Überstunden, Praktikanten, Strafen Die wichtigsten Antworten zum Mindestlohn

Das Mindestlohngesetz ist endgültig verabschiedet. Arbeitsrechtler Roland Klein von der Kanzlei Luther hat Antworten auf die drängendsten Fragen von Unternehmen und Arbeitnehmern zusammengestellt.

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Wie hoch ist der Mindestlohn?
Nach dem Entwurf zum Mindestlohngesetz (MiLoG) soll ab dem 1. Januar 2015 ein bundesweit verbindlicher branchenunabhängiger Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde eingeführt werden. Stück- und Akkordlöhne sollen zulässig bleiben, sofern gewährleistet ist, dass der Mitarbeiter damit den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht. Das Gesetz differenziert nicht nach der Art der Tätigkeit.

Bereitschaftsdienste
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat insoweit zum – bereits heute geltenden – Mindestentgelt in der Pflegebranche entschieden, dass Arbeitsleistungen im Bereitschaftsdienst mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten seien wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht soll Anfang September 2014 über die Revision entscheiden. Es dürfte aber klar sein, dass ähnliche Streitigkeiten auch im Rahmen des MiLoG drohen.

Erhöhungen
Über eine Erhöhung wird frühestens zum 1. Januar 2017 von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung entschieden, danach alle zwei Jahre. Eine ehrenamtliche Mindestlohnkommission wird hierzu jeweils einen Vorschlag erarbeiten.

Roland Klein Quelle: PR

Fälligkeitsdatum
Der Mindestlohn muss spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats gezahlt werden, der auf den Monat folgt, in dem die Leistung erbracht wurde.

Arbeitgeberleistungen und Lohnbestandteile
Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass für die Auslegung des Begriffs Mindestlohn auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Entsenderichtlinie zurückgegriffen werden könne. Alle Zahlungen sind demnach laut EuGH anrechenbar, wenn sie das „Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm hierfür erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite nicht verändern“. Zahlungen, die als Gegenleistung für die „Normalarbeitsleistung“ entrichtet werden, fallen demnach unter den Mindestlohn.

Überstunden, Nachtarbeit oder Qualitätsprämien
Zahlungen, die für zusätzliche Leistungen erfolgen, fallen nicht unter das Mindestlohngesetz: etwa Zuschläge für Überstunden und Feiertagsarbeit, Nachtarbeit, Überstundenzuschläge, Schichtzulagen, Gefahrenzulagen oder auch Akkord- oder Qualitätsprämien. Arbeitgeber dürfen sie nicht einbeziehen, wenn sie die Zahlung des Mindestlohnes nachweisen wollen.

Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld
Typische Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld sind dagegen nur berücksichtigungsfähig, wenn dem Arbeitnehmer der auf die Beschäftigungszeit entfallende anteilige Betrag in dem maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausgezahlt worden ist. Ein einmal im Juni jährlich gezahltes Urlaubsgeld kann demnach nicht auf die übrigen elf  Monate umgelegt werden.

Auslagenersatz
Zahlungen, die als Kompensation für eigene Aufwendungen des Arbeitnehmers dienen, zählen ebenso wenig zum Mindestlohn.

Praktikanten, Zeitungsboten und andere Ausnahmen

Für wen gilt der Mindestlohn?
Für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt werden, unabhängig davon, ob ihr Arbeitgeber im In- oder Ausland ansässig ist.

Saisonarbeiter
Auch für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft gilt ab 1. Januar 2015 der Mindestlohn. Es wird jedoch die Möglichkeit der kurzfristigen sozialabgabenfreien geringfügigen Beschäftigung von 50 auf 70 Tage ausgedehnt. Diese Regelung ist auf vier Jahre befristet.

Der Mindestlohn ist absolut zwingend. Auf Mindestlohn-Ansprüche können Arbeitnehmer nur durch einen Vergleich vor Gericht verzichten. Dies sollten Arbeitgeber berücksichtigen, wenn sie in Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer über Entgeltansprüche disponieren. Ein Verzicht ist insoweit nur auf vertragliche Ansprüche denkbar, aber nicht auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch.

Für wen Ausnahmen gelten
Der Mindestlohn gilt nicht für Auszubildende und ehrenamtlich Beschäftigte. Ebenso wenig erfasst sind junge Arbeitnehmer unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss. Praktikanten werden hingegen grundsätzlich als Arbeitnehmer angesehen, die unter den Mindestlohn fallen. Nur bei folgenden, besonderen Praktikantenverhältnissen gibt es Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht:

Ausnahme: Praktikanten
Folgende Praktikanten-Arbeitsverhältnisse sind vom Mindestlohn ausgenommen:

- Praktikanten  in betrieblicher Einstiegsqualifizierung oder einer Berufsausbildungsvorbereitung

- Praktikanten, die ihr Praktikum im Rahmen einer verpflichtenden Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung leisten

- Praktikanten, die ihr Praktikum zum Zwecke der Orientierung über ihre Berufs- oder Studienwahl leisten – aber nur bis zu drei Monaten

- Praktikanten, die bis zu drei Monaten ein berufs- oder hoch- schulbegleitendes Praktikum ableisten, wenn nicht bereits zuvor ein derartiges Praktikantenverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat – maximal drei Monate.

Schwarz auf weiß
Übrigens: Die Bestimmungen des Nachweisgesetzes gelten jetzt auch für Praktikanten. Danach ist auch Praktikanten eine Niederschrift des Praktikumsvertrages auszuhändigen, in welcher die Ausbildungsziele, Beginn und Dauer des Praktikums, tägliche Praktikumszeit, Zahlung und Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs und gegebenenfalls ein Hinweis auf geltende Betriebs- oder Tarifverträge enthalten sind.

Langzeitarbeitslose
Langzeitarbeitslose haben in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung ebenfalls keinen Anspruch auf Mindestlohn. Die letztgenannte Ausnahme soll Langzeitarbeitslosen, also Personen, die länger als zwölf Monate arbeitslos waren, eine Brücke in eine neue Beschäftigung bauen. Gegner befürchten demgegenüber Drehtür- und Substitutionseffekte.

Übergangsregeln
Bis zum 31. Dezember 2017 gehen abweichende Regelungen eines Tarifvertrags dem Mindestlohn vor, wenn sie für alle unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich sind. Ab dem 1. Januar 2017 müssen abweichende Regelungen jedoch mindestens ein Entgelt von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde vorsehen.

Ausnahme: Zeitungsboten
Für Zeitungszusteller hat der Gesetzgeber eine besondere Übergangsregelung geschaffen. Danach hat diese Gruppe von Beschäftigten ab dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf 75 Prozent und ab dem 1. Januar 2016 auf 85 Prozent des Mindestlohns je Zeitstunde. Ab dem 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 beträgt der Mindestlohn dann 8,50 Euro brutto.

Kontrollen, Verstöße, Strafen

Wer kontrolliert die Einhaltung des Gesetzes?
Die Einhaltung des Gesetzes soll die Zollverwaltung kontrollieren. Die sogenannte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die bisher schon im Rahmen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes für Branchen wie das Baugewerbe zuständig ist, darf nun Unternehmen branchenunabhängig überprüfen und Einsicht in Lohn- und Meldeunterlagen nehmen. 

Was droht bei Verstößen gegen das Gesetz?
Keinen Mindestlohn zu zahlen ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 500.000 Euro Geldbuße bestraft werden kann. Zusätzlich zu den Zollkontrollen haften Auftraggeber, sofern Auftragnehmer von Werk- und Dienstleistungen wie auch Nachunternehmer oder Verleiher ihre Pflichten als Arbeitgeber aus dem MiLoG nicht erfüllen: Und zwar haftet der Auftraggeber für die Zahlung des Mindestlohns wie ein Bürge, jedoch ohne wenn und aber – egal ob er schuld hat oder nicht. Außerdem droht dem Arbeitgeber der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge, wenn gegen ihn eine Geldbuße von 2500 Euro und mehr verhängt worden ist. 

Aufzeichnungspflichten
Unternehmen im Baugewerbe, in der Gastronomie, dem Speditionsgewerbe, dem Messebau  oder der Fleischwirtschaft haben Aufzeichnungspflichten: Spätestens am siebten Tag nach der Arbeitsleistung und zwar Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Daneben müssen Unternehmen – branchenunabhängig – alle geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse dokumentieren. Arbeitgeber müssen die Unterlagen mindestens zwei Jahre aufbewahren. Dasselbe betrifft Unternehmen, die als Entleiher Leiharbeitnehmer in ihren Betrieben einsetzen.


Fazit

Das Gesetz zum Mindestlohn wird auch Unternehmen betreffen, deren Stundenlöhne weit über 8,50 Euro liegen. Zum einen für ihre Praktikanten und weil sie bei ausgegliederten Werk- und Dienstleistungen sehr genau die Bonität und Zuverlässigkeit des Auftragnehmers kontrollieren müssen.

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