Agrarboom Warum Reiche Ackerland kaufen

Was treibt Stadtmenschen dazu, sich Felder zu kaufen? Rendite kann es nicht sein – eher Inflationsfurcht, Romantik oder Sicherheitsdenken.

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Eine Handvoll Kartoffel liegt Quelle: dapd

Wie riecht ein frisch gepflügtes Feld, ein Kartoffelfeuer, wie fühlen sich Getreide-Stoppeln unter den Füßen an? Rentner können noch Fotos hervorkramen, auf denen sie nach der Ernte Ähren und Kartoffeln aufklaubten, um die karge Nachkriegskost aufzubessern. Einmal in der Stadt niedergelassen, wächst für die meisten die Distanz zu Getreide-, Raps- und Rübenfeldern. Sie rauschen nur noch am Auto- oder ICE-Fenster vorbei.

Im westlichen Münsterland, in Nordkirchen, sind die Menschen dagegen noch ganz nah dran am Acker. Bauernsohn Ludger Kappenberg, 55, lässt die heimische Scholle nicht los. Zwar züchtet er als Architekt und Bauunternehmer kein Vieh oder baut Kartoffeln an, aber er investiert in Agrarflächen. Im vergangenen Jahr kaufte er im brandenburgischen Blandikow 94 Hektar, davon 20 Hektar Wald, der Rest Ackerland und Wirtschaftsgebäude. Den Acker hat er an einen örtlichen Bauern, den Hof an einen Putenzüchter verpachtet. "Eigentlich hatte ich es als Jäger nur auf ein Revier mit Wald abgesehen, aber das Grundstück gab es nur als Gesamtpaket", sagt Kappenberg.

Der Kölner Vermögensverwalter Thomas Schwind, 46, dagegen hätte privat gern mehr Ackerland in der Nordeifel gekauft: "Mehr als fünf Hektar in der Nähe von Nörvenich habe ich nicht bekommen." Für etwa 3,50 Euro pro Quadratmeter habe er 2005 das Zuckerrüben- und Weizenfeld erstanden, 175.000 Euro hat es insgesamt gekostet. "Gold hatte ich schon, mit dem Acker haben ich mir einen weiteren Notanker ins Vermögen geholt", sagt der Landbesitzer.

Auf den Geschmack gekommen, wollte er 2007 nachkaufen. Doch die Preise waren inzwischen auf fünf Euro je Quadratmeter gestiegen – zu viel für den ehemaligen Banker. Jetzt, da so viele Vermögende in Sachwerte flüchteten, sei in der Gegend kein Stück Acker mehr günstig zu bekommen.

Preise ziehen an

Rund um die deutschen Großstädte herrscht inzwischen Goldgräberstimmung. Aufgeschreckt von Staatsverschuldung und Inflationsangst legen sich vermögende Rheinländer Kartoffel- und Rübenfelder zu. "Vor einigen Monaten gingen 100 Hektar für sechs Millionen Euro weg", sagt Makler Holger Meyer von Greif & Meyer Immobilien in Lohmar. Von Preisen bis acht Euro je Quadratmeter habe er trotz der guten Bodenqualität in der Kölner Bucht bis vor zwei Jahren nur träumen können. Sechs Euro seien das Äußerste gewesen.

Trotz steigender Preise will Thomas Schwind jetzt nicht verkaufen. Land verkauft man nicht, man vererbt es, sagt er. Die Pacht sei nur ein Zubrot. Mehr als 1,5 bis 2,0 Prozent pro Jahr Rendite seien nicht drin. Da ist selbst mit Bundesanleihen oder Festgeld mehr zu holen. Der Acker allerdings sei selbst bei einem Währungsschnitt noch da – anders als das Papiergeld.

Selbst pflügen und säen will Schwind jedoch nicht: "Ich hoffe nicht, dass es irgendwann mal so weit kommt, dass ich auf dem Acker mein eigenes Gemüse anbauen muss."

Wer wie Kappenberg und Schwind Ackerland kauft, kann nicht einfach nach Gutdünken damit verfahren. Da ist die regionale Landwirtschaftskammer vor. "Als Käufer ohne landwirtschaftlichen Betrieb stand ich ganz hinten in der Interessentenschlange, jeder Bauer in der Gegend hatte die Chance, mein Angebot zu überbieten", sagt Landbesitzer Schwind. Wer nicht selbst auf dem Traktor sitzen will, muss sich vor dem Kauf einen Pächter suchen. „Bei der derzeitigen Marktlage ist es aber kein Problem, einen Pächter zu finden“, sagt Dirk Meier Westhoff, Geschäftsführer des Landmaklers Agrarboden im westfälischen Beckum.

Was Käufer wissen sollten

Makler Holger Meyer rät zur Vorsicht bei der Wahl des Pächters. Im Pachtvertrag sollte genau geregelt sein, was und in welcher Fruchtfolge der Pächter anbauen darf. Wer drei Jahre hintereinander dasselbe anbaut, laugt den Acker aus. Im Vertrag sollte auch stehen, dass der Pächter den Acker nicht zur Klärschlamm- und Kompost-Entsorgung missbrauchen darf.

Meier Westhoff von Agrarboden warnt davor, sich einen Flickenteppich zusammenzukaufen. „Derzeit suchen in Ostdeutschland große Agrarbetriebe Käufer für verstreute Mini-Äcker“, sagt er. Die aber ließen sich schwerer wieder verkaufen. Er rät Investoren zu zusammenhängenden Ackerflächen von 10 bis 20 Hektar.

Vermögende Käufer stoßen nicht überall auf Zustimmung. Ärger gibt es vor allem in den neuen Bundesländern. Bauern protestieren, die Aufkäufer würden die Bodenpreise nach oben treiben, sodass sie selbst nicht zum Zuge kämen. Die BVVG, die als Treuhand-Nachfolgerin im Osten die ehemals volkseigenen Ländereien verkauft, wehrt sich gegen den Vorwurf, sie fördere den Ausverkauf an Großinvestoren. Dass die Preise steigen, kann sie nicht bestreiten: Im vergangenen Jahr nahm sie pro Hektar Feld und Wald im Schnitt 17 700 Euro ein, 27 Prozent mehr als 2009 – eine gute Nachricht für den deutschen Fiskus.

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