Urteil BGH verbietet Werbung für Zweitbrille

Werbung darf Kunden nicht in die Irre führen – vor allem, wenn es um sogenannte Heilmittel wie Brillen geht. Ein Optiker aus Baden-Württemberg hat diese Grenze überschritten – wie der BGH jetzt urteilte.

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„Kostenlose Zweitbrille dazu!“: Die Werbeaktion einer Optikerkette war nicht erlaubt. Quelle: dpa

Karlsruhe Die Frau mit der smarten Brille lächelt die Kunden vom Werbeplakat aus an. „Kostenlose Zweitbrille dazu!“, ist über ihrer Stirn in einem roten Kreis zu lesen. Darüber prangt eine zusammengeklappte Brille mit Geschenkschleife. Diese Werbeaktion der Böblinger Optikerkette Binder aus dem Jahr 2010 war nicht erlaubt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschieden. Binder war von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verklagt worden, das in der Aktion von 2010 einen Verstoß sah.

Die Richter sind häufig mit der Frage konfrontiert, ob diese oder jene Werbung überhaupt erlaubt ist. Auch wenn das Werberecht in den vergangenen Jahren liberalisiert worden ist – zum Schutz der Kunden ist nach wie vor nicht alles möglich, was sich Werbestrategen ausdenken.

„Irreführung“ ist das magische Wort: „Es gilt der Grundsatz, dass Verbraucher schutzwürdiger sind als Unternehmer“, sagt der Bielefelder Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Kevin Kruse. Kunden seien weniger erfahren als Firmen. Dennoch würden sie mit einer Vielzahl von Werbung konfrontiert.

Gesetzestreu zu werben, ist gar nicht so einfach. Denn pauschale Aussagen über „erlaubt“ oder „nicht mehr erlaubt“ sind fast unmöglich. Es kommt vor den Gerichten bei der Beurteilung einer konkreten Werbeaktion daher auf jedes Wort und jede Abbildung an. Wie im BGH-Brillenfall auch. Hier war der hervorgehobene Slogan das Problem.

„Für den Kunden muss klar und deutlich erkennbar sein, welchen Inhalt die Werbeaussage hat. Er darf keinen falschen Eindruck bekommen“, präzisiert Kruse. Gerichte wie der BGH müssen also klären, wie der Verbraucher die Aktion versteht - oder eben missversteht.

So verlor Vodafone einen Rechtsstreit über eine Werbung für einen „Allnet-Flat“-Tarif: Bei den Worten „Jetzt für alle Vodafone-Kunden“ sei nicht erkennbar, dass das Angebot nur für Bestandskunden gedacht sei, urteilte das Landgericht Düsseldorf (Az.: 38 O 78/14). Auch Werbung mit Testergebnissen, vermeintlichen Gütesiegeln und Rabatten schieße gerne mal über das Ziel hinaus, entdeckte die Wettbewerbszentrale.

Noch heikler wird es bei Anpreisungen von Waren für Kinder. „Kinder sind beeinflussbarer als Erwachsene. Denn sie können Werbung noch nicht richtig einschätzen“, sagt die Hamburger Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, Wiebke Baars. Die Unerfahrenheit von Kindern darf demnach nicht ausgenutzt werden.

Direkte Kaufaufforderungen sind daher tabu. Das musste unlängst die Softwarefirma Gameforge erfahren. Der BGH untersagte Werbung zu ihrem Fantasy-Rollenspiel „Runes of Magic“, in dem es hieß: „Schnapp' Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse „Etwas““ (Az.: I ZR 34/12).

Ähnlich heikel verhält es sich bei sogenannten Heilmitteln - wie etwa Brillen. Wie bei den Kindern auch gälten hier höhere Schutzanforderungen, erklärt Anwältin Baars. Rabatte und Zugaben sind zwar durchaus erlaubt - bei Heilmitteln aber nur äußerst eingeschränkt. Schließlich geht es um Gesundheit. Da ist der Kunde noch beeinflussbarer und noch anfälliger für falsche Versprechungen, so das Credo.

Binder hat den Rechtsstreit daher verloren: Besagte wörtliche Anpreisung war dem BGH zu sehr in den Mittelpunkt gerückt. Stichwort „Blickfang“: Es bestehe die Gefahr, dass der Verbraucher die erste Sehhilfe nicht aus gesundheitlichen Gründen kaufe, urteilte der BGH. Sondern nur, um die Zweite als Geschenk dazu zu bekommen.

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