Finanzkrise US-Finanzaufsicht: Warnung vor Derivaten knallhart geblockt

In den USA war Regulierung politisch unerwünscht. Die Spieler an den Finanzmärkten nutzten das weidlich aus.

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Derivate-Aufseherin Brooksley Born: Weckruf über die unbekannten Risiken der Derivate Quelle: Reuters

Hätte Washington früher auf diese Frau gehört, dann wären der Welt vielleicht die schlimmsten Finanzmarkt-Exzesse erspart geblieben. Schon im Frühjahr 1998 warnte Brooksley Born, damals Chefin der Derivate-Aufsicht CFTC, vor den Gefahren von Swaps – komplexen Finanzkonstrukten, mit denen Banken und Hedgefonds unkontrolliert ein Netz von Wetten auf Börsenkurse, Währungen, Zinsen und die Kreditwürdigkeit von Schuldnern spannen.

Aber schon Borns Forderung nach einer formalen Diskussion wurde abgeblockt, ob und wie man diese schnell expandierenden Finanzmärkte regulieren solle. Ihre Gegner damals: Alan Greenspan, der Chef der US-Notenbank, Bill Clintons Finanzminister Robert Rubin (heute Verwaltungsratschef der Citigroup) und der damalige Chef der Börsenaufsicht SEC, Arthur Levitt.

Als Born dennoch ein Thesenpapier ihrer Behörde über die Risiken dieser obskuren Derivatemärkte veröffentlichen ließ, heulte nicht nur die Wall Street auf. Greenspan, Rubin und Levitt äußerten in einem eiligen Statement „große Sorge“, der stellvertretende Finanzminister Lawrence Summers, heute Kandidat für das Amt des Finanzministers unter Barack Obama, verurteilte das Born-Papier, weil es „einen Schatten von regulatorischer Unsicherheit über einen ansonsten prosperierenden Markt wirft“.

Im September 1998 löste der Zusammenbruch des Hedgefonds Long Term Capital Management eine weltweite Finanzkrise aus, der mit einem Vielfachen seines Kapitals auf Kredit an den Finanzmärkten riskante Wetten eingegangen war. Wieder warnte Born, „dies ist ein Weckruf über die unbekannten Risiken, die diese Derivatemärkte für die US-Wirtschaft und die Stabilität des Finanzsystems rund um die Welt bergen“. Fruchtlos.

Washington verharrte im Glauben an die Wunderkräfte der Deregulierung. Als sich auch SEC-Chef William Donaldson für eine stärkere Regulierung von Hedgefonds einsetzte, wurde er von der Bush-Regierung abgelöst. Wenn Regulierung, dann Selbstregulierung, so war in dieser Zeit der fatale Irrglaube, die Akteure an den Märkten könnten Risiken selbst am besten einschätzen.

Bei Derivaten, bei der Aufsicht über Investmentbanken, Hypothekenvermittler oder Hedgefonds hatten die US-Aufsichtsbehörden bestenfalls Einblick in Teilbereiche, und sie erkannten Risiken viel zu spät. Investmentbanken, die sich durch Lobbyarbeit einer intensiveren Kontrolle durch die SEC entzogen, bündelten ihren verbrieften Giftmüll, den sie an Investoren weltweit verkauften.

Born wird sich heute bestätigt sehen. Exzessive Geschäfte mit Credit Default Swaps – Derivate, mit denen sich Investoren gegen die Pleite eines Schuldners versichern können – fällten zuletzt den einst größten Versicherungskonzern der Welt, AIG. Die Abwicklung des aufgeblähten Derivate-Portfolios von Lehman bringt auch andere Institutionen ins Wanken.

Heute ist das Gejammer groß. SEC-Chef Christopher Cox gab unlängst zu „die vergangenen sechs Monate haben mehr als deutlich gemacht, dass freiwillige Regulierung nicht funktioniert“. In den USA wird es jetzt eine Flut von neuen Regeln für die Spieler an den Finanzmärkten geben.

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