abzuwägen, ob die Anlage in Geschlossene Fonds wirklich notwendig ist. „Die Anlagerisiken lassen sich oft nur schwer beurteilen, die Produkte sind oft mit hohen Kosten verbunden und die Anteile lassen sich auch währen der Laufzeit oft kaum veräußern.“

Wegen eines möglichen Totalverlustes sollten Kleinanleger generell nicht in Geschlossene Fonds investieren, da aufgrund der Mindestzeichnungsbeträge von meist 10.000 Euro eine wirksame Risikostreuung auf mehrere Anlagen nicht mehr möglich ist. „Aber auch für Anleger mit größeren Vermögen gibt es in der Regel bessere Alternativen. Bei börsengehandelte Anleihen, Aktien oder Fonds fällt nur ein Bruchteil der Vermittlungskosten der Geschlossenen Fonds an und diese Anlagen lassen sich jederzeit veräußern.“

Wenn Vermittler nur auf Steuervorteile verweisen können, sei dies in der Regel ein schlechtes Zeichen.

Das Fazit

Anfang des Jahrzehnts investierten Anleger vor allem wegen eines scheinbaren Steuervorteils große Summen in Medienfonds. Nur in wenigen Fällen rechnete sich diese hochriskante Anlage. In den meisten Fällen mussten die Investoren schwere Verluste hinnehmen und bekamen zudem die Steuervorteile aberkannt.

Auch der Gesetzgeber trägt dafür eine Verantwortung, da er die überzogenen Steueranreize zunächst beschloss und dann zum Schaden vieler Anleger wieder beseitigte. Von den Vermittlern wurden regelmäßig auf die Steuervorteile, leider aber nicht immer ausreichend auf die Risiken hingewiesen. Wie bereits in anderen Fällen in der Vergangenheit, hat sich ein Steuersparmodell für die Anleger am Ende als Verlustmodell erwiesen.

Nützliche Informationen

Einen Bericht zu den AWD-Urteilen aus Verbrauchsicht ist unter dem Portal des Verbrauchermagazin Test einsehbar (www.test.de/themen/geldanlage-banken/meldung/AWD-AWD-hat-falsch-beraten-4331555-4331557).

Die Verbraucherzentralen der Bundesländen bieten zum Teil auch eine kurze Einschätzung und Beratung zu Kapitalanlagen des Graumarkts (www.vzbv.de).

Eine Übersicht über aktuelle Urteile zu der Thematik Geschlossene Fonds bietet die auf Anlegerrecht spezialisierte Rechtsanwälte Dr. Steinhübel und Dr. Rötlich (www.kapitalmarktrecht.de). Zahlen zur Entwicklung Geschlossener Fonds nach Anlagearten finden sich in der Internetseite des Verband Geschlossene Fonds (www.vgf-branchenzahlen.de/ ).

Fachanwälte für Kapitalanlagerecht lassen sich über die „Anwaltsauskunft“ des Deutschen Anwaltsvereins finden. Dort sind insgesamt sind 68.000 Anwälte gelistet, die Mitglied im Verband sind. http://anwaltauskunft.de/anwaltsuche

Alle Teile der Serie "Streitfall des Tages": www.handelsblatt.com/streitfall

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