Vermögensverwalter Felix Zulauf "Zerfall der gesamten Finanzarchitektur"

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 Wird die EZB widerstehen können?

Ich fürchte nein. Es ist vielleicht nur noch eine Frage von Wochen, bis die EZB zur Kursumkehr gezwungen wird. Wir haben in allen Industrieländern eine miserable politische Führung. Diese Politiker agieren nur noch populistisch.

Ist das ein grundsätzliches Problem von Demokratien?

Das ist dann ein Problem in einer Demokratie, wenn die Systeme schwach werden. Die ganze Finanzarchitektur in der westlichen Industriewelt ist derart schwach. Wir haben ein Bankensystem, das viel zu dünn kapitalisiert ist und die entsprechenden Abschreibungen nicht machen kann, die es machen müsste und so als Stoßdämpfer wirken könnte.

Wer hat das verbockt?

Die Regulierungsbehörden haben es seit 2008 verpasst, den Banken einen langfristigen Weg vorzugeben zu einer höheren Eigenkapitalausstattung. Stattdessen hat man der Bankenlobby nachgegeben, weil man auch befürchtet hat, dass die Volkswirtschaften sofort wieder einbrechen würden. Wir sind konfrontiert mit einer Finanzarchitektur, die immer wackelt. Das führt zu einer dummen politischen Entscheidung nach der anderen. Zudem setzt die Regulierung Anreize, damit die Banken den öffentlichen Schuldenberg finanzieren, weil Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen.

 Ist die Entscheidung über eine nächste Runde quantitativer Lockerung nicht längst gefallen?

QE2 war kontraproduktiv, aber es wird trotzdem wieder gemacht werden. Mit der Struktur, die wir haben, auch in Amerika mit der Überschuldung der privaten Haushalte und dem fehlendem Grundpfand, das für die Kreditschöpfung im privaten Bereich gebraucht wird, kann sich eine Volkswirtschaft praktisch nur noch stagnationsmäßig entwickeln. Man erreicht nicht mehr die Wachstumsraten, um die Probleme unter Kontrolle zu halten oder gar zu beseitigen. Unsere Volkswirtschaften sind wie ein großer Flieger, der zu tief fliegt und sein Tempo verlangsamt...

...bis es zur Bruchlandung kommt.

So ist es. Wir stehen vor dem Zerfall der gesamten Finanzarchitektur unseres Systems.

Was bedeutet das für den Anleger?

Im Prinzip kann man in diesem Umfeld nur spekulieren oder versuchen, das Geld irgendwie zu sichern. Etwas anderes gibt es nicht mehr. Eine vernünftige Anlagepolitik, wie sie vor 15, 20, 25 Jahren noch möglich war, funktioniert heute nicht mehr. Wir leben in einem Umfeld, das hat es so in den letzten 70 Jahren nicht mehr gegeben. Der risikolose Zins, sagen wir von einem fünfjährigen Papier eines erstklassigen Schuldners, liegt tiefer als die Inflationsrate. Dann kommt noch der Steuerabzug – es bleibt real nur ein Verlust. Das ist die Tatsache. Und der nominelle Jahreszins ist so gering, dass sie ihn in einer Tagesschwankung am Markt verlieren können. Das sind keine Voraussetzungen, um langfristig Geld anzulegen. Wir stehen am Anfang von gewaltigen Gewitterstürmen mit Blitzen, Überschwemmungen und Bergstürzen. Nass werden wir alle werden. Da kommt keiner trocken durch. Entscheidend ist, dass man nicht dort steht, wo der Blitz einschlägt, die Überschwemmung kommt oder der Bergsturz erfolgt.

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