Telekommunikation Bundestag stoppt Telefon-Abzocke

Endlich mehr Rechte für alle, die telefonieren und im Internet surfen. Der Bundestag hat heute beschlossen, dass Telefon-Warteschleifen kostenlos sein müssen. Auch Kostenfallen und Knebelparagraphen wurden beseitigt.

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Mehr Kostenkontrolle für die Kunden: Bundestag stoppt Telefon-Abzocke. Quelle: handelsblatt.com

Telefonieren und im Internet surfen könnte so einfach sein – eigentlich. Doch wenn Verbraucher ihren Vertrag oder gar ihren Wohnort wechseln wollen, gibt es häufig Probleme. Auch Kostenfallen lauern an jeder Ecke, etwa bei Hotline-Anrufen, Call-by-Call-Nummern und Klingelton-Abos. Heute wird die Telekommunikationswelt für Verbraucher ein bisschen besser. Der Bundestag hat das Telekommunikationsgesetz (TKG) verabschiedet, nur der Bundesrat muss noch zustimmen. „Wir begrüßen das Gesetz und sind sehr zufrieden damit“, sagt Lina Ehrig, Telekommunikationsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).

Kostenlose Warteschleifen

Der Anruf bei einer Service-Hotline kostet den Verbraucher häufig Nerven. Daran wird wohl auch das Gesetz nichts ändern. Aber immerhin müssen Kunden in Zukunft weniger für das Telefonat zahlen. Künftig soll nämlich nur die Zeit berechnet werden, in der das Anliegen des Anrufers tatsächlich bearbeitet wird. Die Warteschleife, in der Kunden mit Musik oder der Ansagen wie „bitte warten Sie“ beschallt werden, soll kostenlos sein. Ein persönliches Gespräch mit einem Servicemitarbeiter ist jedoch keine Bedingung für die Zahlungspflicht. Ein Anliegen kann auch mit Computeransagen bearbeitet werden – so etwa, wenn der Kunde beim Telefonbanking eine Überweisung durchgibt.

Ab Inkrafttreten des Gesetzes haben die Unternehmen jedoch noch ein Jahr Schonfrist für die technische Umsetzung. Eine kleine Verbesserung soll es aber schon vorher geben: „Drei Monate nach Inkrafttreten in Gesetzes sollen die ersten 120 Sekunden in der Eingangswarteschleife kostenlos sein“, sagt Ehrig.

Mit dem Vertrag umziehen

Eine zentrale Änderung betrifft Kunden, die umziehen möchten. Bislang ist es nicht möglich, einen bestehenden Festnetz- und Internetvertrag einfach mitzunehmen. Am neuen Wohnort muss ein neuer Vertrag geschlossen werden, auch, wenn der Anbieter der gleiche bleibt. „Das ist für die Verbraucher sehr misslich, denn dadurch sind sie meist auch wieder für 24 Monate an den Vertrag gebunden“, sagt Ehrig. Künftig soll der bestehende Vertrag einfach mit umziehen.

Kunden regionaler Anbieter, die in anderen Städten keinen Anschluss bieten können, sollen mit einer Frist von drei Monaten kündigen können. Das gilt beispielsweise auch, wenn der Anbieter am neuen Wohnort nur eine langsamere DSL-Geschwindigkeit garantieren kann als vertraglich vereinbart wurde. „Bislang konnten die Kunden in solchen Fällen nur auf die Kulanz der Anbieter hoffen“, sagt die Verbraucherschützerin.

Verbesserungspotenzial sieht sie aber immer noch. So ist in dem Gesetz kein Sonderkündigungsrecht vorgesehen für den Fall, dass ein Kunde seine Wohnung – und damit auch den Telefonanschluss – altersbedingt aufgeben muss oder zwei Kunden ihre Haushalte zusammenlegen und deshalb nur noch einen Anschluss brauchen.

Rufnummer mitnehmen

Eine neue Regelung gibt es auch für Mobilfunkkunden. Wer seine Rufnummer von einem Anbieter zum anderen mitnehmen möchte, musste bisher warten, bis der Vertrag ausgelaufen ist. Künftig können Kunden ihre Nummer jederzeit in einen anderen Vertrag mitnehmen – unabhängig vom Ende des alten Vertrags.

Telefon- und Internetanbieter wechseln

Wer bislang seinen Telefon- und Internetanbieter wechseln wollte, lief Gefahr, einige Wochen oder gar Monate von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Nach dem neuen Gesetz muss die Umschaltung von einem zum anderen Anbieter innerhalb eines Werktages erledigt sein. Klappt das nicht, muss der alte Anbieter den Kunden wieder versorgen – beziehungsweise auf das Netz „aufschalten“, wie es in der Fachsprache heißt. „Das funktioniert in etwa so wie bei der Strom- und Gasversorgung“, sagt Lina Ehrig, „die Grundversorgung soll immer sichergestellt sein.“ Allerdings sieht das Gesetz keine Sanktionen für den Fall vor, dass Anbieter dem nicht nachkommen. Zahlen soll der Verbraucher dem alten Netzanbieter dafür die Hälfte des zuvor entrichteten Entgelts.

Bevor Verbraucher von dieser Regelung profitieren können, müssen sie sich aber noch ein bisschen gedulden: Sobald das Gesetz endgültig beschlossen wurde, also auch der Bundesrat zugestimmt hat, bleibt den Anbietern noch ein halbes Jahr, um die Umstellung technisch vorzubereiten.

Verkürzte Mindestvertragslaufzeit

Einen Vorteil werden Kunden von Telekommunikationsunternehmen auch durch eine kürzere Mindestvertragslaufzeit haben. Bereits heute entspricht es gängiger Praxis und den Vorgaben des AGB-Rechts, dass die Mindestvertragslaufzeit nicht länger als 24 Monate sein darf. „Künftig sollen Unternehmen außerdem verpflichtet sein, einen Tarif mit nur zwölf Monaten Mindestlaufzeit anzubieten“, sagt Monika Menz, Fachanwältin für Informationstechnologierecht bei Beiten Burkhardt in Berlin.

Call-by-Call

Der Versuch, mit günstigen Vorwahlen Geld zu sparen, kann bisher schnell nach hinten losgehen. Die Unternehmen müssen zu Beginn des Telefonats keine Preisansage machen. „Die Preise ändern sich jedoch sehr kurzfristig, deshalb mussten wir Verbrauchern bislang raten, vor jedem Anruf nachzuschauen, ob der Tarif noch stimmt oder direkt einen Anbieter mit Preisansage zu wählen“, sagt Ehrig. Die Verbraucherschützerin zeigt sich aber optimistisch, dass auch dieses Problem mit dem neuen Gesetz beseitigt wird und es künftig verpflichtende Preisansagen geben wird.

Schutz vor Abofallen

Hohe Kosten entstehen häufig auch, wenn Verbraucher Klingeltöne, Hintergrundbilder oder Gewinnspiele mit dem Handy bezahlt, dabei tappen sie leicht in eine Abofalle. „Abgerechnet wird bislang automatisch“, sagt Ehrig. „Wir hoffen, dass der Bundestag auch die Möglichkeit für eine Abrechnungssperre schaffen wird.“ Damit könnten sich Verbraucher vor ungewollten Abbuchungen schützen.

Mehr Datenschutz

Auch von einigen neuen Regelungen zum Datenschutz könnten die Verbraucher profitieren: So war im Gesetz bereits jetzt festgeschrieben, dass  Mobilfunkanbieter die Standortdaten ihrer Kunden nicht ohne deren Zustimmung erheben dürfen. Neu ist, dass der Kunde bei jeder Verwendung der Standortdaten per Textmitteilung informiert werden muss.

Datenschützer hatten zudem darauf gehofft, dass es eine Regelung zur Auswertung von Nutzungsdaten im Internet geben würde. Dazu konnten sich die Abgeordneten jedoch nicht durchringen. Beim Surfen im Internet werden oftmals so genannte Cookies gesetzt, die beispielsweise aufzeichnen, welche Internetseiten der Nutzer besucht und wie lange er sich dort aufhält. Diese Daten dürfen weiterhin ohne besondere Einwilligung gesammelt werden.

Auch in der Frage, wie lange Telekom-Anbieter Verkehrsdaten zu Abrechnungszwecken gespeichert werden dürfen, gab es keine Einigung.

Anschluss-Sperre

Mehr Rechtssicherheit sollen Kunden und Telekommunikationsanbieter auch beim Thema Anschluss-Sperre bekommen. Die Regelungen sollen von Festnetz- auch auf Mobilfunkanschlüsse ausgeweitet werden. Unternehmen dürfen den Anschluss erst dann sperren, wenn die unbezahlten Rechnungen des Kunden die Grenze von 75 Euro erreicht haben. „Diese Grenze ist sehr verbraucherfreundlich, da die monatlichen Rechnungen häufig nur um die 25 Euro liegen, der Kunde kann also mit seinen Zahlungen etwa drei Monate überfällig sein, bevor der Anschluss gesperrt wird“, sagt Menz.

Netzausbau

Besonders kontrovers diskutiert wurden in den Fraktionen zuletzt noch die Regelungen zum Ausbau der Breitband-Leitungen. So wurde beispielsweise ein sogenannter Straßenbauatlas vorgeschlagen, mit dem Telefonanbieter - die Investoren für den Breitbandausbau - vor dem Verlegen neuer Kabel informiert werden, wo ohnehin Straßenbauarbeiten anstehen. Im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sprachen sich die Fraktionen von Union und FDP am Mittwoch jedoch dafür aus, dass der Markt die weitere Verbreitung von Breitbandleitungen selbst regeln solle. Unternehmen werden also auch künftig nicht zum bundesweiten Ausbau schneller Internetanschlüsse verpflichtet.

Fazit

„Wir sind zuversichtlich, dass sich die Änderungen auch in der Praxis niederschlagen werden“, sagt Ehrig. So könne etwa der vereinfachte Anbieterwechsel zu mehr Wettbewerb und damit auch zu günstigeren Preisen für die Verbraucher führen.

Die Entscheidung war schon längst überfällig. Ursprünglich wollte der Bundestag schon am 20. Oktober abschließend über das neue Gesetz debattieren und darüber abstimmen. Dieser Termin wurde jedoch kurzfristig verschoben. Grundlage für die Neuerungen ist die Universaldienstrichtlinie der EU-Kommission (Richtlinie 2009/140/EG) – das sogenannte Telekom-Paket aus Brüssel – und die hätte eigentlich schon bis 25. Mai 2011 umgesetzt werden müssen.

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