WiWo-Top-Kanzleien Die besten Anwälte für Kartellrecht

Profis für Kartellrecht sind zunehmend gefragt. Einige bieten sogar Probe-Durchsuchungen für Unternehmen an. Die WirtschaftsWoche hat die besten Kanzleien Deutschlands für kartellrechtliche Problemfälle herausgefiltert.

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Top-Anwälte für Kartellrecht sind heute gefragt wie nie Quelle: Fotolia

Schreddern Sie bloß nichts“, warnt Markus Wirtz, Kartellrechtsanwalt von der Düsseldorfer Kanzlei Glade Michel Wirtz seine Mandanten. Sein Rat widerspricht zwar der in vielen Unternehmen verbreiteten Clean-Desk-Policy, die blanke Schreibtischplatten ohne Aktenstapel und Papiere fordert. Doch das moderne Aufräumen kann fatale Folgen haben, bis hin zu Millionenbußgeldern, die EU-Kommission oder das Bundeskartellamt bei verbotenen Preisabsprachen und ähnlichen Geheimabreden ganz fix verhängen. Wer Aufzeichnungen über Gespräche, Unterlagen aus Verbandssitzungen, Notizen zu Meetings mit Geschäftspartnern oder alte Mails vernichtet, macht sich, wenn Kartellbehörden wegen verbotener Preis- oder Gebietsabsprachen ermitteln, womöglich selbst verteidigungsunfähig. Einerseits kann er, wenn er unschuldig ist, kein entlastendes Material vorlegen.

Andererseits dürfte er, wenn er sich wirklich schuldig gemacht haben sollte, kaum von der Kronzeugenregelung profitieren. Wer auf diesem Weg eine Millionenbuße reduzieren will, muss „in vollem Umfang kooperieren“, sagt Wirtz. Der reuige Kartellsünder sollte alles offenlegen. Kommt die Behörde auf die Idee, er habe ihr nicht alles präsentiert und ihr keinen Mehrwert an Erkenntnis gebracht, gibt es keine Reduktion – und schon gar keinen Erlass.

Selbst handschriftliche Notizen werden dann plötzlich sehr wichtig. So berichtet ein Kartellrechtsprofi einer Düsseldorfer Großkanzlei von einem Mandanten, der weder Papiere aufbewahrt noch Mails gespeichert hatte und eine Buße von rund fünf Millionen Euro zahlen sollte. Hätte der nicht im letzten Moment einen Mitarbeiter im Ruhestand aufgetrieben, der 30 Jahre lang in dem Unternehmen gewesen war und die Kopien entscheidender Aufzeichnungen an sich genommen hatte, hätte die Firma zahlen müssen – nur weil sie keinen einzigen Gegenbeweis vorlegen konnte. Weil die Materie so knifflig ist und die Zahl der aufgedeckten Kartelle laufend steigt, haben Kartellrechtler gute Zukunftsaussichten: Die Zahl ihrer Mandanten steigt. 172 Unternehmen durchsuchte das Bundeskartellamt 2009/10 in 27 Verfahren. Die EU-Kommission verhängte 2010 rund drei Milliarden Euro Bußgelder für Kartellverstöße, das Bundeskartellamt 266,7 Millionen Euro.

Existenzbedrohende Strafen

WiWo-Top-Kanzleien

Sich in Kartellverfahren zu wehren lohnt durchaus, vor allem wenn die Alternative angesichts der hohen Strafen womöglich der Konkurs des Unternehmens ist. Im Fall des Kurzwarenproduzenten Prym aus Stolberg etwa hatte die EU-Kommission vor vier Jahren zunächst 40,5 Millionen Euro Strafe verhängt, weil sich das Familienunternehmen an illegalen Preisabsprachen beteiligt hatte. Schon 2006 hatte der Weltmarktführer eine Geldbuße von 25 Millionen Euro kassiert. Spätestens nach der zweiten Strafe kämpfte das Traditionsunternehmen ums Überleben. Hans-Jörg Niemeyer von Hengeler Mueller – einer der erfahrensten Brüsseler Kartellrechtler – schaffte es, bei der EU-Kommission eine beachtliche Reduzierung auf 15,5 Millionen Euro durchzusetzen.

Die Stundenhonorare für Partner der Kanzleien liegen im Schnitt bei 350 bis 500 Euro, für angestellte Anwälte bei 300 bis 400 Euro. Kartellrecht sei „eine Spezialmaterie, bei der die Honorarhöhe nicht so sehr im Vordergrund steht“, berichtet Alexander Birnstiel aus der Großkanzlei Noerr. Soll heißen: Es geht um Millionensummen, einzelne Unternehmen sind aber selten betroffen, deshalb tolerieren sie auch hohe Sätze.

Jedoch: Um namhafte Mandate an Land zu ziehen, machen selbst renommierte Adressen schon mal Preiszugeständnisse. Ihr Geld holen sie sich dann bisweilen, indem sie überdimensionierte Teams auf Fälle ansetzen.

Gut für die Anwälte: Unternehmen, die zulasten anderer verbotene Absprachen getroffen haben, sind nicht mehr die einzigen Klienten für Kartellrechtsprofis. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2005 tut sich auch in Deutschland eine neue Klientel auf: die Geschädigten. Vor denen waren Kartellsünder bis dahin in Deutschland ziemlich sicher – anders als in den USA. „In den Vereinigten Staaten müssen Unternehmen für jeden Dollar Buße obendrauf mit zwei Dollar Schadensersatzzahlung rechnen – für Verbraucher oder andere Unternehmen, die wegen der unerlaubten Kartellabsprachen zu viel bezahlen mussten“, sagt Martin Klusmann von Freshfields. Sogar die Europäische Kommission hat eine eigene Schadensersatzklage in Brüssel eingereicht – gegen die Kartellmitglieder des sogenannten Rolltreppen- und Aufzugkartells, unter ihnen ThyssenKrupp.

Auch in ihren Gebäuden, so meint die Kommission habe sie mehr als die marktüblichen Preise bezahlt. „Ist das Kartellverfahren beendet, geht es mit den Schadensersatzansprüchen von geschädigten Kunden erst richtig los“, sagt Markus Wirtz.

50 Jahre Schienenkartell

Prominentes Beispiel ist das Schienenkartell, bei dem Voest alpine, ThyssenKrupp und andere Stahlproduzenten über 50 Jahre lang Mengen und Preise auf dem Schienenmarkt abgesprochen hatten. Die Geschädigte, die Deutsche Bahn, steht eindeutig fest und forderte schon jetzt Schadensersatz – bevor das Bundeskartellamt eine Buße verhängt hat. „Neu ist hier, dass nicht nur die Kartellwächter ermitteln, sondern gleichzeitig die Staatsanwaltschaft Bochum gegen die beteiligten Manager als Personen“, erläutert Wirtz. „Denen droht sogar Gefängnis, was im Kartellrecht nicht vorkommt.“ Gefundenes Fressen für Ermittler und Geschädigte ist eine Excel-Tabelle, in der die jährlichen Liefermengen im Detail aufgelistet sind.

Zunehmend verdienen die Kanzleien auch an der Beratung von Unternehmen, bei einigen bringt die Prävention schon ein Drittel des Umsatzes. Probe-Durchsuchungen der Juristen vor Ort beim Kunden kosten 5000 bis 10.000 Euro. Durch sie soll die Belegschaft sensibilisiert und sichergestellt werden, dass sie sich an die Leitfäden der Firmen für Durchsuchungen halten.

Noerr bietet sogar schon eine Gratis-App für Durchsuchungen in Kartellfällen an, samt Emergency-Button zur Kanzlei und genauen Verhaltensmaßregeln. Seit Juli wurde sie immerhin schon 500-mal heruntergeladen.

WiWo-Top-Kanzleien

Die 25 Top-Kanzleien für Kartellrecht¹

Klicken Sie auf die Namen der Kanzleien und einzelner Anwälte, um mehr über das Unternehmen und seine Top-Anwälte für Kartellrecht zu erfahren.
KanzleiNachname, Vorname

Allen & Overy

Bechtold, Martin

Baker & McKenzie

Horstkotte, Christian

Bird & Bird

Federle, Anne; Witting, Dr. Jörg

Cleary Gottlieb Steen & Hamilton

Barthelmeß, Dr. Stephan; Heinz, Silke; Polley, Dr. Romina; Schroeder, Prof. Dr. Dirk

Clifford Chance

Besen, Marc; Schütze, Dr. Joachim

CMS Hasche Sigle

Bauer, Dr. Michael; Kahlenberg, Dr. Harald; Reher, Dr. Tim; Schöner, Dr. Markus

Freshfields Bruckhaus Deringer

Bergmann, Dr. Helmut; Klusmann, Dr. Martin; Montag, Dr. Frank; Richter, Dr. Burkhard; Wiedemann, Prof. Dr. Gerhard

Glade Michel Wirtz

Wirtz, Dr. Markus

Gleiss Lutz

Bechtold, Prof. Dr. Rainer; Bosch, Dr. Wolfgang; Brinker, Dr. Ingo; Denzel, Dr. Ulrich; Karl, Dr. Matthias

Hengeler Mueller

Bischke, Dr. Alf-Henrik; Mäger, Dr. Thorsten; Niemeyer, Dr. Hans-Jörg; Satzky, Dr. Horst; Stadler, Dr. Christoph

Hogan Lovells

Bremer, Dr. Eckhard; Sura, Dr. Martin; Wagner, Dr. Christoph

Jones Day

Gromotke, Dr. Carsten; Jestaedt, Dr. Thomas; Zöttl, Dr. Johannes

Latham & Watkins

Eickstädt, Gaby; Nunez Müller, Dr. Marco; Weitbrecht, Prof. Dr. Andreas

Linklaters

Deselaers, Dr. Wolfgang; Grave, Dr. Carsten; Meyring, Dr. Bernd; Seeliger, Dr. Daniela

Luther

Kapp, Dr. Thomas

Milbank Tweed Hadley & McCloy

Rinne, Dr. Alexander

Noerr

Birnstiel, Dr. Aleaxander; Westermann, Dr. Kathrin

Oppenhoff & Partner

Kleine, Dr. Maxim

Oppenländer

Bach, Prof. Dr. Albrecht

Redeker Sellner Dahs

Rosenfeld, Dr. Andreas

Shearman & Sterling

 

Meyer-Lindemann, Prof. Dr. Hans-Jürgen

Sorainen

Riesenkampff, Prof. Dr. Alexander

SZA Schilling

Hellmann, Hans-Joachim

Taylor Wessing

Dietrich, Dr. Michael; Hartmann-Rüpel, Dr. Marco; Hülsen, Dr. Philipp von

Wilmer Hale

Kamann, Prof. Dr. Hans-Georg; Quack, Ulrich; Völcker, Dr. Sven

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in alphabetischer Reihenfolge; in Fettdruck: Wen die Juroren besonders empfehlen;   Quelle: Wirtschaftswoche 2011

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