Der Staat kassiert in der Niedrigzinsphase weiter kräftig aus Zuschlägen auf Steuernachforderungen. Im vergangenen Jahr nahm der Fiskus unterm Strich und per Saldo gut 670,5 Millionen Euro an Zinsen ein, wie das Bundesfinanzministerium nun mitteilte. Schon in den Jahren 2014 und 2015 lag das Kassenaufkommen bei insgesamt rund 1,92 Milliarden Euro.
Zu den hohen Überschüssen aus Erstattungs- und Nachzahlungszinsen trugen im vergangenen Jahr Einnahmen von 228 Millionen Euro aus Zinsen zur Einkommen- und Lohnsteuer bei. Die Zinsen zur Körperschaftsteuer betrugen etwa 318 Millionen Euro, die zur Umsatzsteuer rund 131 Millionen Euro.
Der Überschuss von 670 Millionen Euro entspricht dem Saldo aus Erstattungs- und Nachzahlungszinsen, die das Finanzamt berechnet. Denn sowohl für Steuernachforderungen als auch für Steuererstattungen des Finanzamtes fallen nach Ablauf bestimmter Fristen Zinsen von 0,5 Prozent pro Monat an. Die Summe ergibt sich aus der Differenz zwischen Nachzahlungs-, Stundungs- und Aussetzungszinsen (bekommt der Staat) sowie Erstattungszinsen (zugunsten der Steuerpflichtigen).
Seit 2008 soll Vater Staat über die Verzinsung von ausstehenden Steuerschulden 7,5 Milliarden Euro eingenommen haben. Wie viel der Staat hingegen ausgibt, weil er Steuerrückerstattungen ebenfalls verzinsen muss, geht aus dem Bericht leider nicht hervor. Dem Bund der Steuerzahler zufolge nimmt der Staat jedoch regelmäßig deutlich mehr Zinsen ein, als er zahlen muss.
Der feste Zinssatz ist seit mehr als 50 Jahren unverändert und steht gerade in der Niedrigzinsphase immer wieder in der Kritik. Nach Darstellung des Bundesfinanzministeriums ist er verfassungskonform und habe sich in der Praxis bewährt. Der Zinssatz von 0,5 Prozent könne „nicht mit dem wie auch immer verstandenen „Marktzins“ verglichen werden“. Es bestünden Unterschiede zwischen dem „Marktzins“ und der Verzinsung nach der Abgabenordnung.
„Verfassungsgemäßer Zins“ beschäftigt Gerichte
Angesichts der extrem niedrigen Zinsen, die am Kapitalmarkt für Ersparnisse und Guthaben erzielbar sind, empfinden das viele Steuerzahler und Experten als unverhältnismäßig, zumal der Staat bei diesem Thema mit zweierlei Maß misst: Vom Finanzamt erhaltene Zinsen sind genau wie andere Kapitalerträge steuerpflichtig. Gezahlte Zinsen dagegen können vom Steuerzahler in der Regel nicht wie Anlageverluste steuermindernd geltend gemacht werden. Wegen dieser Ungleichbehandlung ist nach Darstellung des Bundesverbandes Lohnsteuerhilfevereine auch eine Verfassungsbeschwerde anhängig (Az. 2 BvR 1711/15).
Zudem laufen noch Verfahren vor dem Finanzgericht Münster (Aktenzeichen 10 K 2472/16 E), in dem es auch um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsen geht, sowie vor dem Bundesfinanzhof (Aktenzeichen I R 77/15) um (verfassungs-)rechtliche Bedenken gegen die Höhe des Zinssatzes. Beide Verfahren werden vom Bund der Steuerzahler unterstützt.
Inzwischen haben auch Politiker das Thema aufgegriffen: Einige CDU-Bundestagsabgeordnete etwa wollen am Zinssatz drehen. „Wir müssen die Vollverzinsung endlich anpassen. Das ist eine Frage der Fairness“, zitiert das "Handelsblatt" etwa Margaret Horb, die für die CDU im Bundestag sitzt. Der Zeitung zufolge hat die CDU bereits einen Gesetzentwurf erarbeitet. Demnach könnte der fiskalische Zinssatz von sechs auf drei Prozent sinken. "Der Steuerzahlerbund fordert seit geraumer Zeit eine Halbierung des Zinssatzes auf drei Prozent pro Jahr. Die Initiative der CDU unterstützt unseren Vorschlag“, sagt Isabel Klocke, Abteilungsleiterin Steuerrecht und Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler.
Einen variablen Zinssatz oder eine gesetzliche Kopplung an bestimmte Kapitalmarktzinsen hält sie wegen geringerer Transparenz und wegen des hohen Aufwands für nicht praktikabel.