Auch Verbraucherschützer halten einen Kreditwiderruf für einen guten Weg für Autokäufer, unbeschadet vom Abgasskandal zu einem neuen Fahrzeug zu kommen, ohne Geld zu verlieren. „Wir wundern uns etwas über die noch recht verhaltene Resonanz. Dabei ist es die wahrscheinlich beste Chance, ein Dieselauto loszuwerden“, sagt Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Allerdings hat die Rückabwicklung ein paar Tücken. So muss etwa der Kreditnehmer, also der Autokäufer, für die Zeit der Kreditnutzung Zinsen zahlen – was aber aufgrund der niedrigen Zinssätze kaum ins Gewicht fällt. Außerdem muss der Käufer den Wertverlust erstatten, den das Fahrzeug allein aufgrund des Alters und der gefahrenen Kilometer erlitten hat.
Die Ergebnisse des Dieselgipfels in Kürze
Insgesamt sollen rund 5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel durch Updates der Motor-Software sauberer werden: 3,8 Millionen von Volkswagen, über 900.000 von Daimler, über 300.000 von BMW und weitere von Opel. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte aber, dass sich von ausländischen Herstellern nur wenige beteiligten. Bei VW sind knapp 2,5 Millionen Diesel, die schon im Pflicht-Rückruf sind, eingerechnet.
Der Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge soll so im Schnitt um 25 bis 30 Prozent sinken, sagen die Hersteller - 30 Prozent müssen es sein, sagt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Die Autobauer versprechen, dass für die Autobesitzer keine Kosten entstehen und die Nachrüstung keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch und Lebensdauer haben wird.
Die Hersteller wollen Besitzer älterer Diesel - Euro-4 oder weniger - mit Prämien motivieren, neue Diesel oder E-Autos zu kaufen.
Ein Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ im Umfang von 500 Millionen Euro soll den Stadtverkehr moderner und sauberer machen und individuelle Pläne für die 28 am stärksten betroffenen Regionen in Deutschland finanzieren. Bund und Hersteller zahlen in gleichen Teilen ein.
Förderprogramme werden aufgestockt, um den Umstieg auf E-Mobilität zum Beispiel bei Nutzfahrzeugen und Bussen zu beschleunigen und Rad- und Schienenverkehr voranzubringen - dafür kommt der Bund auf.
Expertenrunden sollen sich weiterhin mit dem Thema Nachrüstungen an den Motor-Bauteilen selbst, der Hardware, befassen.
Seit 13. Juni 2014 kein Abzug mehr für Gebrauch
Bei älteren Verträgen kommt noch eine Nutzungsentschädigung oben drauf. Damit zahlt der Käufer für die Gebrauchsvorteile aus der Nutzung des Autos eine Entschädigung. Seit einer Gesetzesnovelle müssen Verbraucher diese für Kaufverträge, die ab dem 13. Juni 2014 abgeschlossen wurden, nicht mehr zahlen. „Ein Widerruf lohnt sich, weil der Käufer nach einer Gesetzesänderung bei Rückabwicklung des Kaufvertrages keine Nutzungsentschädigung mehr zahlen muss. Vorher mussten wir oft vom Widerruf abraten. Eine Nutzungsentschädigung, die häufig ein Sachverständiger errechnet, kann richtig teuer werden“, betont Verbraucherschützerin Schmitz.
Weil die Nutzungsentschädigung bei neueren Verträgen entfällt, kann der Widerruf dazu führen, dass der Käufer über die Kaufpreiserstattung wesentlich mehr Geld bekommt, als er für die Begleichung der Restschulden, Zinsen und Tilgung ausgeben muss. Im Idealfall ist der Autobesitzer ein oder mehrere Jahre kostenlos gefahren, anstatt auf einem fast unverkäuflichen Dieselauto sitzen zu bleiben.
„Der Widerruf eines Autokredits ist insbesondere dann sinnvoll, wenn das erworbene Fahrzeug aufgrund des Dieselskandals oder der Fahrverbote für Dieselfahrzeuge einen enormen Wertverlust erlitten hat“, sagt Stachowiak. Und der Wertverlust beim Verkauf eines Skandal-Diesels kann sehr hoch ausfallen. Durch den Einsatz von Manipulationssoftware zur Abgasregulierung geriet nämlich die ganze Fahrzeugklasse in Verruf, so dass auch Fahrverbote in Innenstädten und höhere Steuern auf Diesel und Dieselkraftstoff in der Diskussion sind. Damit besteht die Gefahr, dass der Wagen nicht wie gedacht genutzt werden kann oder mit steigenden Nebenkosten belegt ist. Der Bund freier Kfz-Händler schätzt den Wertverlust bei Dieselautos aufgrund der Folgen des Abgasskandals auf immerhin 20 Prozent.
30.000 statt 5000 Euro
Phillip Caba, Anwalt bei Gansel Rechtsanwälte, kennt Fälle von Kunden, die das nicht hinnehmen wollen, nur zu gut. Im Zuge des Dieselskandals bearbeitet die Kanzlei unter dem Service vw-verhandlung.de zirka 5000 Fälle – nach eigenen Angaben kommen jede Woche mehr als 200 neue dazu. „Es geht darum, den Widerruf des Kreditvertrages so zu instrumentalisieren, dass es gelingt, den Kaufvertrag für das Auto zu Fall zu bringen und rückabzuwickeln“, sagt Caba.
Caba macht eine Beispielrechnung auf: Ein Mandant hatte im Juli 2014 einen sportlichen Audi A7 für 80.000 Euro gekauft. 64.000 Euro vom Kaufpreis hat der Käufer per Kredit finanziert, entsprechend 16.000 Euro aus eigener Tasche gezahlt.
Fragen und Antworten zu Diesel-Fahrverboten
In immer mehr Großstädten müssen Fahrer von älteren Diesel-Autos mit Fahrverboten rechnen. Nach Stuttgart und Hamburg erwägt nun auch München entsprechende Maßnahmen. Die Autoindustrie läuft gegen die Einschränkungen Sturm. Bei den Autokäufern ist die Verunsicherung bereits zu spüren, der Absatz von Diesel-Pkw ist eingebrochen.
Quelle: Reuters
Stand: 14.06.2017
In der Europäischen Union gelten seit 2010 für Feinstaub und Schadstoffe wie Stickstoffdioxid (No2) Grenzwerte zur Luftreinhaltung. Wegen hoher Luftverschmutzung kommt es laut EU-Kommission in Europa jährlich zu 400.000 vorzeitigen Todesfällen, wegen Stickoxiden seien 2003 rund 70.000 Menschen gestorben. In Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien wird das Limit von 40 Mikrogramm je Kubikmeter wiederholt überschritten. Deshalb droht die EU-Kommission den Ländern mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat auf Basis dieser Vorschriften gegen die Luftreinhaltepläne von 16 Städten vor Verwaltungsgerichten geklagt.
Die EU-Kommission listete 28 Gebiete mit Grenzwertüberschreitungen auf. Darunter sind die Ballungsräume Berlin, München, Stuttgart und Hamburg. Auch in Köln, Düsseldorf und fast allen größeren Städten in Nordrhein-Westfalen besteht das Problem. Das Umweltbundesamt hat im vergangenen Jahr in fast 50 Städten zu hohe Belastungen gemessen, häufig nur an einzelnen Plätzen und Straßen. Stuttgart ist mit seiner Kessellage besonders betroffen und plant ab 2018 Fahrverbote an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung auf bestimmten Straßen. Für Lieferverkehr, Taxis oder Handwerker soll es Ausnahmen geben.
Nach Angaben der EU entfallen auf den Straßenverkehr 40 Prozent der Stickoxidemissionen. Rund 80 Prozent davon stoßen wiederum Dieselautos aus. Laut Umweltbundesamt sind Diesel-Pkw in Deutschland für 13 Prozent der Emissionen verantwortlich. Betroffen von Fahrverboten wären nach den Plänen in Stuttgart und München alle Dieselfahrzeuge ab Euro-5 abwärts. Das wären vier von fünf Diesel-Pkw.
Aber auch bei den neuesten Pkw mit Euro-6-Standard ergaben Messungen des Umweltbundesamtes im Realbetrieb viel zu hohe Ausstöße von Stickoxid. Die Autoindustrie hält dagegen, das werde mit den nun auf den Markt kommenden Dieselmotoren gelöst. Ab 2019 dürfen die Selbstzünder auf der Straße den vorgeschriebenen Grenzwert nur noch um das Doppelte übertreffen, zwei Jahre später um das Anderthalbfache. Der Spielraum wird eingeräumt, weil wegen Beladung, Tempo oder Steigungen eine konstante Einhaltung der Laborwerte technisch nicht möglich ist. Bis die neue Diesel-Flotte aber die Luft spürbar verbessert, dauert es nach Schätzungen des Umweltbundesamt bis etwa 2025.
Die Städte betrachten ein Fahrverbot als größten Hebel neben vielen anderen Maßnahmen der Verkehrssteuerung oder Anreizen für Bürger, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Baden-Württemberg verhandelt deshalb mit der Autoindustrie über eine Nachrüstung von Euro-5-Motoren, die rund 40 Prozent der Diesel-Fahrzeuge ausmachen. Sollte der Stickoxid-Ausstoß dadurch genauso viel wie durch Fahrverbote sinken, könnte auf die drastische Maßnahme verzichtet werden. Doch es ist unklar, wie hoch die Kosten sind und wer sie übernimmt - die Autohersteller oder auch die Verbraucher oder der Staat? Ob Dieselfahrverbote rechtlich zulässig sind, muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erst entscheiden. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
Die Länder dringen auf eine bundesweite Klärung. In der Diskussion war die Blaue Plakette, mit der Städte allen Diesel-Autos beispielsweise unterhalb der Euro-6-Norm die Einfahrt verbieten könnten. Doch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die die Plakette selbst vorgeschlagen hatte, ist davon inzwischen abgerückt, da auch die Euro-6-Fahrzeuge zuviel ausstießen. Sie setzt auf Nachrüstungen durch die Industrie. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist gegen Fahrverbote, sieht die Verantwortung aber bei Städten und Ländern. Er argumentiert, wenn Busse, Taxen und Behördenfahrzeuge elektrisch oder mit alternativen Antrieben ausgerüstet würden, könne das Problem für Privatfahrer entschärft werden.
Nun konnte er den Vertrag rückabwickeln, da die Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag fehlerhaft war. Der Kauf fiel so gerade schon unter neues Recht, so dass er keine Nutzungsentschädigung zahlen muss. Der Mandant bekam also 80.000 Euro vom Händler zurückerstattet und gab im Gegenzug den Audi zurück. Für den Wertverlust des Autos musste er zudem 16.000 Euro zahlen - zum Glück hatte der Wagen gemessen an seinem Alter wenig Kilometer auf dem Tacho. Unter dem Strich bekam er also 64.000 Euro zurück. Davon musste er noch die Restschuld aus dem Kredit nebst Zins und Tilgung bezahlen. Unter dem Strich blieben ihm so 30.000 Euro.
Hätte der Mandant eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen, wären ihm voraussichtlich nur 5000 Euro geblieben, da er statt 64.000 Euro wohl nur den Zeitwert des Autos von etwa 35.000 Euro erstattet bekommen hätte.
Der Audi-Fall ist allerdings idealtypisch, da gleich mehrere günstige Faktoren (teures Auto, wenig Kilometer, mehrjährige Nutzung) zusammenkamen. Entfällt die Nutzungsentschädigung, läge in vielen Fällen der finanzielle Vorteil eines Widerrufs um die 5000 Euro. Er kann aber bei neueren und teureren Autos auch schon im Bereich von 20.000 Euro liegen.
Wie aber ist ein geordneter und erfolgversprechender Widerruf zu organisieren?