WiWo-Top-Kanzleien Die besten Anwälte für Wirtschaftsstrafrecht

Wenn Manager vor Gericht müssen, sind Top-Strafrechtler gefragt. Wir haben die besten Anwälte für Wirtschaftsstrafrecht ermittelt.

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Starke Verteidigungslinie in der Not: Möbel-Schieder-Gründer Rolf Demuth mit seinem Rechstbeistand Dierlamm (von links)

Im schlimmsten Fall drohten Rolf Demuth, 72, dem Gründer des einstigen Möbel-Giganten Schieder, zehn Jahre Gefängnis – wegen besonders schweren Betrugs in mehreren Fällen. Durch Bilanzmanipulationen sollen er und drei Top-Manager zulasten von Banken und Investoren 234 Millionen Euro Schaden verursacht haben. Demuth erhielt am Ende des mehr als acht Monate laufenden Prozesses mit dreieinhalb Jahren Haft - und kam somit deutlich glimpflicher davon. Verurteilt wurde er von den Richtern am Landgericht Detmold nur noch wegen Kreditbetrugs: Der Unternehmer habe letztlich seine Firma mit ihren 11.000 Mitarbeitern retten wollen .

Davon überzeugt hat die Richter wohl vor allem Demuths Anwalt, der Strafverteidiger Alfred Dierlamm. Der Wiesbadener Professor gehört zu den Top-25-Strafverteidigern, die die WirtschaftsWoche in einem mehrstufigen Verfahren auswählte.

Das Geschäft der Juristen floriert. „Die Bedeutung des Wirtschaftsstrafrechts hat stark zugenommen, es gibt noch viel Wachstumspotenzial“, sagt Alexander Ignor, Strafrechtsprofessor aus Berlin. In größeren Unternehmen sei es heute Standard, vor Entscheidungen das strafrechtliche Risiko zu checken, berichtet Verteidiger Eberhard Kempf. Der Frankfurter verteidigte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Mannesmann-Prozess.

„Das Strafrecht war früher dazu da, um Kriminelle zu bestrafen. Heute ist das Strafbarkeitsrisiko ein typisches Risiko unternehmerischer Tätigkeit“, meint Tido Park, Juraprofessor aus Dortmund.

Energische Staatsanwälte

Hinzu kommt, dass die Staatsanwälte heute keine Beißhemmung mehr gegenüber Top-Managern haben: „Die Zeiten, in denen die Kleinen gehängt und die Großen laufen gelassen wurden, sind endgültig vorbei, heute werden auch Kaiser und Könige gehängt“, diagnostiziert Renate Verjans von der Düsseldorfer Kanzlei VBB Rechtsanwälte, die zum Beispiel Evonik berät. Das Wirtschaftsstrafrecht selbst habe sich nicht verschärft, meint Strafverteidiger Hanns W. Feigen aus Frankfurt. Doch die Staatsanwälte seien qualifizierter und träten energischer auf. Sie seien mehr denn je in der Lage, komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge zu durchschauen. Feigen betreute die WestLB oder die IKB und wurde auch von Klaus Zumwinkel beauftragt, als diesem Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde. Er hatte dem Ex-Post-Chef zum Geständnis geraten, der kam mit zwei Jahren auf Bewährung davon.

Rund 40 Prozent der Strafsachen, in denen eine Staatsanwaltschaft ermittelt, enden heute vor Gericht. Damit ihre Klienten zu den 60 Prozent gehören, die ohne Strafprozess davonkommen, bieten die Strafrechtler ihre Dienste schon im Vorfeld an: In Dierlamms Kanzlei „macht das Geschäft mit der Prävention bereits ein Drittel aus“, sagt er.

Der Gesetzgeber hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein undurchschaubares Netz von Regeln gesponnen, die vielen Unternehmen das Leben schwer machen, berichten Vertreter der Zunft. Weil lange Zeit unklar bleibe, wie die Rechtsprechung neue Regeln später auslegt, müssten sich Unternehmen präventiv immer stärker wappnen und mithilfe von Strafrechtlern strittige Fragen klären.

Angstthema Korruption

Stark verunsichert sind Deutschlands Manager etwa ob der nicht enden wollenden Korruptionsskandale bei ersten Industrieadressen. Was aber ist Korruption? Wenn Verkäufer der Telekom, um bei VW Sympathiepunkte zu sammeln, deren Werksverein sponsern? Wenn ein Chef-einkäufer eine Einladung zum Formel 1-Rennen annimmt? Oder wenn ein Vertriebler seinem Geschäftspartner ein Essen für 20, 50 oder 75 Euro spendiert? Die Antworten sind nicht eindeutig, die Wirtschaftsstrafrechtler brüteten deshalb im Arbeitskreis Corporate Compliance einen „Kodex zur Abgrenzung von legaler Kundenpflege und Korruption“ aus. Zuwendungen bis 50 Euro gelten danach als „praktikabel und sachgerecht“.

Anlaufstelle für Whistleblower

WiWo-Top-Kanzleien

Top-Wirtschaftsstrafrechtler kosten etwa 400 Euro pro Stunde – und rechnen auch schon mal in Sechs-Minuten-Einheiten ab. Spezialisten für Revisionen verlangen auch bis zu 1000 Euro Stundenhonorar. Bisher dominieren noch prominente Einzelkämpfer aus kleinen, auf sie zugeschnittenen Kanzleien das Geschäft. Aber mehr und mehr entdecken auch Großkanzleien, dass Wirtschaftsstrafrecht ein attraktives Geschäftsmodell ist. White & Case etwa erhöhte allein 2010 sein Wirtschaftsstrafrechtsteam von fünf auf neun Leute.

Eine Strafverteidigung sei pro Person selten unter 50.000 Euro zu haben, schätzt Michael Hendricks, Experte für Managerhaftung. Dauern Ermittlungen länger als sechs Monate, seien mehrere 100.000 Euro schnell erreicht. Die Managerhaftpflichtversicherung (D&O) zahlt bei Strafverfahren keine Anwaltskosten. 56 Prozent der deutschen Großunternehmen haben deshalb eine Strafrechtsschutzversicherung abgeschlossen. Große Anbieter sind Roland, Zurich, HDI und Allianz. Ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern kostet eine Police mit einer Million Euro Deckung für die hohen Stundenhonorare der Verteidiger rund 10.000 Euro pro Jahr.

Anlaufstelle für "Whistleblower"

Neue Gesetze, Bürokratie und Informationstechnik haben den Job des Strafrechtlers verändert. Noch vor 20 Jahren sei für die Härtesten der Wirtschaftsrechtler das Plädoyer im Schwurgerichtssaal das Maß aller Dinge gewesen, erinnert sich Klaus Leipold, Anwalt aus München. Heute bewerfen sich Staatsanwälte und Verteidiger vor allem mit umfangreichen Schriftsätzen und „ersticken unter Papierbergen“, stöhnt Professor Norbert Gatzweiler. Die Auswertung von Serverdaten ist bei Staatsanwälten Standard – wobei jede Mail gedruckt und archiviert werden muss. „Da viele E-Mails neunmal ein cc aufweisen, muss natürlich jedes einzelne in die Akten“, spöttelt Verjans. „Ich hatte zu einem Fall 17.000 Aktenordner und musste für sie eine Lagerhalle mieten“, berichtet auch Dierlamm.

Abseits der klassischen Verteidigung von Managern vor Gericht haben viele der Top-Wirtschaftsstrafrechtler neue Betätigungsfelder aufgetan. Helmut Görling aus Frankfurt etwa deckt im Auftrag von Unternehmen wie Ikea Straftaten auf. Staatsanwälte bekommen von ihm ausrecherchierte Fälle, sodass Verfahren dann oft zügig beendet werden können. Strafrechtler fungieren auch als Anlaufstellen für Mitarbeiter, die Straftaten anzeigen wollen („Whistleblower“). Prominentes Beispiel ist Eckart C. Hild aus Frankfurt, der auch Ombudsmann der Bahn ist. In acht Jahren liefen bei ihm 543 Hinweise auf, von denen 148 zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen führten.

Tabelle: Die Top-Kanzleien für Wirtschaftsrecht

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