Silber Überflieger aus Metall

Anders als Gold haben die Anleger Silber als krisensicheres Investment spät entdeckt. Doch nun hebt der Silberpreis ab – und das könnte erst der Anfang sein.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Silber galt unter Anlegern lange als der arme Cousin des Goldes. Nun glänzt es besonders hell. Im Mai war das Edelmetall mit 15 US-Dollar je Unze so teuer wie seit 23 Jahren nicht. In den vergangenen zehn Jahren lag der Durchschnittspreis bei fünf Dollar. Einige Silberexperten prognostizieren für die kommenden Monate neue Rekordmarken. Silber und Gold haben zwar dieses Jahr auch stark von ihrer Rolle als Schutz gegen Inflation und als Alternative zu Papiergeld profitiert – erst recht, seit in den USA die Preise schneller steigen. So richtig in Schwung kam der Silberpreis Ende April, als mit dem iShares Silver Trust der erste börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Fund, ETF) aufgelegt wurde, mit dem Anleger direkt auf den Silberpreis setzen können. Damit muss niemand mehr Silberbarren kaufen und sich in den Keller oder Banktresor legen. Auch der erste Gold-ETF hatte vor zwei Jahren zur Goldhausse beigetragen. Gold hat dieses Jahr bereits 25 Prozent zugelegt und notiert bei rund 650 Dollar je Unze. Die Silberpreise hatten schon unmittelbar vor dem Start des Silver-Trust-Fonds angezogen. Viele Edelmetallexperten glauben, der Fonds löse einen Nachfragesog aus und verknappe die ohnehin geringen Lagerbestände. Der ETF besitzt Silber im Wert von 1,2 Milliarden Dollar, was 15 Prozent der weltweiten Jahresproduktion entspricht. Dass die Nachfrage für Investitionszwecke anhält, ist wichtig, da die Produktion der Minen weiter steigt, die Nachfrage seitens der verarbeitenden Industrie (vor allem der Fotobranche) aber zurückgeht. Herkömmliches Filmmaterial wird zunehmend durch digitale Bilder ersetzt. Etwa 25 Prozent des im Vorjahr gewonnenen Silbers wurden in der Fotoindustrie verwendet. „Die Leute kaufen Silber als Geldanlage aus denselben Gründen, aus denen sie Gold kaufen“, meint Jeff Christian, Generaldirektor der New Yorker CPM Group. Konkret nennt er Inflationsängste, den zunehmend wackligen Aktienmarkt, die unsichere Weltpolitik und den schwächeanfälligen Dollar. Christian erwartet bis Anfang 2007 feste Silberpreise um die 20 Dollar je Unze. Aktienanleger, die vom Silberboom profitieren wollen, beklagen die geringe Zahl großer Produzenten. Von diesen sind zudem einige – da in Bolivien und Peru tätig – aus politischer Sicht riskant. „Es gibt nur wenige Silberminen, die sich nicht in unruhigen Weltgegenden befinden“, erklärt Fred Hickey, Herausgeber des „High-Tech Strategist“. Hickey hat eine Schwäche für Gold und Silber und empfiehlt den Silber-ETF. Dieser Fonds ist für Silber-Investoren die einfachste Anlageform. Alle für Minengesellschaften typischen Risiken aus Politik, Umwelt und Kosteninflation lassen sich damit ausschalten. Neben dem ETF gibt es nur rund ein halbes Dutzend große Silberproduzenten, in deren Aktien man investieren kann: Apex Silver, Coeur d’Alene, Hecla Mining, Pan American Silver, Silver Standard Resources und Silver Wheaton. Der Marktwert des größten Unternehmens – Silver Wheaton – liegt gerade einmal bei 2,3 Milliarden Dollar. Zusammen verfügen die sechs Unternehmen über eine Marktkapitalisierung von acht Milliarden Dollar. Das entspricht lediglich fünf Prozent des Marktwerts des Goldminensektors und einem winzigen Bruchteil der 1,4 Billionen Dollar schweren globalen Bergbauindustrie. Besonders reizvoll ist Silber für Anleger aber gerade weil der Silbermarkt so klein ist – und damit stärkere Schwankungen aufweist als der Goldmarkt. Mit Aktien von Silberproduzenten lässt sich eine Hebelwirkung erzielen. Einen Nachteil gibt es allerdings: Da Silberaktien so knapp sind, zählen ihre Bewertungen zu den höchsten im Bergbausektor. Pan American Silver wird zum Beispiel für mehr als das 30-Fache des für dieses Jahr erwarteten Gewinns gehandelt. Das bedeutet einen gewaltigen Aufschlag gegenüber den meisten großen Minenunternehmen, die zu einem KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zwischen 5 und 15 notieren. Bergbauunternehmen, die auf Silber spezialisiert sind, tragen jedoch nur einen kleinen Teil der jährlichen Produktion von 640 Millionen Unzen weltweit bei. Die größten Produzenten sind diversifizierte Minenunternehmen, etwa der Branchenriese BHP Billiton. Geschätzte 70 Prozent der jährlichen Silberproduktion fallen als Nebenprodukt beim Schürfen nach anderen Metallen an, hauptsächlich Gold, Zink und Kupfer. Verglichen mit Gold sind die weltweit existierenden Silberbestände sehr gering – jüngsten Schätzungen zufolge nicht mehr als 20 Milliarden Unzen. Zwei der genannten Unternehmen – Apex Silver und Silver Standard Resources – produzieren gegenwärtig überhaupt kein Silber. Mit Apex geht man ein beträchtliches Risiko ein, da ihr wichtigster Vermögenswert – eine riesige, noch in der Entwicklung befindliche Silber- und Zinkmine in Bolivien – möglicherweise durch Maßnahmen der dortigen Regierung bedroht ist. Die Energieindustrie des Landes wurde bereits verstaatlicht. Auch der Großteil der Silberreserven von Coeur d’Alene befindet sich in einer noch nicht betriebsbereiten bolivianischen Mine.

Auch der einzige reine Silberspezialist der Welt fördert selbst keine Unze. Silver Wheaton wurde vor zwei Jahren von Goldcorp, einem kanadischen Goldminenkonzern, gegründet. Goldcorp hatte erkannt, dass im Bergbausektor Silberproduzenten die höchsten Bewertungen aufweisen. Goldcorp verkaufte seine künftige Silberförderung aus einer mexikanischen Mine an die neu gegründete Silver Wheaton gegen einen Anteil an deren Aktienkapital. Man erwartete, die Silberproduktion würde nach ihrer Auslagerung in ein eigenes Unternehmen eine höhere Bewertung als im Goldcorp-Konzern erreichen. Diese Spekulation ging auf. Heute besitzt Goldcorp 57 Prozent an Silver Wheaton, deren Aktienkurs in den vergangenen Jahren von zwei auf zehn Dollar schnellte. Dieses Jahr will das Unternehmen 15 Millionen Unzen, 2009 20 Millionen Unzen absetzen. Silver Wheaton selbst beschäftigt nur sieben Mitarbeiter. Und da sich der Firmensitz auf den Cayman Islands befindet, fallen auch keine Einkommensteuern an. Der Gewinn lässt sich einfach durch Multiplikation der jährlichen Silberverkäufe mit der Differenz zwischen dem Spotpreis von Silber und den Kosten von 3,90 Dollar je Unze berechnen. „Wir sind das einzige reine Silberunternehmen“, erklärt Silver-Wheaton-Chef Peter Barnes. „Wir bieten im Falle eines Preisan-stiegs von allen Silberproduzenten das beste Gewinnpotenzial und sind wegen unserer fixen Kosten nach unten gut abgesichert.“ Der Haken für Anleger: Die Aktie wird zu einem KGV von rund 24 gehandelt, was für einen Minentitel nicht gerade billig ist. Die in Vancouver beheimatete Pan American Silver ist vielleicht der beste Minenwert, da die Silberproduktion des Unternehmens in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen ist. Bis 2008 könnte sich die Produktion auf 25 Millionen Unzen belaufen. Dieses Jahr werden 14 Millionen Unzen gefördert. Die zusätzliche Produktion wird hauptsächlich aus Mexiko kommen. Damit reduziert sich für das Unternehmen das Peru-Risiko, wo derzeit mehr als die Hälfte des Silbers abgebaut wird. Peru könnte sich für westliche Minenunternehmen zu einem neuen Krisenherd entwickeln, obwohl der populistische Kandidat die peruanischen Präsidentschaftswahlen im Juni verloren hat. Das Management von Apex Silver muss frustriert sein, da das Unternehmen schon ein Jahrzehnt an der Erschließung einer riesigen Mine in Bolivien arbeitet. Diese wird – sollte sie wie geplant Ende 2007 in Betrieb genommen werden – zu den weltweit größten Produzenten von Silber und Zink zählen. Jetzt bereitet den Investoren die politische Lage in Bolivien größere Sorgen als die Silber- und Zinkpreise. Die Apex-Aktien wurden bereits kräftig nach unten geprügelt, sackten von ihrem Hoch bei 27 Dollar auf 15 Dollar ab. Silver Standard Resources ist ein relativ kleines Explorationsunternehmen mit einem Marktwert von 1,3 Milliarden Dollar. Darin kommen die hochgesteckten Erwartungen der Investoren über die möglicherweise riesigen Silberreserven des Unternehmens zum Ausdruck. Silver Standard verfolgt das Ziel, auf der ganzen Welt Silbervorkommen zu erwerben, und besitzt gegenwärtig 16 Standorte. Die bestätigten Reserven betragen zwar nur bescheidene 107 Millionen Unzen, könnten potenziell aber eine Milliarde Unzen erreichen. Das erste, in Argentinien gelegene, Projekt des Unternehmens könnte 2008 oder 2009 die Produktion aufnehmen. Ein Anstieg des Silberpreises würde den Wert der riesigen, erst abzubauenden Silberreserven steil in die Höhe treiben. Wegen des beschränkten Umfangs der nachgewiesenen Reserven und des gegenwärtigen Fehlens von Produktionstätigkeit und Cash-Flows ist eine Investition in dieses Unternehmen allerdings spekulativer Art. Eine Investition in Coeur d’Alene ist ebenfalls riskant, da sich 75 Prozent der Silberreserven in Bolivien befinden. Gegen die Kensington-Goldmine in Alaska, die Ende 2007 die Förderung aufnehmen soll, werden immer noch Einwände aus Umweltgründen erhoben. Beruhigende Erklärungen seitens der bolivianischen Regierung über die Zukunft der im Besitz von Coeur d’Alene befindlichen San-Bartolome-Mine gelten aber als positives Signal. Die Mine könnte 2007 oder 2008 den Betrieb aufnehmen. Könnte. Dass Silber ein heißes Eisen ist, zeigen die mitunter heftigen Kurseinbrüche, wie zuletzt im Mai. Behalten die Silberbullen allerdings Recht, dann werden die Silber-ETFs und Minenaktien in den kommenden Jahren noch prächtig glänzen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%