Ausland Optimal auswandern

Viele Deutsche träumen von Neuanfang oder Ruhestand im Ausland. Wer auswandern will, sollte sich früh um Steuerfragen, Visum, Versicherungen und Rente kümmern, um böse Überraschungen zu vermeiden.

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Junge Frau mit Notebook in einer Hängematte auf den karibischen Inseln Quelle: dpa

Tim K. hat es schon als Kind erwischt. Nach Urlauben in Schweden, die „immer paradiesisch“ waren, hat das Land den 48-jährigen Piloten aus Bonn nie mehr losgelassen: „Ich bin ein Opfer des Bullerbü-Syndroms.“ Heute gehört er selbst in Astrid Lindgrens idyllische Welt der grünen Wälder, blauen Seen und roten Holzhäuser, wenn auch nur für einige Monate im Jahr. Vor zwei Jahren hat er gemeinsam mit seiner Frau ein Haus in Schweden gekauft, „auf der Höhe von Stockholm, mittendrin“. Noch fliegt er einen guten Teil des Jahres für eine Fluggesellschaft durch die Welt. „So oft wie möglich“ wohnt er aber schon in Schweden. Sobald er im Ruhestand ist, will er mit seiner Frau die meiste Zeit dort leben. Die schwedischen Nachbarn gingen schon davon aus, dass sie dann dauerhaft bleiben werden, sagt Tim K.. Er hat aber noch etwas Respekt vor den langen, dunklen Wintern.

In Schweden genießt er die Freiheit, das dünn besiedelte Land und das besondere Licht, wenn die Sonne den ganzen Tag lang tief steht. Auf dem 4.500 Quadratmeter großen Grundstück des neuen Hauses baut er Gemüse an, er geht Pilze sammeln im Wald oder zieht mit dem Kanu los zum Fischen. Dass das schwedische Holzhaus keine richtige Heizung hat, stört Tim K. nicht: „Wir heizen mit selbst gehacktem Holz. Die Nachbarn sehen es ohnehin gern, wenn man auch arbeitet und nicht nur in der Hängematte liegt.“ Tim K. hat zu ihnen gute Kontakte aufgebaut. Hilfreich war, dass er in der Volkshochschule etwas Schwedisch gelernt hat – obwohl die meisten Schweden sehr gut Englisch sprechen.

Viele Deutsche träumen davon, ihrer Heimat irgendwann den Rücken zu kehren und ins Ausland zu ziehen. Laut einer Studie der Managementberatung Aon Consulting haben 54 Prozent der Deutschen schon mal mit dem Gedanken gespielt, ihren Ruhestand im Ausland zu verbringen.

In diese Länder zieht es deutsche Auswanderer
Eine junge Familie läuft am 04.07.2014 auf dem Flughafen in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) zum Check-In für ihren Flug. Quelle: dpa
Deutschland ist im OECD-Raum das drittwichtigste Herkunftsland von Auswanderern. Quelle: dpa
Laut der OECD sind die deutschen Auswanderer in der Regel jung und gebildet Quelle: dpa
Die Volkswirtschaftslehre-Studentin Luisa verfolgt einen Vortrag Quelle: dpa
Ein Ingenieur "programmiert" am 12.04.2015 am Stand der Firma ABB mittels Bewegungen den Kleinroboter YuMi bei der Hannover Messe Quelle: dpa
Ein Mann hält am 16.10.2009 seinen Reisepass in eine automatische Passkontrolle. Quelle: dpa
Windmühle in Leiden Quelle: gms

Auch Träumer müssen planen

Die Bundesbürger sind damit besonders stark vom Fernweh geplagt: In Europa insgesamt zieht es nur 25 Prozent der Berufstätigen ins Ausland.

Doch träumen allein reicht nicht. „Viele meinen, sie könnten ihr Leben im Ausland als Dauerurlaub leben“, sagt Monika Schneid vom katholischen Raphaels-Werk, das in 14 Beratungsstellen deutsche Auswanderer unterstützt. Damit der Ruhestand im Ausland wirklich gelingen kann, ist es aber wichtig, sich frühzeitig über Visum, Krankenversicherung sowie Renten- und Steuerregeln zu informieren. Dabei stellen sich – je nach Lebensumständen und eigenen Plänen – ganz unterschiedliche Fragen. „Nicht alle Auswanderer wollen dauerhaft weg, manche wollen während des Ruhestandes nur in der Sonne überwintern. Andere ziehen noch zu Berufszeiten ins Ausland und bleiben dann dort“, sagt Schneid. Immer häufiger beobachtet sie, dass auch weniger vermögende Rentner ins Ausland ziehen: „In Thailand oder der Türkei kommen die mit einer kleinen Rente gut aus.“ Kein Wunder: 1.000 Euro deutsche Rente haben in Thailand 70 Prozent, in der Türkei sogar 100 Prozent mehr Kaufkraft.

Arbeit: Mehr Spaß, mehr Geld

Gerd Schallenberg hat im Ausland noch mal neu angefangen. Mit 60 Jahren machte der Arzt 2007 seine Praxis im Sauerland dicht und wanderte samt Frau und den zwei jüngsten von sechs Kindern in die Schweiz aus. „Die Arbeit in Deutschland hat keinen Spaß mehr gemacht“, sagt der Mediziner. Schuld daran waren immer neue Auflagen und Abrechnungsvorschriften der Krankenkassen und der Eindruck, dass seine Arbeit nicht mehr angemessen honoriert wurde.

Der Wunsch nach Wertschätzung

Arzt Gerd S. in der Schweiz Quelle: Privat

In der Schweiz sei das anders, sagt Schallenberg, der nun als Angestellter einer Ärzte-Kette eine Praxis in Bronschhofen im Kanton St. Gallen leitet. „Ich habe das Gefühl, dass die Wertschätzung für meine allgemeinärztliche Arbeit hier wesentlich höher ist.“ Seine Frau und er fühlen sich inzwischen heimisch und wollen dauerhaft in der Schweiz bleiben. Die Rente, die Schallenberg später von der deutschen berufsständischen Versorgungskasse zusteht, wird er sich dann einfach überweisen lassen. „Ein paar Jahre will ich aber noch arbeiten, es macht ja wieder richtig Spaß“, sagt der 64-Jährige.

Attraktiv ist die Schweiz nicht nur wegen höherer Einkommen, sondern auch wegen niedriger Abgaben und dank eines einfachen Steuersystems. Ein Teil dieser finanziellen Vorteile werde aber durch höhere Lebenshaltungskosten wieder aufgezehrt. „Insbesondere die Mieten sind in der Schweiz sehr hoch. Wer hierher kommt, sollte deshalb genau kalkulieren, was von seinem höheren Nettoeinkommen übrig bleibt“, warnt Schallenberg.

Trotzdem ist die Schweiz für Deutsche jeden Alters das beliebteste Ziel. „Gerade Unternehmer und Freiberufler verlegen ihre Tätigkeit oder den Firmensitz in die Schweiz“, weiß Jörn Lacour, der für sein Buch „Deutsche in der Schweiz“ mehrere hundert Auswanderer interviewt hat. Hinzu kommen natürlich Superreiche, denen in der Schweiz erhebliche Steuervorteile winken. Denn wenn sie dort nicht berufstätig sind, können sie die „Pauschalbesteuerung“ beantragen. Für die Höhe ihrer Abgaben sind dann nicht ihre Einkünfte ausschlaggebend, sondern nur ihre Lebenshaltungskosten – in der Regel bemessen am Wert ihrer Immobilie.

Diagramm: Mehr rausholen Quelle: OECD

Die Pauschalsteuer hat viele Deutsche angelockt, etwa Formel-1-Pilot Michael Schumacher. Allerdings wächst der Widerstand. Seit 2009 haben drei Kantone – Zürich, Schaffhausen und Appenzell Ausserrhoden – das Privileg für Ausländer nach Volksabstimmungen abgeschafft.

Steuern: Klagewelle rollt

Wer mit etwas weniger Vermögen ins Ausland zieht, der baut für sein späteres Leben meist auch auf die gesetzliche Rente. Auslandsrentner müssen in der Regel keine Einbußen fürchten. Solange sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit behalten, bekommen sie die Rente in voller Höhe auf ihr Konto im In- oder Ausland überwiesen. Nur für einen „jährlichen Lebensnachweis“ muss die Rentenversicherung sie erreichen können.

Die wichtigsten Regeln:

  • Sobald Auswanderer ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben, drohen ihnen Rentenkürzungen. EU-Bürger und Einwanderer in der Schweiz, Norwegen und allen anderen Staaten, mit denen Deutschland ein spezielles Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, sind nicht betroffen. Wer aber etwa die südafrikanische oder thailändische Staatsangehörigkeit annimmt, bekommt fortan 30 Prozent weniger Rente.
  • Wer eine gesetzliche Rente kassiert, muss diese meist auch dann in Deutschland versteuern, wenn er woanders lebt. Bei der Reform der Rentenbesteuerung 2005 stieg der steuerpflichtige Anteil der gesetzlichen Rente schlagartig von 27 auf 50 Prozent. Seitdem kommen jedes Jahr weitere zwei Prozentpunkte dazu, aktuell sind 64 Prozent der Rente zu versteuern. Millionen Ruheständler müssen jetzt Abgaben zahlen, weil der steuerpflichtige Teil ihrer Rente die Freibeträge übersteigt. Der lange Arm des Fiskus erreicht viele Auslandsrentner jetzt überraschend.
  • Nicht in allen Ländern droht der Zugriff. „Es gibt mit einigen Ländern Abkommen, denen zufolge der neue Wohnsitzstaat die Rente besteuern darf“, sagt Oliver Braun, Steuerberater bei Ecovis in Grafing bei München. Nichts vom deutschen Finanzamt zu befürchten haben etwa Rentner in Spanien, der Schweiz, den USA und Griechenland. In Frankreich, Italien, Kroatien oder Österreich dagegen greift der deutsche Fiskus zu. Und er weitet seinen Einflussbereich stetig aus: „Beim Abschluss neuer Abkommen achtet das Finanzministerium darauf, dass das Besteuerungsrecht für Renten in Deutschland liegt“, sagt Braun. So darf der Fiskus seit 2011 bis zu zehn Prozent von Renten abknapsen, die in die Türkei überwiesen werden.

Das ist erst der Anfang

Nix wie weg
Sydney mit seinem außergewöhnlichen Opernhaus und der Hafenbrücke ist die größte Stadt Australiens Quelle: gms
Tänzerinnen beim Karneval in Rio Quelle: dpa
Die Verbotene Stadt in Peking Quelle: dpa
Indische Mädchen zeigen einen traditionellen Tanz Quelle: AP
Leute nach der erneuten Wahl von Wladimir Putin in Moskau Quelle: dpa

Viele Auslandsrentner, die plötzlich Steuern zahlen sollen, wollen dagegen klagen. „Wir rechnen mit einer Vielzahl von Prozessen“, sagt Matthias Lipsky, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern. Schon jetzt würden 51 Verfahren laufen: „Aber das ist erst der Anfang.“ Für Klagen von Auslandsrentnern ist sein Gericht exklusiv zuständig: Das Finanzamt Neubrandenburg, das die alleinige Verantwortung für die Besteuerung sämtlicher Rentner im Ausland hat, liegt in seinem Bezirk. 2011 haben dessen Beamte 500.000 Ruheständler im Ausland angeschrieben und zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert.

Besser unverschämt

Auslandsrentner gelten hierzulande als „beschränkt steuerpflichtig“. Das klingt gut, ist es aber nicht. Denn die Rentner haben damit keinen Anspruch auf den Grundfreibetrag von 8.004 Euro und weitere Vergünstigungen wie Ehegattensplitting oder den Abzug von Krankheitskosten. „Das ist ein erheblicher Nachteil“, sagt Finanzrichter Lipsky. Viele, die jetzt Steuerforderungen erhielten, „müssten keinen Cent zahlen, wenn sie in Deutschland leben würden“.

Ruhestand unter Palmen: Geht das?

Doch es gibt einen Ausweg:

  • Wenn mindestens 90 Prozent der gesamten Einkünfte der deutschen Steuer unterliegen – wie etwa eine gesetzliche Rente –, können Auslandsrentner in Deutschland die „unbeschränkte Steuerpflicht“ beantragen und sich auf diese Weise sämtliche Vergünstigungen sichern. Wer hauptsächlich von der gesetzlichen Rente, einer Betriebsrente oder einem berufsständischen Versorgungswerk lebt – deren Zahlungen sind in Deutschland ebenfalls steuerpflichtig –, kann somit in der Regel problemlos „unbeschränkte Steuerpflicht“ beantragen.
  • Kassiert der Steuerpflichtige zusätzlich zur Rente hohe Kapitalerträge, wird es hingegen eng. Zinsen und Dividenden sind am Wohnsitz im Ausland steuerpflichtig, unabhängig davon, wo das Konto oder Depot ist. Wenn dann weniger als 90 Prozent der Einkünfte der deutschen Steuer unterliegen, können Rentner die „unbeschränkte Steuerpflicht“ nur beantragen, wenn die Auslandseinkünfte unter 8.004 Euro liegen.
  • Wichtig: Ein Wechsel in die unbeschränkte Steuerpflicht ist rückwirkend möglich. „In vielen Fällen reichen die dadurch gesicherten Steuervergünstigungen, um wieder aus der Steuerpflicht herauszurutschen“, sagt Braun. Wenn nicht, bleibt Betroffenen nichts anderes übrig, als zu zahlen – sonst droht die Pfändung. An Renten kommt der Staat leicht heran.

Ein weiterer Stolperstein für Auslandsrentner kann die Aufenthaltsgenehmigung sein. In einigen Ländern gibt es spezielle Visa, mit denen Ruheständler längerfristig oder sogar dauerhaft im Land bleiben dürfen. Oft müssen sie dafür nur ihre laufenden Einkünfte, etwa aus der deutschen Rente, nachweisen. So können Rentner mit monatlichen Einkünften von 1.200 Euro in Thailand ein spezielles Visum erhalten, das sie dann jedoch jährlich neu beantragen müssen. Ab knapp 2.000 Euro Einkünften im Monat gibt es in Südafrika ein Rentner-Visum, das anfangs für vier Jahre gilt, dann aber dauerhaft verlängert werden kann.

Visum: Harter Kampf

Unternehmerpaar Elly und Hendrik B. in Florida Quelle: Privat

Besonders streng sind die Visa-Regeln in den USA, einer der Top-Destinationen für deutsche Auswanderer. Ruheständler und solche, die es werden wollen, zieht es vor allem nach Florida. Dort werden sie jedoch nicht mit offenen Armen empfangen. Deutsche Ruheständler können zwar für drei Monate nach Amerika kommen, ohne ein Visum zu haben. Wer länger bleiben will, bis zu sechs Monate, braucht aber bereits ein Besuchervisum. Mogeln gilt nicht: Wer als Rentner sein Touristenvisum missbraucht, indem er etwa nur für kurzzeitige Unterbrechungen das Land verlässt, riskiert sogar ein Einreiseverbot. Ein Komplettumzug ist nur mit der „Greencard“ möglich, der zeitlich unbeschränkten Aufenthaltsbewilligung für die USA. Der Erwerb einer Immobilie – so ein auch von Maklern gern gefördertes Missverständnis – reicht keineswegs für das Bleiberecht, sei das Ferienhaus auch noch so schön. Eine vollständige Übersiedlung in die USA stellt für Ausländer im Rentenalter in den meisten Fällen eine unüberwindbare Hürde dar. Ein Rentnervisum, seit Jahren von Verbänden und diplomatischen Auslandsvertretungen gefordert, gibt es nicht.

Deutsche, die als Ruheständler komplett in Florida wohnen wollen (das deutsche Konsulat in Miami geht von über 20.000 Personen aus), hatten bereits Familienangehörige mit Daueraufenthaltsgenehmigung, die sie beim Erhalt der Greencard „sponsern“ konnten. Oder sie haben über Jahre hinweg gezielt an den nötigen Voraussetzungen gearbeitet.

Diagramm: Wir sind dann mal weg Quelle: Statistisches Bundesamt

So wie Elly und Hendrik Bloksma. Das Unternehmerpaar aus dem baden-württembergischen Remshalden hatte ab 1975 erfolgreich eine Firma für Elektroantriebe von Werbedisplays aufgebaut. „Schon seit Anfang der Neunzigerjahre haben wir daran gedacht, uns irgendwann einmal in Florida zur Ruhe zu setzen“, sagt der inzwischen 77-jährige Hendrik Bloksma – und lehnt sich in der Frühjahrssonne zurück.

Für ihre Firma gründeten die Florida-Fans in Miami eine US-Vertriebsfiliale und erwarben so ein L-1-Visum für die „firmeninterne Versendung von Mitarbeitern in eine USA-Niederlassung“, wie es offiziell heißt. Dabei zielten die Bloksmas nicht nur auf neue Vertriebschancen in den USA. Anders als das E-1-Visum, das Ausländern eine befristete Zeit unternehmerische Tätigkeit in den USA erlaubt, kann das L-1-Visum im Erwerb einer Greencard münden.

Greencard nach Plan

Für Hendrik Bloksma und seine 15 Jahre jüngere Frau Elly war es vor knapp zehn Jahren so weit: Sie beantragten – und erhielten – mit ihrer Greencard den begehrten Schlüssel zur dauerhaften Umsiedlung. Einige Zeit später verkauften sie ihr Unternehmen, „weil es uns in Deutschland einfach zu eng geworden war“, wie Hendrik Bloksma sagt. „Die Bürokratie hatte uns als Mittelständlern zum Schluss das Unternehmer-Dasein schwer gemacht.“

Mit den Erlösen aus dem Firmenverkauf, Kapitalerträgen und der in die USA überwiesenen deutschen Rente genießen die Bloksmas nun ein komfortables Dasein im Millionärsrefugium Naples am Golf von Mexiko – repräsentative Villa am Golfplatz und Motorboot inklusive. Hendrik Bloksma hat inzwischen sogar die US-Staatsbürgerschaft angenommen.

Gesundheit: Gut absichern

Inge R. in Marbella Quelle: Privat

Während die USA Zuwanderern Steine in den Weg legen, ist der Ruhestand in EU-Staaten für Deutsche problemlos möglich. Rentner müssen nur krankenversichert sein und über ausreichend Einkommen verfügen, etwa aus ihrer Rente, um ohne Beihilfen leben zu können. Auslandsrentner zieht es in der EU vor allem nach Spanien. Laut Eurostat waren hier 2010 rund 53.000 Deutsche über 65 gemeldet – nach den Briten die zweitgrößte Gruppe.

Inge Rinkhoff ist eine von ihnen, wenn auch noch nicht im Rentenalter. Vor neun Jahren machte die damals 52-Jährige sich im eigenen Pkw auf nach Marbella, dem Promi-Eldorado an der Costa del Sol. Dort wollte sie als Maklerin arbeiten: „Damals boomte der spanische Immobilienmarkt noch.“

„Die ersten Wochen waren schwer“, sagt sie: Keine Kontakte in Spanien, keine Wohnung, kein Job. Heute kann sie von ihrem Job als Maklerin gut leben – trotz Immobilienkrise. Auch wenn der mondäne Glanz von Marbella heute verblasst ist: Rinkhoff schätzt das milde Klima, den meist blauen Himmel und die Nähe zur Geld-Society. Nur die Suche nach dem Mann fürs Leben („sehr sportlich, superintelligent und reich – und Top-Charakter“) war bislang noch nicht erfolgreich.

Tabelle: Schecks aus der alten Heimat Quelle: Deutsche Rentenversicherung

Eines ist für Rinkhoff allerdings klar: „Sollte ich ernsthaft erkranken, will ich zurück in die Heimat.“ Generell sind Gesundheitssystem und Krankenversicherung für Deutsche im Ausland ein zentrales Thema.

Die wichtigsten Punkte:

  • In der Regel können deutsche Ruheständler mit Wohnsitz in der EU, aber zum Beispiel auch in Norwegen und der Schweiz, in ihrer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung bleiben.
  • Gesetzlich Versicherte zahlen als Rentner in Europa weiter ihren deutschen GKV-Beitrag. Sie bekommen am ausländischen Wohnort bei Krankheit aber nur Leistungen, die auch Versicherte der dortigen gesetzlichen Krankenversicherung bekommen würden. So übernimmt zum Beispiel die gesetzliche Kasse in Spanien kaum Zahnarzt-Kosten. Möglich ist auch, dass Versicherte Kosten einer Behandlung vorstrecken müssen.
  • Private Versicherer bieten in den genannten europäischen Staaten das gleiche Leistungsniveau wie im Inland.
  • Wer schwer erkrankt nach Deutschland zurück will, sollte eine Auslandsreise-Krankenversicherung abschließen. „Diese Policen gelten allerdings maximal für fünf Jahre Auslandsaufenthalt“, sagt Rainer Elsmann, Versicherungsvermittler und Berater des Vereins Deutsche im Ausland.
  • Für alle gilt: Wer für mehr als fünf Jahre in weiter entfernte Länder ziehen will, braucht in der Regel eine neue Krankenversicherung. Für die ersten fünf Jahre bietet sich auch hier eine Reiseversicherung an. Aufenthalte bis fünf Jahre deckt zum Beispiel der Versicherer Hanse Merkur mit seinen Tarifen Basic und Profi ab. Ein 55-Jähriger muss im Profi-Tarif, der nach sechs Monaten Wartezeit auch Vorsorge und Zahnersatz abdeckt, für weltweiten Schutz 178 Euro monatlich zahlen (maximaler Selbstbehalt je Leistungsfall: 25 Euro). Mit 65 Jahren steigt der Beitrag jedoch auf happige 712 Euro pro Monat. Ohne Schutz für die USA und Kanada kostet die Versicherung nur halb so viel – die Gesundheitskosten dort sind besonders hoch.
  • Nach fünf Jahren helfen die Reiseversicherungen nicht mehr weiter. „Wer trickst und eine Reiseversicherung nach der anderen abschließt, bekommt im Ernstfall Probleme“, sagt Elsmann. Dauerhaften Krankenversicherungsschutz auf der ganzen Welt bekommen Auswanderer nur mit internationalen Krankenversicherungen, zum Beispiel den Cogenio-Tarifen von DKV Globality. Die Monatsbeiträge steigen mit dem Alter stark an: Mit Mitte 50 zahlen Versicherte für einen weltweiten Schutz – außer in den USA – je nach Gesundheit bei Vertragsschluss, Leistungsumfang und vereinbartem Selbstbehalt durchschnittlich 300 Euro monatlich. Inklusive USA sind die Beiträge mehr als doppelt so hoch. Mit 70 Jahren müssen Versicherte mit rund 600 Euro Monatsbeitrag rechnen, inklusive USA sind 1.000 bis 1.500 Euro fällig.

Anwartschaft festmachen

Brigitte L. auf Panglao Quelle: Privat

Allen Auswanderern, die ihre deutsche Krankenversicherung aufgeben müssen, rät Elsmann, sich eine Anwartschaft auf die gesetzliche oder private Krankenversicherung in Deutschland zu sichern: „Sonst kann es bei einer möglichen Rückkehr passieren, dass der alte Krankenversicherer, ob privat oder gesetzlich, einen nicht mehr aufnimmt.“

Zwar gilt prinzipiell sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung eine Versicherungspflicht, sodass Rückkehrer eigentlich keine Probleme haben sollten. „Oft gibt es aber trotzdem Streit darum, welcher Versicherer den Rückkehrer aufnehmen muss.“ Eine Anwartschaft in der GKV kostet 45 Euro im Monat; in der PKV hängen die Kosten vom Tarif ab. Wer sich nur für den eventuellen Fall einer Rückkehr absichern möchte, sollte in der PKV nur eine kleine Anwartschaft wählen. Die kostet nur etwa zehn Prozent des alten Beitrags, da der Versicherte keine Rücklagen für später bildet.

Eine internationale Krankenversicherung war Brigitte Lux viel zu teuer. Als sie vor sechs Jahren mit Mitte 50 auf die Philippinen, genauer die Insel Panglao im Zentrum des Archipels, gezogen ist, hat sie sich vor Ort beim privaten Anbieter Blue Cross versichert und ihre gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland gekündigt. Ihre Police deckt allerdings nur Unfälle und Krankenhausbehandlungen ab, Arztbesuche, Medikamente und Zahnersatz muss Lux selbst zahlen. Dafür liegt ihr Beitrag auch nur bei 66 Euro im Monat. „Solange man nicht schwer krank ist, sind die Kosten hier auf den Philippinen sowieso geringer“, sagt Lux, die früher als Personalsachbearbeiterin in Ludwigshafen gearbeitet hat. „Hier könnte ich mir privat drei Krankenschwestern leisten. Das wäre in Deutschland ja unvorstellbar.“

Kosten: Günstig Leben

Auch sonst kann sich Lux mit ihrer deutschen Rente auf Panglao deutlich mehr als in Deutschland gönnen. „Die Preise sind nur halb so hoch“, sagt sie. Die niedrigen Lebenshaltungskosten zögen viele Ausländer auf die Philippinen, berichtet Marc Daubenbüchel von der Europäischen Handelskammer in Manila: „Mittlerweile sind sogar einige Dörfer speziell für ausländische Senioren entstanden.“

Auch wenn die Lebenshaltungskosten in vielen Ländern niedriger als in Deutschland sind, kommen die meisten Auswanderer nicht ohne private Zusatzrente aus. Bei privaten Lebens- oder Rentenversicherungen spielt der Wohnort keine Rolle.

Bei der Riester-Rente dagegen müssen auswanderungswillige Sparer auf das Kleingedruckte achten. Ziehen Riester-Rentner später in ein Nicht-EU-Land, müssen sie die vom Staat erhaltenen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen. Wollen Riester-Rentner die EU nur für ein paar Jahre verlassen, kann es sinnvoll sein, die Rückzahlung von Zulagen und Steuervorteilen stunden zu lassen. Kehren sie dann später wieder zurück, erlässt der Staat ihnen diese Schuld – sie müssen dann ja wieder Steuern auf ihre Riester-Renten zahlen.

Für Lux stand fest, dass sie später ins Ausland wollte: „Ein Riester-Vertrag kam für mich deshalb nicht infrage.“ Vor allem das warme Wetter lockte sie. Jahrelang hielt sie Ausschau nach dem richtigen Fleck auf der Erde. Als Taucherin kam sie herum und entdeckte die Insel Panglao: „Das könnte es sein.“ Sechs Monate zog sie zur Probe auf die Insel, dann brach sie ihre Zelte in Deutschland ab. „Nur die Schränke habe ich nicht mitgenommen. Die taugen für das feucht-warme Klima hier nicht.“ Lux wohnt in einer Anlage mit neun Häusern im europäischen Stil. Der Rasen wird vom Gärtner getrimmt, der Strand ist zehn Minuten entfernt. Sie hat ein Dauervisum, das Ruheständler auf den Philippinen bekommen, wenn sie eine Kaution hinterlegen, durchschnittlich 10.000 Euro.

Ihren Entschluss habe sie nie bereut, sagt Lux, „nicht einen Tag“. Eine Rückkehr nach Deutschland hat sie nicht geplant. Auch wenn ihr Schinken und Maultaschen fehlen; länger als vier Wochen halte sie es in Deutschland nicht mehr aus, sagt sie.

Dann bekomme sie Heimweh nach den Philippinen. Vor ihren Reisen nach Deutschland schließt sie heute eine Auslandsreise-Police ab. Im Fall der Fälle würde die Versicherung auch den Krankentransport abdecken – zurück in die Heimat, auf die Philippinen.

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