Der US-Technologiekonzern Apple jagt von Rekord zu Rekord. Auch nach dem Tod von Unternehmensgründer Steve Jobs laufen die Geschäfte mit iPhone, iPad, digitalisierter Musik und kleinen Smartphone-Programmen, den so genannten Apps, prächtig. Auch wenn die überhohen Erwartungen der Analysten zu den jüngsten Quartalszahlen (8,2 Milliarden Dollar Gewinn allein im dritten Quartal) enttäuscht wurden, könnte der Überflieger-Konzern in diesem Jahr einen Gewinn von rund 45 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. Für ein US-Unternehmen wäre das neuer Rekord.
Ebenfalls rekordverdächtig ist die Höhe der Unternehmensabgaben, die der Konzern zahlt. Aber für ein derart erfolgreiches Unternehmen mit Heimat in einem westlichen Industrieland zahlt Apple ungewöhnlich wenig Steuern. Wie nun bekannt wurde, zahlte Apple auf seine Einnahmen außerhalb der USA im Geschäftsjahr 2012 - das am 30. September endet - einen Einkommenssteuersatz von nur 1,9 Prozent. Bei einem Jahresgewinn von 36,8 Milliarden Dollar (28,7 Milliarden Euro) im Ausland musste das wertvollste Unternehmen der Welt lediglich 713 Millionen Dollar (556 Millionen Euro) Steuern zahlen, wie aus Steuerunterlagen hervorgeht, die Apple Ende Oktober einreichte. 2011 hatte Apple bei einem Jahresgewinn von 24 Milliarden Dollar noch 2,5 Prozent Steuern gezahlt.
Apple zahlt zwar teilweise in den jeweiligen Ländern eine Einkommenssteuer, doch durch legale Buchhaltungs-Tricks - die auch andere internationale Konzerne verwenden - verschiebt das Unternehmen Profite in Länder mit niedrigen Steuersätzen.
Auf die 34,2 Milliarden US-Dollar Gewinn, die Apple im Geschäftsjahr 2011 auswies, zahlte die IT-Ikone nur Steuern in Höhe von 3,3 Milliarden Dollar – ein Steuersatz von nur 9,8 Prozent. Wie die New York Times (NYT) von ehemaligen Vorstandsmitgliedern erfahren hat, verdankt Apple den niedrigen Steuersatz einer ausgeklügelten Steuerstrategie. Ohne die legalen Steuertricks hätte das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Cupertino 2,4 Milliarden Dollar zusätzlich an die Steuerbehörden überweisen müssen, schätzte ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Finanzministeriums laut NYT noch im April 2012. Zum Vergleich: Wal-Mart zahlte auf seinen Bilanzgewinn von 24,4 Milliarden US-Dollar 5,9 Milliarden Dollar Steuer. Das entspricht einem Steuersatz von 24 Prozent.
Wie schafft es Apple, sich derart gekonnt vor Steuerzahlungen zu drücken? Der Hightech-Konzern nutzt gleich mehrere Lücken im Steuerrecht sowie die Besonderheiten der Unternehmensstruktur. Die ungewöhnlich erfolgreiche Steuerstrategie von Apple ist inzwischen als „Double Irish with a dutch Sandwich“ unter US-Unternehmen bekannt und findet dort viele Nachahmer. Apple profitiert wie auch Google, Amazon oder Microsoft davon, dass ein guter Teil der Gewinne nicht aus dem Verkauf von Hardware, sondern aus dem Geschäft mit Lizenzgebühren und geistigem Eigentum stammen, etwa digitalen Produkten wie Software oder Apps, an denen das Unternehmen Patente hält. Denn für eine Unternehmen, dass mit derlei Produkten Geld verdient, ist es viel einfacher, Gewinne in Niedrigsteuer-Länder zu verlagern. Schließlich lassen sich solche Produkte von überall aus verkaufen.
Steuervermeidung Säule I: Nevada
Obwohl die Technolgie-Branche heute zu einer der größten und wertvollsten Industrien zählen, zahlen viele dieser Unternehmen in den USA auffallend niedrige Steuern. Laut NYT berappen die 71 Tech-Konzerne, die im US-Aktienindex S&P 500 gelistet sind, ein Drittel weniger Steuern als die übrigen S&P-500-Unternehmen. Und selbst innerhalb dieser Gruppe sind die Steuerzahlungen von Apple niedrig. Die gingen das Thema Steuern offenbar mit ähnlicher Innovationskraft an, wie die Entwicklung der Kultprodukte. Der Clou: In den USA zahlen Unternehmen Steuern abhängig davon, wo der Gewinn entsteht – und nicht abhängig von Produktionsort. Apple hat zwar seine Zentrale und den größten Teil seiner Mitarbeiter in den USA, verbucht aber rund 70 Prozent seiner Gewinn in Übersee – mit örtlich deutlich niedrigeren Steuersätzen. Zwar steht im Jahresabschluss, wie viel Steuern Apple weltweit zahlt, allerdings bleibt im Dunkeln, welche Summen an die einzelnen Staaten flossen. Zudem sind die Steuerzahlungen in der Bilanz mit hoher Wahrscheinlichkeit übertrieben, weil die Bilanzierungsstandards erlauben, Steuerzahlungen auszuweisen, die erst Jahre später oder überhaupt nicht fließen.
Apples Steuervermeidungsstrategie fußt auf zwei Säulen.
Die erste davon findet sich im Wüstenstaat Nevada. Im Jahr 2006, als Apples Aktienkurs kletterte und die Milliardenreserven anschwollen, gründete Apple eine Tochtergesellschaft namens Braeburn Capital in Reno. Die Firma, benannt nach einer süß-sauren Apfelsorte, verwaltet und investiert das Unternehmensvermögen. Der Vorteil: Hier in Nevada gibt es weder eine Einkommensteuer für Unternehmen – was der deutschen Körperschaftssteuer entspräche -, noch eine Steuer auf Kapitalgewinne. In Kalifornien werden hingegen 8,84 Prozent der Unternehmensgewinne als Steuer fällig. Braeburn Capital ist unscheinbar in einem tristen Bürogebäude untergebracht, erhält aber von den Gewinnen aus dem Verkauf der Apple-Produkte regelmäßig einen Anteil, um ihn in Aktien, Anleihen oder andere Wertpapiere zu investieren.
Wenn diese Investments Gewinn abwerfen, sind diese teilweise vor kalifornischem Steuerrecht geschützt. Seit der Gründung von Braeburn Capital sollen laut NYT mehr als 2,5 Milliarden Dollar Zinsen und Dividenden auf das Apple-Vermögen angefallen sein. Außerdem hilft Braeburn laut NYT Apple dabei, die Steuerlast in anderen US-Staaten wie Florida, New Jersey und New Mexico zu senken, weil deren Rechtsprechung die Steuerschuld für Finanzverwaltungen mit Sitz in einem anderen Staat niedriger ansetzen. Deshalb haben duzende anderer Unternehmen wie Cisco, Harley-Davidson oder Microsoft Tochtergesellschaften in Nevada.
Säule II: Luxemburg, Irland, Niederlande
Die zweite Säule der Steuerstrategie ist die internationale Unternehmensstruktur. Denn wann immer ein Kunde per Klick etwas von Apple kauft, fließt das Geld im Bruchteil einer Sekunde rund um den Globus. So fließen etwa die iTunes-Einnahmen aus Europa, Afrika und dem Nahen Osten an die iTunes S.à.r.l. in Luxemburg. 2011 macht die Apple-Tochter mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz – was etwa einem Fünftel der weltweiten iTunes-Einnahmen entspricht. Luxemburg lockt auch andere Technologie-Unternehmen mit niedrigeren Steuersätzen, die ihre Transaktionen über das kleine Land mit nur einer halben Million Einwohner abwickeln. Damit tun sich insbesondere Anbieter digitaler Produkte wie Musicdownloads oder Software besonders leicht. Und hier zeigt sich, dass sich die Steuergesetze der meisten Länder noch auf eine vom E-Commerce dominierte Wirtschaft eingestellt hat. Während Luxemburg über mehr Steuereinnahmen jubelt, haben die übrigen Staaten wie Frankreich, Belgien oder Deutschland das Nachsehen.
Gewinne ins Steuerparadies durchschleusen
Auch die zwei irischen Tochtergesellschaften von Apple in Irland, die seit den späten 80er Jahren existieren, folgen einem ähnlichen Mechanismus. Während die eine Apple-Tochter von Steuernachlässen der Iren für die Schaffung von Arbeitsplätzen profitiert, dient die andere Gesellschaft vor allem als Hort von Lizenzrechten und Patenten des Konzerns. Dazu werden diese Posten einfach unternehmensintern der irischen Tochter zugesprochen. Dadurch fallen auf einige Gewinne nur irische Steuern in Höhe von 12,5 Prozent an, während in den USA 35 Prozent fällig würden. Laut NYT fiel 2004 mehr als ein Drittel der Konzerngewinne von Apple in dem kleinen Inselstaat an. Das Prinzip „Double Irish“ sorgt aber vor allem für das Durchschleusen von Gewinnen in das Steuerparadies Virgin Islands. Dazu hat Apple einen Anteil der irischen Tochtergesellschaften an die Baldwin Holdings auf den Virgin Island übertragen. Baldwin, benannt nach einer besonders reisetauglichen Apfelsorte, hat weder gemeldete Büro noch eine Telefonnummer. Einziger Direktor des Unternehmens ist der Apple-Finanzchef Peter Oppenheimer aus Cupertino.
Von dort aus fließen die Gewinne aber nicht nur auf die karibischen Inseln, sondern auch in die Niederlande. Hier kommt das „Dutch Sandwich“ ins Spiel. Durch die Verträge Irlands mit anderen europäischen Ländern kann Apple einen Teil seiner Gewinne virtuell und steuerfrei durch die Niederlande schleusen – was sie laut NYT für außen stehende Beobachter und Steuerbehörden im Grunde unsichtbar macht. Die irischen Gesellschaften haben nur sehr eingeschränkte Berichtspflichten zu ihren Geschäftszahlen. Steuerexperten schätzen jedoch, dass es nur aufgrund dieser Konstruktion letztlich gelang, in den vergangenen fünf Jahren nur einen einstelligen Steuersatz zu zahlen. So meidet Apple höhere Steuerzahlungen sowohl in den USA, als auch in den wichtigen Absatzmärkten Deutschland, Frankreich oder Großbritannien.
Für Apple hat die Sache nur einen Haken: Sind die Gewinne erst einmal ins Ausland geflossen, können sie nicht zurück in die USA überführt werden, ohne eine neue Steuerpflicht auszulösen. Aber eine Lobbygruppe von Apple, Google, Microsoft und Pfizer und rund 40 weiteren Unternehmen versucht bereits, eine Regelung für eine steuersparende Rückführung des Auslandsvermögens nach Amerika zu erwirken. Apples Auslandsvermögen belief sich nach Angaben vom April 2012 auf 74 Milliarden Dollar.