Ein Klient fordert seine Wirtschaftsprüfer (WP) auf, ein Angebot für einen neuen Prüfungsauftrag abzugeben – ein normaler Vorgang. Nicht normal aber, was als Angebot dann beim Unternehmen hereinflatterte: ein Angebot eines Konkurrenten, einer Prüfungsgesellschaft aus Süddeutschland, die der Unternehmenschef gar nicht gefragt hatte. Nur durch diesen Zufall kam heraus, was da eine ganze Truppe einer der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gerade trieb, nämlich heimlich einen großen Teamwechsel vorzubereiten.
Arbeitsrechtler-Ranking: Die Jury
Silvio Fricke ist Geschäftsführer des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU).
Ulrich Goldschmidt ist Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands Die Führungskräfte.
Martin Schlag ist General Counsel/ Head of Corporate Advice Legal bei Thyssenkrupp.
Achim Schunder ist Leiter der Zeitschriftenniederlassung des Verlags C.H. Beck.
Alexander Werner ist Leiter Konzernarbeitsrecht bei Merck Group in Darmstadt.
Alexander Zumkeller ist Leiter Arbeitsrecht, Tarif-, Sozialpolitik bei ABB.
Einer der Köpfe des untreuen Teams hatte die Aufforderung für das neue Angebot aufgehalten und schnurstracks an die neue berufliche Heimat geschickt. Und nicht nur das: Die Abtrünnigen hatten auch Kundenlisten und Betriebsgeheimnisse über den dienstlichen Mail-Account herausgeschleust – vor allem Gehaltslisten. Damit konnte der neue Arbeitgeber schon mal gezielt Abwerbeangebote an weitere Kollegen machen.
Doch der vermeintliche Coup flog auf. Kurz darauf traf sich ein großes Aufgebot an Anwälten mit der Maßgabe, den brisanten und peinlichen Fall unter der Decke zu halten. Am Ende der Verhandlungen musste die abwerbende WP-Gesellschaft 700.000 Euro Schadensersatz berappen für mitgenommene Kunden, verlorenen Umsatz und Anwaltskosten. „Solche Fälle nehmen zu, die Wechselbereitschaft ist insgesamt gestiegen“, beobachtet Arbeitsrechtler Michael Kliemt. Er ist Gründer von Kliemt & Vollstaedt, einer der renommiertesten Spezialkanzleien mit rund 60 Anwälten, die sich unter den Top 27 im WirtschaftsWoche-Topkanzleien-Ranking befindet.
Für das Ranking hat das Handelsblatt Research Institute (HRI) im ersten Schritt mehr als 500 Arbeitsrechtsexperten identifiziert, denen im zweiten Schritt alle Arbeitsrechtsanwälte zur Bewertung vorgelegt wurden. Eigenbewertungen waren ausgeschlossen. Die Rücklaufquote betrug am Ende stolze 42 Prozent.
Die daraus entstandene Liste von 38 Kanzleien begutachtete wiederum die Jury mit Unternehmens-Chefjuristen Martin Schlag von Thyssenkrupp, Alexander Werner von Merck Group und Alexander Zumkeller von ABB. Für die wissenschaftliche Seite votierten als Juror Achim Schunder, Leiter Zeitschriften des Verlags C.H.Beck, und für die Verbände-Seite Silvio Fricke vom Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen sowie Ulrich Goldschmidt vom Berufsverband Die Führungskräfte. Das Ergebnis: 27 Kanzleien mit 45 hervorgehobenen Experten gelang die Aufnahme im Arbeitsrechtler-Ranking der WirtschaftsWoche.
Arbeitsrechtler führen kein Nischendasein mehr. „Der Beratungsbedarf ist extrem gestiegen“, sagt Stefan Röhrborn, Partner bei Vangard. Compliance, Scheinselbstständigkeit, Lohngleichheitsgesetz, Arbeitsstättenschutzverordnung, Regulierung der Leiharbeit, Frauenförderung, Rückkehr in Vollzeit sind nur einige der Themen, die Unternehmen aktuell viel Detailarbeit bescheren und für die sie Juristenhilfe brauchen.
Zudem: Schon seit gut 15 Jahren bescheren die nie enden wollenden Restrukturierungswellen der Unternehmen mit immer neuen Entlassungsrunden wie zuletzt bei der Commerzbank Arbeitsrechtlern viel Arbeit mit Sozialplänen und Abfindungsverhandlungen. Ebenso wie Firmenübernahmen, die im vergangenen Jahr einen neuen Höhepunkt erreichten.
Partner für 700 Euro pro Stunde
300 bis 700 Euro kosten Partner renommierter Adressen an Stundenhonorar. Angestellte Anwälte – je nach Erfahrung – 200 bis 400 Euro die Stunde. Die Faustregel: Law Firms schreiben höhere Rechnungen als Spezialistenkanzleien, und sie verlegen sich immer mehr auf das Geschäft mit Transaktionen und insbesondere auf die Schnittstellen zu Steuerrecht oder Datenschutzrecht.
„War Datenschutz früher nur etwas für abgedrehte Spinner, so ist es heute ein großes Thema“, sagt Kliemt. Ein großes Thema, weil zu viel auf dem Spiel steht, seit der Gesetzgeber Ernst macht: Firmen drohen bei Mängeln erhebliche Strafzahlungen, und Manager haben sogar strafrechtliche Risiken – von Reputationsschäden der Unternehmen ganz zu schweigen.