S&K-Prozess Ein Teilgeständnis und vier Befangenheitsanträge

Am letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause brauchten die Beteiligten im S&K-Prozess gutes Sitzfleisch – erst nach rund elf Stunden war Feierabend. Ob die Richter im August wieder antreten dürfen, ist fraglich.

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Schon seit September 2015 stehen die sechs Angeklagten vor Gericht. Quelle: dpa

Frankfurt Der Prozess um die Frankfurter Immobilien-Gruppe S&K geht mit neuen Superlativen in die vierwöchige Sommerpause: Nach knapp elf Stunden Bruttoverhandlungszeit – abzüglich einiger Pausen – standen am Mittwochabend gegen 20.30 Uhr vier Befangenheitsanträge gegen Richter und Schöffen im Raum. Unklar ist nun, ob die Richter der 28. Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichts nach den Ferien weitermachen dürfen. Schelte hatten sie sich unter anderem deshalb eingefangen, weil sie die Ausführungen des S&K-Gründers Jonas Köller unterbrachen, damit ein anderer Angeklagter so etwas wie in Geständnis abgeben konnte.

Die sechs Angeklagten müssen sich bereits seit September vergangenen Jahres vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Sie sollen mit einem verschachtelten Firmen- und Beteiligungssystem etwa 11.000 Anleger um mindestens 240 Millionen Euro gebracht haben. In der mehr als 1.750-seitigen Anklageschrift werfen ihnen die Staatsanwälte schweren bandenmäßigen Betrug und ebensolche Untreue vor. Bereits im Februar 2013 waren sie nach einer großangelegten Razzia in Untersuchungshaft gekommen.

Schon seit dem 16. März dieses Jahres wehrt sich Köller im Rahmen einer ausführlichen Stellungnahme gegen die Vorwürfe. Er erklärt etwa die Funktionsweise und die Absichten der Geschäftsmodelle und schildert sein Verhältnis zu Mitgründer Stephan Schäfer sowie den vier anderen Geschäftspartnern. An diesem Mittwoch hätte er damit eigentlich fortfahren sollen, aber nun wollte sich auch der Angeklagte Daniel F. dringend äußern. Nachdem er bereits im Vorfeld bei einem Termin zur Verkündung eines Haftfortdauerbeschlusses eine Stellungnahme vorgetragen hatte, wollte er dies im Sitzungssaal vor allen Richtern und Schöffen wiederholen und Fragen dazu beantworten.

Die Richter der 28. Wirtschaftsstrafkammer gestanden es ihm zu. Die Fürsorgepflicht gebiete das, meinten sie. Köller habe sich bereits an 19 Hauptverhandlungstagen eingelassen und werde noch mehrere weitere Tage benötigen. Vor diesem Hintergrund und wegen der anstehenden Sommerpause sei es Daniel F. nicht zuzumuten, noch zu warten. Ob die teilgeständige Stellungnahme tatsächlich Auswirkungen auf die Haft haben werde, sei noch offen, doch die Haftfrage müsse ständig geprüft werden, sagten die Richter.

Fritsch schilderte dann, wie er im Frühjahr 2011 seine vorherigen Geschäftspartner verlassen hatte und sich auf der Suche nach neuen Kooperationen befand. Über von ihm als „Nachrangvehikel“ bezeichnete Anlageprodukte wollte er Mezzanin-Kapital einwerben. Seine beste Freundin Dorothee Schöneich, die ehemalige Chefin des Magazins „Finanzwelt“, habe ihn dann mit den S&K-Gründern bekannt gemacht. Schnell habe sich daraus eine Zusammenarbeit entwickelt, er habe Anlegergelder eingeworben und diese zunächst als Darlehen an S&K weitergereicht.


Hoffnung auf Haftentlassung

Das Geschäftsmodell von S&K habe er bewundert, da der günstige Ankauf und anschließende Weiterverkauf von Immobilien so einfach und gleichzeitig lukrativ gewesen sei. „Ich dachte, endlich einen leistungsfähigen Partner gefunden zu haben“, schilderte F. seine Gedankengänge. Zum heutigen Zeitpunkt sei ihm allerdings bewusst, dass sein Verhalten möglicherweise rechtswidrig gewesen sei. Auch als Zweifel an der Werthaltigkeit der S&K-Immobilien aufgekommen seien, habe er nicht gehandelt. Ab Ende 2012 habe er die Gefährdung von Anlegergeldern in Kauf genommen. „Wäre ich heute nochmal in der Situation, würde ich für alle Immobilien eigene Gutachten erstellen lassen“, beteuerte er.

Ob seine Ausführungen vom Mittwoch tatsächlich zu einer Entlassung aus der Untersuchungshaft führen, ist fraglich. Selbst wenn die Frankfurter Richter zu der Einschätzung kämen, dass keine Fluchtgefahr mehr bestehe, gibt es immer noch einen Haftbefehl aus München. Vor dem dortigen Landgericht ist gegen F. ein Berufungsverfahren anhängig, da seine ehemaligen Geschäftspartner ihm Untreue vorwerfen und eine sechsstellige Summe von ihm fordern.

Bevor sich in Frankfurt aber die Kammer unter Vorsitz von Richter Alexander El Duweik um die Haftfrage kümmern kann, benötigt sie erst einmal grünes Licht der sogenannten Vertreterkammer. Diese hat über aktuell vier Befangenheitsanträge gegen die Richter und Schöffen zu entscheiden. Ein solcher 120-seitiger Antrag war bereits am Dienstag gestellt worden. Am Mittwoch kam ein Antrag gegen einen Schöffen hinzu, nachdem dieser den Angeklagten Daniel F. gefragt hatte: „Hatten Sie in der Zeit Ängste oder Befürchtungen bezüglich der Art und Weise, wie S&K wirtschafteten?“ Der Schöffe sei nicht unvoreingenommen, wetterten daraufhin die Schäfer-Verteidiger.

Und dann gab es noch zwei Befangenheitsanträge von der Köller-Verteidigung. Der eine zielte darauf ab, dass ihr Mandant benachteiligt worden sei, da er seine eigene Stellungnahme für die von Daniel F. unterbrechen musste. Mit der anderen rügten die Verteidiger, dass der Befangenheitsantrag der Schäfer-Verteidiger vor ihrem eigenen vorgetragen werden durfte.

Auch nach mehr als 60 Verhandlungstagen ist der Machtkampf vor dem Frankfurter Landgericht also in vollem Gange, und die Verteidiger nutzen jede Gelegenheit, um Gründe für eine mögliche Revision vor dem Bundesgerichtshof zu schaffen.

Das zeigte sich auch, als um 18.30 Uhr ein Schäfer-Verteidiger forderte, die Sitzung ab 16.15 Uhr zu wiederholen, da die Tür zum Gerichtsgebäude E ab diesem Zeitpunkt geschlossen sei und der Hinweis auf einen alternativen Zugang fehle. Dadurch sei die Öffentlichkeit vom Verfahren ausgeschlossen gewesen. Der Vorsitzende Richter unterbrach die Sitzung daraufhin für eine halbe Stunde.

Ergebnis: An der Tür klebt doch ein Hinweis und der Pförtner im anderen Gebäude sei auch informiert, welche Kammer gerade tage. Die Anwälte zogen ihren Antrag auf Wiederholung des Sitzungsteils zurück, blieben aber bei dem Hinweis, dass am Alternativeingang eine Liste mit den laufenden Verfahren fehle.


Einen beinahe elfstündigen Verhandlungstag hatte es bisher im S&K-Verfahren noch nicht gegeben. Aufgrund der vielen Befangenheitsanträge wollten die Richter offenbar noch möglichst viel vor der Sommerpause erledigen. Die Fragen der anderen Verteidiger an den Angeklagten Daniel F. wurden schließlich aber doch auf den nächsten Verhandlungstag verschoben. Es war schon zu spät am Abend, Angeklagte und Verteidiger plagte der Hunger und ein Angeklagter brachte vor, er sei nicht mehr aufnahmefähig und könne der Verhandlung nicht weiter folgen. Weiter geht es nun am 12. August.

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