Der Ruf der Versicherungen hat in den vergangenen Jahren nach diversen Skandalen, steigenden Beiträgen und öffentlich - auch von der WirtschaftsWoche - kritisierter schwacher Zahlungsmoral im Leistungsfall gelitten. Eine neue Untersuchung kommt nun zu dem Ergebnis, die Leistungsbereitschaft und Kundenfreundlichkeit gerade im vielfach kritisierten Sparte Berufsunfähigkeitsversicherung sei deutlich besser, als gemeinhin unterstellt wird.
Franke & Bornberg hat sich in diesem Jahr den Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen der anhaltenden Kritik genauer angeschaut als in den Vorjahren. Das Ergebnis überrascht nicht nur Kritiker der Versicherungsbranche. Demnach leisten die Versicherungen im Falle eintretender Berufsunfähigkeit (BU) bereitwilliger und schneller als angenommen. Nur selten kommt es hingegen zu zeitraubenden Gutachter-Beauftragungen oder gar gerichtlichen Auseinandersetzungen. "Nach unseren Erkenntnissen lässt sich nicht behaupten, die Versicherer würden in der Praxis nie zahlen oder Leistungen systematisch verweigern oder verzögern", sagt Michael Franke, Geschäftsführer des unabhängigen Rating- und Analysehauses Franke & Bornberg. "Was wir aber weiterhin kritisieren, ist die noch immer mangelnde Transparenz in der Branche." So nehmen bislang nur sieben Versicherungsgesellschaften freiwillig an dem Rating ihrer Leistungen durch Franke & Bornberg teil.
Kosten einer Berufsunfähigkeits-Police
Maximum: 607,28 Euro
Minimum: 309 Euro
Quelle: Franke & Bornberg; Marktvergleich unter 40 Versicherern, Basis der Berechnung: 1500 Euro monatliche Rente, Eintrittsalter 35, versichert bis 67, ausgewiesen ist jeweils der niedrigste und höchste Bruttobeitrag
Maximum: 292,18 Euro
Minimum: 225,31 Euro
Maximum: 572,38 Euro
Minimum: 193,79 Euro
Maximum: 568,32 Euro
Minimum: 155,20 Euro
Maximum: 323,61 Euro
Minimum: 94,15 Euro
Maximum: 323,61 Euro
Minimum: 94,15 Euro
Maximum: 411,20 Euro
Minimum: 91,45 Euro
Maximum: 411,20 Euro
Minimum: 91,45 Euro
Maximum: 411,20 Euro
Minimum: 89,86 Euro
Maximum: 212,10 Euro
Minimum: 78,40 Euro
Maximum: 195,35 Euro
Minimum: 78,40 Euro
Erstmals erhoben wurde auch die Zahl der bemühten Gutachten bei den 700 Fallstichproben, bei denen es im Jahr 2012 erstmals eine Entscheidung über die Bewilligung einer BU-Rente gab. Die Stichprobe wurde so gewählt, dass die Leistung in 75 Prozent der Fälle abgelehnt wurde. In nur 69 Fällen forderten die Versicherungen ein Gutachten an. Hochgerechnet bedeutet dies, das in nur zehn Prozent alle Fälle ein Gutachter hinzugezogen wurde.
Zudem stellte Franke & Bornberg fest, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass die Versicherungen dabei auf Gefälligkeitsgutachten bevorzugter Fachleute zurückgriffen, sondern sich primär an räumlicher Nähe der Gutachter zum Antragsteller und ihrer zeitlichen Verfügbarkeit orientierten. So kamen auch selten dieselben Gutachter mehrfach zum Einsatz. Weit überwiegend erachteten die Versicherer Gutachten in Fällen psychischer und orthopädischer begründeter Berufsunfähigkeit für notwendig, die als diagnostisch schwierig gelten.
Von den 22.000 Neuanträgen auf BU-Rente aus dem Jahr 2012 erkannten die Versicherer 70 Prozent an, in 30 Prozent der Fälle wurde die Leistung nicht gewährt. 40 Prozent der Fälle, in denen keine BU-Rente gezahlt wurde, gehen dabei auf das Konto der Versicherten selbst, weil sie den obligatorischen - allerdings sehr umfangreichen - Fragebogen nicht ausfüllten oder ihren Antrag zurückzogen. Laut Franke & Bornberg kann es schon deswegen dazu kommen, weil sich die Erkrankung im Antragszeitraum als nicht dauerhaft herausstellt, die Genesung schneller voranschreitet oder die Antragsteller vom Fragenkatalog der Versicherungen schlicht überfordert sind.
Verbesserte Situation für Versicherte
Die weiteren Gründe, warum die Versicherung nicht leistete, sind vielfältig. In knapp 23 Prozent der Fälle wurde die Leistung aus medizinischen Gründen abgelehnt. In fast 19 Prozent der Fälle traten die Versicherungen vom Vertrag zurück oder fochten den Vertrag an - meist, weil der Versicherte seiner Anzeigepflicht nicht nachkam oder bei Vertragsabschluss nicht wahrheitsgemäße Angaben machte. Rund zwei Prozent der Anträge scheiterten, weil die Erkrankung laut Vertragsbedingungen ausgeschlossen war. Bei etwas mehr als fünf Prozent lag die prognostizierte Dauer der Berufsunfähigkeit unterhalb der üblicherweise geforderten sechs Monate, so dass laut Versicherung keinen Berufsunfähigkeit vorlag.
Die Hauptgründe für eine Berufsunfähigkeit
Die Mehrheit, nämlich 28,67 Prozent, wird wegen psychischer Erkrankungen wie Burnout berufsunfähig.
(Angaben mit Stand April 2013)
Auf Platz zwei der Erkrankungen, die die Deutschen vorzeitig aus dem Berufsleben wirft, sind Erkrankungen des Skeletts und der Muskulatur. Mehr als 22 Prozent können wegen "Rücken" nicht mehr in ihrem Beruf oder auch gar nicht mehr arbeiten.
15,51 Prozent nehmen ihre Berufsunfähigkeitsversicherung wegen nicht näher kategorisierter Krankheiten in Anspruch.
Krebs und andere bösartige Geschwüre sind bei gut 15 Prozent der Grund für eine Berufsunfähigkeit.
Bei gut zehn Prozent sind Unfälle beziehungsweise deren Spätfolgen dafür verantwortlich, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können.
Bei fast acht Prozent aller Deutschen, die im letzten Jahr berufsunfähig wurden, spielten Erkrankungen von Herz und Gefäßen eine Rolle.
In 755 Fällen wurde über die BU-Rente 2012 vor Gericht entschieden. Bezogen auf die Zahl aller Anträge auf BU-Rente ist das nur ein Anteil von drei Prozent. Jeder zweite Prozess endete dabei mit einem Vergleich, in einem Drittel der Fälle fiel das Urteil der Richter zugunsten der Versicherung aus. Versicherungskunden setzten sich nur in 17 Prozent der Fälle durch.
"Die Situation hat sich für die Versicherten insgesamt etwas verbessert, die Fallbearbeitung ist zum Beispiel im Durchschnitt schneller geworden", resümiert Franke. "Dennoch gibt es noch Verbesserungspotenzial. Beispielsweise könnten Antragsteller besser und intensiver beraten und betreut werden, gerade im Hinblick auf den Erstantrag und das Ausfüllen der umfangreichen Fragebögen." Für Versicherte ist es zudem wichtig, sich keine übertriebenen Hoffnungen auf schnelle Zahlung der Berufsunfähigkeitsversicherung zu machen. Selbst vermeintlich klare Fälle benötigen drei bis sechs Monate zur Bearbeitung. Ist der Fall strittig und muss ein Gutachter hinzugezogen werden, können leicht weiter drei bis sechs Monate hinzukommen. Gerade für die wachsende Fallzahl psychischer Erkrankungen gibt es in Deutschland schlicht zu wenig Gutachter.
Zwar zahlen die Versicherungen in 70 Prozent der Fälle, wenn man die vom Versicherungsnehmer zurückgezogenen oder nicht weiter verfolgten Anträge abzieht. Die Begründungen für eine Ablehnungsquote von 30 Prozent sind allerdings vielfältig - und für Normalkunden nicht überschaubar. Daher wäre eine engere Beratung der betroffenen von unabhängiger Stelle sicher wünschenswert - und dem Image der Versicherungsgesellschaften sicher zuträglich.