Überwachung von Mitarbeitern Darf ich meine Angestellen überwachen?

In den USA werden die Leistungen von Mitarbeitern nicht mehr nur per Video überwacht: ID-Armbänder und Monitore sollen nachhalten, welche Angestellten am fleißigsten sind. In Deutschland ist das höchst umstritten.

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Rechtlich ist die Mitarbeiterüberwachung umstritten. Quelle: dpa

Es ist das neue Big Brother. Augen, die überall sind, aber nicht blinzeln, Kameras, dort, wo sie keiner sehen kann. Was klingt, wie die Szene eines Horrorfilms, ist in vielen amerikanischen Firmen bereits Alltagsgeschäft. Dort werden Mitarbeiter mithilfe modernster Technik beobachtet und kontrolliert. Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Auf der einen Seite stehen Erfolgsgeschichten, wie die eines Pharmaunternehmens aus den USA. Mithilfe der Überwachung fand die Unternehmensführung heraus, dass ihre Angestellten zu wenig soziale Kontakte haben. Sie führten eine 15-minütige Kaffeepause ein, ersetzten die Kaffeeautomaten durch eine mitarbeitergeführte Cafeteria und siehe da: Die Gewinne schnellten in die Höhe und der Absatz der Firma stieg an.

In eine ähnliche Richtung geht der NCR Restaurant Guard, der die Arbeitsdaten der Restaurant-Mitarbeiter aufzeichnet. Auf Monitoren und per Smartphone und Computer kann so nachgehalten werden, was die Mitarbeiter den Tag über tun. Ursprünglich sollte dieses Überwachungssystem ladeninterne Diebstähle vorbeugen, doch es gibt auch weitere positive Seiten: So weiß der Chef jederzeit, welcher Kellner die besten Verkaufszahlen hat und wer beim Servieren herumtrödelt. Für Jim Sullivan, Betreiber des Bread Winners Cafe in Dallas, eine Win-Win-Situation. "So kann ich  meine Mitarbeiter trainieren und coachen. Dadurch machen wir als Restaurant mehr Gewinn und die Mitarbeiter auch."

Und tatsächlich: Mitarbeiter, die wissen, dass sie beobachtet werden, überredeten Gäste häufiger zu einem zweiten Bier und steigerten so die Einnahmen des Restaurants. Oliver Wasiela, Anwalt für Arbeitsrecht, sieht das jedoch kritisch. "Der Begriff Win-Win ist immer schwierig. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter liegt im Interesse der Unternehmen und dient im Endeffekt nur der Gewinnmaximierung. Das wird oft als Win-Win-Unternehmensphilosophie verkauft, soll aber nur die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen erfüllen."

Noch einen Schritt weiter als Jim Sullivan geht Ben Waber, CEO des Start-Ups "Sociometric Solutions". Er entwickelte gemeinsam mit Kollegen ein ID-Armband für Angestellte, das mit einem Mikrofon, einem Standort-Lokalisator und einem Geschwindigkeitsmesser ausgestattet ist. Dadurch soll es ermöglicht werden, Kommunikation, Fortbewegung, Mimik und Gestik der Angestellten genau zu kontrollieren. Kein Schritt ist unbewacht, keine Aktion mehr heimlich. Ein gewaltiger Eingriff in die Privatsphäre, dessen ist sich auch Ben Waber bewusst. Daher müssen Mitarbeiter explizit zustimmen, dass ihre Daten mithilfe des Armbandes gesammelt werden. "Wir müssen anfangen umzudenken", meint Waber. "Datenschutzrichtlinien müssen sich nicht mehr nur an den Interessen der Mitarbeiter ausrichten, sondern auch die Unternehmensziele berücksichtigen."

Skeptiker hingegen fürchten, dass die Privatsphäre der Angestellten durch Innovationen wie das ID-Armband bald völlig untergraben werden könnte. "Ganz gleich ob diese Art der Überwachung effektiv ist, oder nicht, sie ist auf jeden Fall ein Problem", meint Lee Tien, Anwalt der Electronic Frontier Foundation in San Francisco.

Auch rechtlich gesehen fällt die Überwachung von Mitarbeiterin in ein schwieriges Feld: Eine Kameraüberwachung ist verdeckt oder offen möglich UND erlaubt. Die Grenzen zwischen „ok“ und „inakzeptabel“ verschwimmen dabei jedoch oft.

Wann eine Überwachung möglich ist

Eine verdeckte Kameraüberwachung beispielsweise ist nur eingeschränkt möglich, weil sie in die Rechte der Beobachteten eingreift. Der Arbeitsgeber darf diese Methode daher nur dann anwenden, wenn ein konkreter Verdacht auf strafbares Verhalten eines Mitarbeiters besteht. Handelt es sich dabei jedoch um öffentliche Räume, ist auch dann eine Überwachung verboten. Das heimliche Beobachten von Mitarbeitern zur Überprüfung ihrer Arbeitsleistungen ist sogar von vorneherein unzulässig. "'Im Vordergrund steht dabei der Schutz des Persönlichkeitsrechts und der Grundrechte der Angestellten", erklärt Oliver Wasiela. 

Anders sieht es mit der offenen Kameraüberwachung aus. Sie ist zulässig, solange sie einen legitimen Zweck verfolgt, die Mitarbeiter also nicht unter Beobachtungsdruck setzt. Außerdem muss ein sichtbarer Hinweis auf die Videoüberwachung erfolgen. "Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass lediglich öffentliche Räume überwacht werden", betont Oliver Wasiela. "Toiletten, Pausenräume der Mitarbeiter oder Umkleidekabinen dürfen nicht gefilmt werden." Außerdem sei es notwendig, mit Schildern auf die Überwachung hinzuweisen. 

Nach Einschätzung des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ist die Überwachung von Mitarbeitern bereits gängige Praxis in deutschen Unternehmen. Eine Befragung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (.pdf) zu diesem Thema beweist seine These: Die Mehrheit der befragten Personalmanager (62 Prozent) beobachtet, dass Mitarbeiter in deutschen Unter- nehmen heute stärker überwacht wer- den als vor zehn Jahren. Während gut die Hälfte der Befragten die Ursache für diese Veränderung im Fortschritt der Überwachungstechnik sieht, hält jeder zehnte Befragungsteilnehmer andere Entwicklungen für ursächlich – insbesondere einen zunehmenden Leistungs- und Kostendruck. Den sieht auch Oliver Wasiela kritisch. 

"Hier kommt der Grundgedanke des Arbeitsrechts in Spiel", erklärt der Anwalt. "Laut Arbeitsrecht ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, konkrete Leistungen zu erbringen, sondern seine Arbeitszeit zu absolvieren." Eine Überwachung der Mitarbeiterleistungen mithilfe von ID-Armbändern oder Überwachungskameras hält er daher für rechtswidrig. 

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