Verursacher der Finanzkrise Jagd auf Goldman Sachs, Deutsche Bank & Co.

Seite 4/6

Goldman Sachs Chef Lloyd C- Quelle: REUTERS

Kreditmarkt-Experte Finkel bezeichnet es als „sehr ungewöhnlich“, dass ein Investor dem CDO-Manager eine Liste mit Wunschkandidaten für das Kreditpaket schickt, wie es Paulson getan hat. „Das hätte den Investor und das Geschäft beim CDO-Manager verdächtig machen müssen“, sagt Finkel.

„Um den Fall zu gewinnen, muss die Börsenaufsicht beweisen, dass der CDO-Verwalter ACA sich darauf verlassen hat, dass Paulson das Ausfallrisiko für den riskantesten Teil des Kreditpakets übernehmen und in den Equity-Teil von Abacus investieren wollte“, sagt Finkel. „Hätte ACA gewusst, dass Paulson das Equity-Teil nicht kauft, hätten sie das Geschäft möglicherweise nicht gemacht — das wäre also ein Geschäft im Vertrauen auf falsche Informationen, was man rechtlich geltend machen könnte.“ Ein Schaden, der auf falschen oder irreführenden Aussagen beruht, wird ersetzt, heißt es im US-Recht.

Das ist die große Gefahr für Goldman Sachs. Die E-Mails an Goldman, die in der Klageschrift zitiert werden, legen nahe: ACA glaubte, dass Paulson einen Teil des CDO kaufen wollte. „Goldman hätte dieses Missverständnis korrigieren sollen“, sagt Finkel. Indem die Bank es nicht tat, verleitete sie ACA zu glauben, dass Paulson den Equity-Teil übernehmen wollte, so die SEC. Der Täuschungsvorwurf besteht selbst dann, wenn Paulson ACA mitgeteilt hätte, gegen einen Teil des CDO wetten zu wollen. Bei anderen Hedge-fonds war es üblich, gegen einen Teil eines CDO zu wetten und gleichzeitig einen anderen Teil des CDO zu kaufen.

Vertrauensverlust und Schadenersatzklagen

Goldman widerspricht dem Vorwurf, Kunden wider besseren Wissens Müll angedreht zu haben: Goldman selbst habe schließlich so sehr an die Qualität des CDO geglaubt, dass die Bank am Ende selbst einen Teil des Abacus-Geschäfts, nämlich das riskante Equity-Teil, behalten und über 100 Millionen Dollar damit verloren habe. Die Agentur Reuters berichtet dagegen unter Berufung auf Insider, Goldman habe versucht, auch diesen Teil von Abacus zu verkaufen, sei mangels Nachfrage aber darauf sitzen geblieben.

Unabhängig vom Ausgang des SEC-Verfahrens drohen Goldman Vertrauensverlust und Schadensersatzklagen. „Was sagen Sie Ihren Kunden?“, wollte — ausgerechnet — Deutsche-Bank-Aktienanalyst Michael Carrier Mitte vergangener Woche von Goldman-Finanzchef David Viniar wissen. „Die Kunden stehen zu uns, solange wir herausragende Dienste für sie bereitstellen“, antwortete der.

Einen Tag später kündigte die BayernLB der US-Bank ein Beratungsmandat. Die IKB und ihr ehemaliger Hauptaktionär KfW erwägen Klagen gegen Goldman. Die dürften nur der Anfang sein. „Zahlreiche Investoren prüfen derzeit Ansprüche gegen Investmentbanken“, sagt ein Bankrechtler bei einer Großkanzlei in Frankfurt. Er rechne fest damit, dass es in den kommenden Monaten zu einer Vielzahl von Schadensersatzklagen kommt. Auch die Deutsche Bank müsse Strafen und Schadensersatzforderungen fürchten, weil sie in ähnliche Geschäfte verwickelt war wie Goldman Sachs. Der Anwalt ist überzeugt: „Es beginnt die nächste Phase der Aufarbeitung der Finanzkrise“.

Die Jagd ist eröffnet

Die Banken sind bereits gewarnt: Im vergangenen Jahr forderte die SEC nicht nur von Goldman weitere Informationen zu Verkaufsmethoden für komplexe CDS-Pakete. Auch Deutsche Bank, Credit Suisse, UBS, Bank of America Merrill Lynch, Barclays, Citigroup und Morgan Stanley erhielten Aufforderungen zur Beweisauskunft („Subpoena“). Solch eine Beweiserhebung gilt als Zeichen, dass die Börsenaufsicht bei ihren Ermittlungen einen Gang höher schaltet.

Dass die übrigen Investmentbanken sich bisher öffentlich noch in Sicherheit wiegen, muss nichts heißen. Der Schlag der Börsenaufsicht traf auch Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein völlig unerwartet. „Wir waren einigermaßen überrascht am Freitagmorgen, dass es eine Klage gibt und dass uns niemand davon erzählt hatte“, sagt Chefjustiziar Palm.

Besonders die Deutsche Bank hat Grund zur Sorge. Eine Rangliste der größten Hersteller von CDOs zwischen Juni 2006 und Dezember 2007 zeigt ihren Namen an zweiter Stelle, übertroffen nur von Merrill Lynch (siehe Grafik Seite 83). Goldman taucht dort nur deshalb nicht auf, weil es als einzige große Investmentbank keine Daten lieferte.

Beunruhigend für die Deutsche Bank: Ihr größter Rivale auf der Rangliste, Merrill Lynch, hat bereits eine ähnliche Klage am Hals wie Goldman. Die niederländische Rabobank verklagte Merrill auf Schadensersatz. „Dies ist nur die Spitze des Eisbergs, was Goldman betrifft und andere Banken, die das Kartenspiel gegen die Investoren gezinkt haben“, sagt Anwalt Jon Pickhardt von der Kanzlei Quinn, der die Rabobank bei ihrer Klage gegen Merrill Lynch vertritt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%